Massaker von Peschawar

"Ablehnung und Abscheu" in Pakistan

Aufgebahrte Opfer eines Anschlags in Pakistan
Opfer des Anschlags in Pakistan © dpa / picture alliance / Rahat Dar
Boris Wilke im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting |
Die Heftigkeit des Attentats von Peschawar und seine Symbolkraft habe mit der Rivalität zwischen den pakistanischen Taliban-Gruppen zu tun, sagt der Politologe Boris Wilke. Das Land sei jetzt aber so einig wie nie zuvor im Kampf gegen das Terror-Netzwerk.
Bei dem Massaker an einer Armee-Schule in der pakistanischen Grenzstadt Peschawar wurden mehr als 130 Menschen getötet, zum größten Teil Kinder. Zu dem Anschlag bekannten sich die pakistanischen Taliban, ein loses Netzwerk aus etwa 50 Gruppen, berichtet Jürgen Webermann in Deutschlandradio Kultur . Ein Sprecher der Taliban erklärte, Ziel sei es gewesen, die Soldaten, die in Peschawar stationiert sind, spüren zu lassen, wie es sich anfühlt, Familienmitglieder zu verlieren. Vor allem Kinder von Soldaten haben die betroffene Schule besucht, viele Frauen von Soldaten arbeiten dort als Lehrerinnen.
"Es ging um eine Aktion gegen die pakistanische Armee", sagt Boris Wilke, Politikwissenschaftler an der Universität Bielefeld und Pakistan-Experte, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Die Armee führe seit dem 15. Juni "eine groß angelegte und offenbar auch recht erfolgreiche Militäraktion in Nord-Waziristan, im Grenzgebiet zu Afghanistan, deren Ziel die Taliban sind, also genau die Terrorgruppe, die diesen Anschlag verübt hat." Die Taliban in Pakistan seien nicht geschlossen, und es gebe eine Konkurrenz von verschiedenen Gruppen um den Führungsanspruch – "auch die Heftigkeit des Anschlags und seine Symbolkraft, seine symbolische Wirkung ist vor dem Hintergrund dieser Konkurrenz innerhalb der Dachorganisation zu sehen".
Es sei ein präzedenzloser Anschlag, "vielleicht der schwerste Anschlag zumindest in seiner Wirkung in Pakistan, und das Land ist ja nicht arm an Anschlägen". Die ersten Reaktionen auf das Attentat deuteten auf eine weitgehende Einigkeit von militärischer Führung und politischen Parteien hin. Einige islamistische Parteien würden zwar der Regierung eine gewisse Verantwortung für das Attentat zuweisen, doch die Nation stehe jetzt einiger als früher bei ähnlichen Anschlägen, meint Boris Wilke:
"Es ist ein langer Prozess der Bewusstwerdung gewesen, welche Bedrohung diese terroristischen Gruppierungen, der radikale militante Islamismus für Pakistan bedeuten. Diese Gruppen haben ja ihre Wurzeln, bis in die 80er-Jahre kann man die zurück verfolgen. Seit 2007 richten sich die Attentate auch gegen staatliche Einrichtungen, Armee und Polizei. Und zunächst war die Reaktion in der pakistanischen Öffentlichkeit gespalten gewesen, was wir uns vielleicht gar nicht vorstellen können. Heute dagegen herrscht − bis auf ein allerdings durchaus bedeutendes islamistisches Element − in der Gesellschaft weitgehende Ablehnung und (...) in diesem Fall auch Abscheu."
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