Vertreibung der Massai

Vorrang für Touristen und Jäger

24:35 Minuten
Massai mit Speer bei Sonnenuntergang
Traditioneller Massai-Krieger mit Speer: Die Massai leben seit Jahrhunderten auf dem Land, von dem sie nun vertrieben werden sollen. © picture alliance / imageBroker / Torsten Antoniewski
Moderation: Ellen Häring und Andre Zantow |
Audio herunterladen
Im Namen des Tierschutzes will die Regierung in Tansania rund 70.000 Massai umsiedeln. Sie leben seit Jahrhunderten mit ihren Tieren in dem Gebiet nahe dem Ngorongoro-Krater und wollen nicht für Touristen und Jäger aus den Golfstaaten weichen.
Im Sommer tauchten in den deutschen Medien Meldungen auf, nach denen es im Norden von Tansania zu Vertreibungen gekommen war. Die Massai, die wohl bekannteste Volksgruppe Tansanias und Kenias, sollen demnach aus ihrem angestammten Gebiet im Norden Tansanias weichen. Es liegt neben dem touristisch spektakulären Serengeti-Nationalpark, wo wilde Tiere beheimatet sind. Die seien durch die Rinderherden der Massai beeinträchtigt und bekämen nicht ausreichend Wasser, heißt es von Seiten der Regierung Tansanias.
Die Massai wehren sich gegen die Vertreibung. "Ich wurde dort geboren und habe immer dort gelebt, meine Familie ist dort seit Jahrhunderten", sagt ein Betroffener. "Ich fühle mich versklavt in meinem eigenen Land. Wir werden benachteiligt, was fundamentale Menschenrechte angeht. Wir haben das Recht zu leben, wir haben das Recht zu arbeiten und wir haben das Recht teilzuhaben an den Entscheidungen der Regierung, die unser Leben bestimmen. All das wird uns vorenthalten.“

Journalisten sind unerwünscht

1500 Quadratkilometer im Norden Tansanias und 14 Dörfer der Massai sind von der Entscheidung der Regierung betroffen. Eine Kompensation oder ein Vorschlag, wohin die Massai stattdessen gehen sollen, gibt es nicht. Viele Massai sind aus dem Norden Tansanias zuerst nach Kenia geflohen, wo sie aber keinesfalls bleiben wollen.
Über den Konflikt zu berichten, ist nicht einfach, erklärt ARD-Korrespondentin Antje Diekhans, die ihr Büro in Kenias Hauptstadt hat. In Tansania sind Journalisten nicht gerne gesehen, schon gar nicht mit der Kamera.
Antje Diekhans und ihr Team konnten deshalb erst Interviews mit Betroffenen führen, als die Situation auf kenianischem Gebiet eskalierte und es zu Festnahmen kam. „Man sieht auf einem verifizierten Video, wie Polizisten auf die Massai schießen. Manche wurden auch getroffen, andere wurden mit Knüppeln geschlagen." Auch auf der anderen Seite habe es Opfer gegeben, ein Polizist sei getötet worden.
Menschen sitzen in einem Auto, einer hält seine mit Handschellen gefesselten Hände der Kamera entgegen.
Festnahmen nach einer Demonstration für die Rechte der Massai in Nairobi im Juni diesen Jahres.© picture alliance / AP / Ben Curtis
24 Massai kamen in Haft und wurden wegen Mordes angeklagt, wurden aber inzwischen wieder freigelassen, auch weil die Massai rechtlichen Beistand hatten. "Die Massai haben eine Lobby, unter anderem von Menschenrechtsorganisationen", sagt Diekhans. Im Sommer habe es eine Online-Petition zugunsten dieser Massai gegeben, die von drei Millionen Menschen unterschrieben wurde.
Die Massai glauben, dass es der Regierung nicht um Natur- und Artenschutz geht, sondern um einen Pachtvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Jagdgebiete für Safaris ausweist. Korrespondentin Antje Diekhans bestätigt diese Annahme. „Demnach sollen Gebiete ausgewiesen werden, in denen reiche Luxustouristen auf Jagd gehen können, wofür dann Gebühren an die Regierung bezahlt werden müssen." Tatsächlich habe ein Unternehmen in Dubai schon in den 90er-Jahren Jagdlizenzen erworben, dort auch schon Luxusunterkünfte errichtet und ein Flugfeld gebaut. "Denn die Scheiche wollen ja ohne Umwege zur Jagd anreisen. Das Unternehmen gilt auch als Sponsor der Regierung und zahlt Lizenzen an die Regierung für jedes erlegte Tier.“

Der Tourist soll die Tiere leicht finden

Dem Journalisten und Schriftsteller Navid Kermani ist es gelungen, als Tourist in das Naturschutzgebiet Ngorongoro zu kommen und mit den Massai dort zu sprechen. Er reist ein Jahr durch Ostafrika und schreibt Reportagen für die Wochenzeitung "Zeit".
Zwei Löwen spielen miteinander
Die Tiere sollen für die Jagd-Touristen gut zu finden sein. Da stören die Rinderherden der Massai.© picture alliance / Zoonar / Eugen Haag
„Die Massai halten sehr stark an ihren Traditionen fest. Sie leben im Einklang mit der Natur. Es sind sehr eindrückliche Menschen, die stolz darauf sind, mit der Natur zu leben", schildert er seine Eindrücke im Interview mit DLF Kultur. "Die Massai haben vorher ja auch mit den wilden Tieren ringsum gelebt. Das Problem entsteht durch die Trennung der Bereiche, insbesondere durch den Tourismus. Wo Rinderherden und Menschen sind, da ziehen sich die wilden Tiere zurück, aber sie sind ja nicht weg. Es ist eben kein Zoo mehr. Die Tiere sind dann eben schwieriger zu finden. Aber das Anliegen der Regierung ist, dass die Touristen die Tiere problemlos finden können.“
Tourismus und Jagd vertragen sich nicht mit der traditionellen Lebensweise der Massai. Wer weichen muss, scheint ausgemacht zu sein.
Mehr zum Thema