Massaker in Charleston

Der lange Schatten der Rassentrennung

US-Präsident Barack Obama nach dem Attentat von Charleston bei einer Pressekonferenz
US-Präsident Barack Obama nach dem Attentat von Charleston bei einer Pressekonferenz © dpa / picture-alliance / Michael Reynolds
Von Marcus Pindur, Washington |
US-Präsident Obama will nach dem Massaker von Charleston die Grabrede für die Opfer halten. Er sieht in der amerikanischen Gesellschaft noch immer einen tief sitzenden Rassismus: "Der Maßstab ist nicht, dass wir es als unhöflich betrachten, das Wort 'Nigger' in der Öffentlichkeit auszusprechen."
Lange Zeit hatte sich Barack Obama nicht oder nur sehr zurückhaltend zu Fragen wie Rassismus oder Diskriminierung geäußert. Obama wollte Präsident aller Amerikaner sein und sich nicht auf eine lediglich schwarze Identität festnageln lassen.
Klare Worte des US-Präsidenten
Darüber hinaus sind Fragen der Rassendiskriminierung vermintes Territorium in den USA. Umso größer das Erstaunen, als die Öffentlichkeit aus dem Mund des Präsidenten das N-Wort hörte. Den abwertenden und gesellschaftlich geächteten Begriff "Nigger". Auch wenn Obama ihn lediglich in aufklärerischer Funktion benutzt hatte. Man sei bei der Gleichstellung der Bürger in den letzten 50 Jahren sehr weit gekommen, sagte der Präsident.
Aber:
"Sklaverei, Rassentrennung, Diskriminierung werfen einen langen Schatten, das ist ein Teil unserer gesellschaftlichen DNA, unseres Erbes. Wir sind noch nicht vom Rassismus geheilt", so Obama in einem Interview für eine Podcast-Show in Kalifornien.
Dann verdeutlichte der Präsident, was er meinte:
"Der Maßstab ist nicht, dass wir es als unhöflich betrachten, das Wort 'Nigger' in der Öffentlichkeit auszusprechen. Das ist nicht der Maßstab dafür, ob es Rassismus gibt oder nicht. Es geht nicht nur um offene Diskriminierung. Gesellschaften können nicht über Nacht eine zwei- oder dreihundertjährige Geschichte ungeschehen machen."
Obama will in Charleston die Grabrede halten
Der Hintergrund für die Reflektionen des Präsidenten war die Bluttat in Charleston, bei der ein junger Weißer in der vergangenen Woche neun Schwarze in einer Kirche erschossen hatte. Recht schnell war klar, dass der 21-Jährige geständige Täter aus rassistischen Motiven gehandelt hatte. Justizministerium und FBI ermitteln wegen des Verdachts auf ein Hassverbrechen und auf Terrorismus. Auf einer Internetseite, die er auf seinen Namen registriert hatte, breitete Dylann Roof seine Wut gegen Schwarze aus.
Menschen legen nach den Morden in Charleston in den USA Blumen vor der Kirche ab
Menschen legen nach den Morden in Charleston in den USA Blumen vor der Kirche ab© dpa / Picture Alliance / Chris Melzer
Eine bei den rassistischen Hass-Gruppen verbreitete Haltung, so Richard Cohen. Er ist der Direktor des Southern Poverty Law Centers, das Rechtsextremismus in den USA dokumentiert: "Wir sehen einen Größenwahn, der zur Gewalt führt. Diese Person kam nicht durch den Besuch von Hass-Gruppen zu dieser Ideologie, sondern durch einen Prozess der Selbstradikalisierung im Internet. Und es steht zu befürchten, dass es noch einige andere von seiner Art gibt." Das Weiße Haus kündigte an, der Präsident werde am Freitag nach Charleston reisen und die Grabrede für den erschossenen Pastor und demokratischen Politiker Clementa Pinkney halten.
Südstaaten-Flagge steht als Symbol der Unterdrückung in Frage
Unterdessen stieg der Druck auf das Parlament von South Carolina deutlich. Die Flagge der Konföderierten, die dort immer noch gehisst wird, stehe für Vorurteile und Hass, hatte der ehemalige republikanische Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney getwittert. Jeb Bush, aktueller Kandidat, wies darauf hin, dass man die Flagge der sklavenhaltenden Südstaaten in seiner Zeit als Gouverneur von Florida dahin verbannt habe, wo sie hingehöre: Nämlich ins Museum. Gestern schwenkte dann auch die republikanische Gouverneurin von South Carolina, Nikki Haley, auf diese Linie um und appellierte an das Parlament, die Südstaatenflagge einzuholen - 150 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges."
Die Südstaaten-Flagge weht vor blauem Himmel; im Hintergrund sieht man die Kuppel eines Gebäudes.
Die Südstaaten-Flagge am Regierungs- und Parlamentssitz in Columbia/South Carolina.© AFP / MLADEN ANTONOV
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