Massenproteste

Marsch der Million in Kiew

Demonstranten in Kiew, die die EU-Integration ihres Landes fordern.
Massenproteste in Kiew © picture alliance / dpa / Alexey Kudenko
Sabine Adler |
Die Opposition hatte heute zum "Marsch einer Million" aufgerufen - dem größten Protest seit der Orangenen Revolution 2004. Die Demonstrationen richten sich gegen den Kurswechsel von Präsident Viktor Janukowitsch in der Europapolitik.
Kämpferisch waren die Demonstranten schon auf dem Weg zum Unabhängigkeitsplatz in Kiew. In den überfüllten Metro-Stationen stimmten sie gemeinsam die Nationalhymne an. Dem Aufruf zum "Marsch der Million“ waren Hunderttausende gefolgt, trotz Schneeregens.
Die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die sich sehr früh schon auf die Seite der Demonstranten gestellt hatte, ihnen Schlafplätze und Asyl gewährte, eröffnete den heutigen Demonstrationssonntag mit einem Gebet.
Auch Julia Timoschenko meldete sich zu Wort, ihre Tochter verlas einen Brief der Mutter. Darin warnt die Inhaftierte, die ihren Hungerstreik inzwischen beendet hat, Präsident Janukowitsch davor, eine Zollunion mit Russland einzugehen. Den EU-Befürwortern riet sie, nicht mit Janukowitsch zu verhandeln, er müsse sein Amt aufgeben. Die Menge skandierte danach "Rücktritt“.
Unterstützung bekommen die Europa-Befürworter derzeit von zahlreichen Gästen, unter anderem polnischen Abgeordneten und dem Ex-Präsident Georgiens Michail Saakaschwili, dem einstigen Anführer der georgischen Rosen-Revolution.
Saakaschwili: "Wir können nicht gleichgültig bleiben, denn hier geschieht gerade die eine Besatzung eines ganzen großen Volkes Europas und seiner Zukunft. Durch Wladimir Putin und den Kreml. Das ist keine rein ukrainische Frage mehr, sondern eine, wie Russland mit dem postsowjetischen Raum umgeht. Und deshalb sind wir hier, um unsere Solidarität mit der Ukraine zum Ausdruck zu bringen.“
Georgien: "Wir haben das geschafft"
Georgien ist für seinen nach Westen ausgerichteten Kurs schwer abgestraft worden, die Auseinandersetzungen mit Moskau führten 2008 zu einem Krieg. Der ehemalige Präsident ermuntert die Ukraine, sich wie sein Land es tat, von dem großen östlichen Partner Russland zu lösen.
Saakaschwili: "Georgiens Wirtschaft ist heute komplett unabhängig von der russischen. Wir importieren nichts aus Russland, wir haben unsere Energieversorgung umgestellt. Wir haben das geschafft, obwohl wir wirtschaftlich noch sehr viel stärker von Russland abhängig waren als die Ukraine.“
Was der ukrainische Präsident Janukowitsch nach seinem China-Besuch am Freitag in Sotschi mit Gastgeber Putin besprach, ist immer noch unbekannt. Der ukrainische Regierungschef warnte, dass eine mögliche Visafreiheit mit Russland abgestimmt werden müsse. Mykolai Asarow:
"Eine Visafreiheit im Zusammenhang mit einem EU-Assoziierungsabkommen werfen natürlich auch Fragen auf, was mit der Ostgrenze unsres Landes wird. Russland befürchtet, dass es die Kontrolle über seine Grenze verliert. Einige russische Politiker haben bereits gefordert, dann die Visapflicht für ukrainische Bürger einzuführen. Das wäre für uns absolut nicht hinnehmbar. Deswegen schlagen wir vor, solche Fragen in Dreiergesprächen zwischen der Europäischen Union, Russland und der Ukraine zu erörtern. Wir hoffen dass diese Gespräche bald stattfinden, dann wäre der Weg zur EU-Assoziierung offen."
Der "Spiegel" schreibt, dass die EU dem populärsten der drei Oppositionsführer, Box-Weltmeister Vitali Klitschko den Rücken stärken möchte, mit einer Einladung zum nächsten EU-Rat nach Brüssel und einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel.
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