Zu schön, um wahr zu sein?
08:16 Minuten
Doppelt so viele Bahnnutzer, mehr Zugverbindungen, pünktlichere Züge: Das möchte das Bundesverkehrsministerium mit seinem "Masterplan Schienenverkehr" bis 2030 erreichen. Der Verkehrsökonom Christian Böttger glaubt nicht, dass dies möglich ist.
Bahnkunden sollen künftig einfacher und schneller ans Ziel kommen, die Züge pünktlicher werden – und außerdem sollen mehr Güter von der Straße auf die Schiene geholt werden. Das verspricht der "Masterplan Schienenverkehr", den heute (30.06.2020) Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer vorgestellt hat.
Das Ziel ist ehrgeizig: In zehn Jahren sollen doppelt so viele Menschen mit der Bahn fahren wie bislang – auch der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene soll steigen. Möglich machen soll dies der "Deutschlandtakt" – ein bundesweit abgestimmter Fahrplan. Lange Umsteigezeiten oder knapp verpasste Anschlusszüge gehören dann der Vergangenheit an – so die Vision.
Das Ziel ist ehrgeizig: In zehn Jahren sollen doppelt so viele Menschen mit der Bahn fahren wie bislang – auch der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene soll steigen. Möglich machen soll dies der "Deutschlandtakt" – ein bundesweit abgestimmter Fahrplan. Lange Umsteigezeiten oder knapp verpasste Anschlusszüge gehören dann der Vergangenheit an – so die Vision.
Ein Ergebnis soll schon in diesem Dezember zu sehen sein: Ab dann sind Verbindungen zwischen Berlin und Hamburg im Halbstundentakt geplant. Aber das soll nur der erste Schritt sein. "Züge sollen überall, öfter, schneller überall und vor allem verlässlich durch unser Land fahren", heißt es in einem Werbevideo für den "Masterplan".
Infrastruktur reicht nicht aus
Das hört sich fast zu schön an, um wahr zu sein: Der Verkehrsökonom Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin bezweifelt jedenfalls, dass sich diese Ziele bis 2030 umsetzen lassen.
Der Plan des Verkehrsministeriums habe zwar "gute Ansätze" und es sei auch positiv, dass das Verkehrsministerium dieses Thema "jetzt etwas ernster nimmt", als man es in den letzten zwei Jahrzehnten genommen habe.
Auf das Kernproblem – die fehlende Infrastruktur – gehe der "Masterplan Verkehr" jedoch nicht ausreichend ein, betont Böttger. "Die Realität ist eben: Die vielen Projekte, die gebaut werden müssten, um all das zu ermöglichen, was versprochen wird, die wird es nicht vor 2040 geben." Der Bahnkunde werde also in naher Zukunft keine größen Veränderungen spüren, prognostiziert der Verkehrsökonom im Gespräch mit Deutschlansfunk Kultur.
Massive Investitionen sind notwendig
Die versprochene Halbstundentaktung bei Verbindungen zwischen Großstädten hält Böttger für ein "Symbolprojekt". Auch hier glaubt er nicht, dass diese Taktung in den nächsten Jahren auf den großen Schienen-Achsen realisierbar ist, weil die Infrastruktur fehle.
Um die Ziele des Verkehrsministeriums zu erreichen, sind massive Investitionen nötig. Die Ausgaben für den Schienenausbau sollen jährlich auf drei Milliarden Euro steigen; etwa doppelt so viel wie bisher. "Da sagt das Verkehrsministerium: Geld ist kein Problem", so Böttger. "Aber der zweite Punkt ist, dass auch die Planungskapazitäten nicht ausreichen."
Deutschland ist ein Land der Autofahrer
Auch in Bezug auf das Ziel, doppelt so viele Menschen zum Bahnfahren zu bewegen, ist Böttger nicht optimistisch. "Sie müssen sehen, dass heute 2/3 der Deutschen nie öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Wir sind immer noch ein Land von Autofahrern. Und wir alle haben eigentlich keine richtige Lust, unser Verkehrsverhalten zu verändern. Und die Politik muss sich auch überlegen, wie weit sie die Bürger zwingt, ihr Verkehrsverhalten zu ändern." Denn entsprechende Maßnahmen seien "nicht populär".
Hinzu komme, dass bis heute der Straßenverkehr hoch subventioniert werde, auch der Flugverkehr seine Kosten "nicht einmal annährungsweise" decke. "Das wäre aus meiner Sicht das absolute Minimum, dass man da erst einmal eine Vollkostendeckung erreicht." Wenn in Bezug auf die Subventionspolitik nicht wirklich ein Umdenken erfolge, werde die Schiene jedenfalls keine erheblichen Markanteilsgewinne erzielen können.
(Moritz Behrendt / lkn)