"Material ist halt in Hülle und Fülle da"
Immer stärker wird das Thema Recycling auch auf Möbelmessen eines der Schwerpunkte: Oliver Schübbe ist ein Pionier auf dem Gebiet Recyclingmöbel und meint, dass immer mehr Kunden Möbel als Einzelstücke haben wollen. Die Möbelhersteller reagieren darauf.
Katrin Heise: Das mach sich gebrauchte, vielleicht antike Möbel ins Wohnzimmer stellt, anstatt neue zu kaufen, das kennen wir ja alle, wer hat nicht schon mal auf dem Trödel oder Sperrmüll gewühlt oder hat Omas Buffet aufgestellt? Dass aber aus Gründen des Umweltschutzes aus Möbelmüll neue Möbel designt werden, das ist eine relativ neue Idee. Und es gibt viel zu tun: Alleine in Deutschland landen pro Jahr sieben Millionen Tonnen Sofas, Stühle, Tische, Betten, Schränke im Müll. Heute startet in Köln die "imm cologne", das ist die internationale Möbelmesse dort, und es werden Designermöbel gezeigt, die aus Altmaterialien hergestellt werden, und die Flächen werden immer größer auf den internationalen Möbelmessen, die von Recyclingmöbeln ausgefüllt werden. Einer der Pioniere dieser Ideen in Deutschland ist Oliver Schübbe, schönen guten Tag, Herr Schübbe!
Oliver Schübbe: Ja, schönen guten Tag!
Heise: Herr Schübbe, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Möbelstück aus Müll? Warum ist es entstanden, aus Umweltbewusstsein oder Lust am Basteln?
Schübbe: Nein, das erste Projekt, das kam eher aus einer sozialen Beschäftigungsförderung, aus einem Tischlereiprojekt, wo sich ein Wertstoffhof, die Recyclingbörse hier in Herford, mal wirklich Gedanken gemacht hat, warum gehen jede Woche zwei Riesenmüllcontainer in die Müllverbrennungsanlage, können wir da nicht noch was draus machen? Und da war halt ein eigener Bedarf in dem Laden und da wurden Regale gebaut, Tische. Aber eher so aus den Gründen, wie gesagt, warum soll das einfach weggeschmissen werden, eher so aus Eigennutz.
Heise: Und dann sind Sie angefragt worden und haben eben gebastelt?
Schübbe: Genau, ich kam aus Berlin zurück, habe mir ein kreatives Jahr der Selbstständigkeit in Berlin gegönnt, aber Aufträge waren da ja auch nicht so riesig und dann ging es wieder zurück in die Provinz. Und ich suchte eine Prototypenwerkstatt und da kam ich an diesen Recyclinghof.
Und dann fing dieses Holzwerkstattprojekt an, wobei natürlich erst mal komplett umgedacht wurde: Also, man bestellte sich keine Spanplatten auf den Hof, sondern man hat erst mal komplett die Mulden umgedreht und geschaut, was ist da überhaupt drin? Also, erst mal wirklich Feldforschung, geschaut, was ist an Material da?
Heise: Nach dem Studium - Innenarchitektur und experimentelles Gestalten war das - wollten Sie eben aus Müll dann Möbel herstellen. Sie waren sozusagen angefixt von diesem Möbelhof. Es ging Ihnen da aber nicht um Einzelstücke, sondern schon ziemlich bald um Serienproduktion?
Schübbe: Ja, es ging halt einmal um die komplette Masse. Also, es war halt immer die Masse an Altmöbeln da, was natürlich komplett durch die letzten Jahrzehnte ging mit wirklich Echtholzfurnieren, teils noch Tischlerplatten aus den 50er-, 60er-Jahren. Da hat man auch wirklich erst mal geschaut, was ist überhaupt da. Und da ging es jetzt nicht darum, um den totalen kreativen Prozess, wo lande ich, in welcher Galerie, mit dem Objekt, sondern es ging wirklich darum zu schauen, was kann man da wirklich rausholen, was sind da für Maße drin, was kann man aus einem "Billy"-Regal noch machen? Und das war halt so Sinn und Zweck der Geschichte, aber erst mal halt für den Laden. Und dann haben wir halt gesehen, dass da wirklich ein Begehren bei den Kunden war, dass die sich das vorstellen konnten, sich das zu Hause hinzustellen. Und was mich eigentlich schon sehr gewundert hat, so ...
Heise: Was ist denn aus diesem "Billy"-Regal beispielsweise geworden? Wieder ein Regal, oder wird da manchmal was ganz anderes draus?
Schübbe: Nein, aus dem "Billy"-Regal ist auch wieder ein Regal geworden. Also, wir haben zum Beispiel ein Regal-Modul entwickelt, das nennt sich "Frank", das haben wir jetzt über 20.000 Mal verkauft, das wird auch schon in Tel Aviv produziert oder jetzt von der Caritas in Wien. Und das hat halt genau das Maß, das wir, aus einem "Billy"-Regal kriegen wir zwei "Frank"-Regale. Und das sind halt so Kisten, die sind natürlich ein bisschen kleiner, die sind 40 auf 40 und 35 tief, vorne mit einem Schwung, aber da ist halt auch 100 Prozent recycelt, da steckt original wieder die Rückwand drin, da, die Seitenplatten, vorne auf die Kante wird ein Massivholztisch aufgesägt, da kommt wieder eine Kante drauf. Also, sehr handwerklich, Handmade und relativ einfach. Weil, das war halt auch immer Sinn und Zweck. Es gab natürlich ein paar Leute in der Beschäftigungsförderung, die halt nicht eine abgeschlossene Tischlerausbildung hatten, die vielleicht nicht an einer Kreissäge arbeiten konnten, darum wurde auch ziemlich lowtechmäßig gedacht bei der Möbelproduktion am Anfang.
Heise: Wie war denn die Reaktion auf Ihre Idee von Möbelproduzentenseite her? Ich meine, Sie sind da jetzt so eine kleine Einheit ...
Schübbe: ... Also, wir haben halt festgestellt, dass die damit, mit dem Material überhaupt nicht umgehen können. Also, wir haben ... Gerade, da das ja so eine Kooperative war mit den Arbeitsagenturen, wurde halt immer gerne gesehen, dass Industrie und Handwerk mit eingebunden wird bei so Projekten. Und da haben wir uns mal den Spaß gemacht oder sahen es eigentlich auch recht ernst, mal zu einer Tischlerei zu fahren und zu sagen: Wenn wir nicht die Leute haben, die an einer Kreissäge arbeiten können, könnt ihr uns die Platten vorkonfektionieren?
Wir geben euch das Material und die Maße, sägt uns das und wir bearbeiten das dann weiter. Aber da haben die gleich die Nase gerümpft und haben gesagt, mit dem Material, heutzutage kosten halt teils Maschinen ein, zwei Millionen Euro und da haben die halt keine Lust, mit dem Material zu arbeiten ... Das Material hat immer eine andere Stärke, mal ist es ein bisschen gebogen, verschiedene Materialien, mal ist noch eine Schraube drin ... Also, das war für die überhaupt nicht greifbar, für die Möbelindustrie.
Heise: War oder ist es das auch immer noch nicht?
Schübbe: Ja, es ist immer noch nicht. Also, die finden es halt ganz spannend auch so, weil, man muss ja sagen, dass man den Trend schon fast ein bisschen beeinflusst, weil es mit dem Patchwork und der verschiedenen Farbigkeit von Furnieren auf Möbeln, das ergänzt sich ja immer so ein bisschen. Manchmal weiß man gar nicht, wo ist der Ursprung des Designs, kommt es wirklich aus dem Lowtech, Recyclingdesign, aus der Studentenbude, so klischeemäßig, oder aus der Materialvielfalt, die die Industrie halt zur Verfügung hat. Also, das befruchtet sich, glaube ich, ein bisschen gegenseitig, aber die Produktion ist komplett anders abgestimmt.
Heise: Würden Sie sagen, dass Recyclingmöbel eine eigene Seele haben?
Schübbe: Auf jeden Fall! Also, ich meine, man sieht halt auch oft, dass man halt wirklich ... Gerade mit dieser Fehlerästhetik! Oftmals sind halt Kratzer auf den Platten, gerade wenn es so alte Schellackplatten sind oder richtig edle Furniere. Auch wenn da ein Kratzer drauf ist, hat das noch so einen Wert und ..., dass man es nicht wegschmeißen kann. Und manchmal ist es halt der Kratzer, der gerade die Geschichte erzählt.
Oder letztens habe ich halt Tischtennisplatten zu dem Regal verarbeitet, wo dann halt auch jeder, der wahrscheinlich in die Wohnung kommt, gleich sieht, äh ja, da stimmt doch was nicht, ach, da sind noch so Linien drauf, das war mal eine Tischtennisplatte! Und das ist halt so dieser Mehrwert auch, dass man halt wirklich Geschichten darüber erzählen kann. Und ich glaube, das trägt auch zur Produktverlängerung bei, dass die Möbel doch wirklich ein bisschen länger leben.
Heise: Recyclingmöbel, Möbeldesigner Oliver Schübbe war Pionier auf dem Gebiet. Wie teuer sind eigentlich Recyclingmöbel, Herr Schübbe? Ist das billiger oder ist das letztendlich durch die Handarbeit dann doch wieder teurer?
Schübbe: Ich denke, oftmals ist es halt teurer, weil es halt wirklich Handarbeit ist und die ausgesuchten Materialien, also, wo bekomme ich die halt her und habe ich die in der gewissen Menge, wie ich sie brauche? Aber ich muss sagen, also, gerade bei diesen "Frank"-Regalen oder einer Sesselserie, "Pixelstar", ist es schon relativ günstig. Also, ich glaube, dass sie fast mit den Preisen der schwedischen Möbelhäuser mithalten können.
Also, ich würde sagen, es muss nicht immer teurer sein und es macht halt auch Sinn wirklich mit dieser regionalen Produktion, weil wir ja uns da einklinken, wo die Sachen gesammelt werden, auf den Wertstoffhöfen, Recyclinghöfen, bei den Städten. Und dass man da halt auch allein am Transport und der Logistik, da halt auch, wenn man sich da wirklich einklinkt, auch was sparen kann, wenn man sagt, es wird regional produziert, es ist der Müll aus der Region und da wird angesetzt.
Heise: Und das erreicht dann wahrscheinlich als Argument auch den Kunden? - Denn das würde mich schon auch mal interessieren: Sie haben gesagt, die waren von Anfang nicht ganz abgeneigt. Wie hat das jetzt sich entwickelt, wird das angenommen, wird das nachgefragt? Wenn es auch nicht unbedingt über den Preis geht, weil, das Billigste ist es ja nicht.
Schübbe: Nein, das Billigste, also, da gibt es mit Sicherheit immer günstigere Sachen. Nein, aber es ist halt schon eine Entwicklung da, dass halt immer mehr gekauft wird und die Leute das, glaube ich, auch immer mehr verstehen, diese Geschichten. Und halt, dass die diese Individualität, wo ich halt auch jetzt noch über die Möbelmesse gelesen habe, über die aktuelle, dieser Individualismus, dass man halt das Einzelstück halt wirklich haben möchte und dass sich die Möbelhersteller da auch wirklich drauf einstellen, dass es das auch wirklich ist und dass die Leute das halt auch wirklich begreifen.
Und dann mit der Geschichte, mit der Nachhaltigkeit und CO2-Einsparung, weil es halt ein Altmaterial ist, was nicht extra hergestellt werden musste für das Möbel. Also, ich glaube, die Geschichten so, das macht's halt wirklich rund und dafür geben die Leute dann auch gerne das Geld aus und die verstehen es auch.
Heise: Also, die Öko-Bilanz, Sie haben es gerade angesprochen, ist bei so einem Möbelstück tatsächlich eine bessere, eben einfach, weil es schon mal hergestellt ist. Ich meine, es muss ja auch wieder neu verarbeitet werden, neu gepresst werden, neu geknickt werden und so weiter ...
Schübbe: ... genau, auf kurzem Wege, wenig Logistik dahinter. Also, das Material ist halt in Hülle und Fülle da, weil ich glaube ... Also, bei dem ganzen Recycling und so ... Ich glaube, bei Möbelwertstoffen, bei den Holzplattenwertstoffen, da hat sich noch wirklich keiner so richtig Gedanken mit gemacht. Ich glaube, das ist halt einfach für die Müllverbrennungsanlage, hat einen schönen thermischen Heizwert, aber bevor es diese Bio-Holzplatte gibt, wo ich in ein paar Jahren meinen Schrank vielleicht mal im Garten vergraben kann und es wird zu Humus, ich glaube, das dauert noch. Und die Richtung ist momentan, glaube ich, auch nicht am Markt.
Heise: Also, das heißt, es gab ja zum Beispiel auch mal Pappmöbel oder gibt es wahrscheinlich auch noch, es gibt Möbel aus recyceltem Plastik, also, diese Sitze sehen wir ja auch überall. Würden Sie sagen, diese designten Recycling-Möbel, die Sie herstellen, die unterscheiden sich so ein bisschen vom allgemeinen Wiederverwertbarkeitssystem von Müll?
Schübbe: Auf jeden Fall, auf jeden Fall, ja, also, es ist halt eine ganz andere Geschichte und Philosophie dahinter. Ich meine, immer mehr Hersteller werben natürlich auch damit, dass man zum Beispiel einen Bürostuhl binnen acht Minuten sortenrein trennen kann: nach Aluminiumstoffen, Schaum ... Damit werben die halt. Aber dieses Rücknahmesystem, wie es jetzt zum Beispiel im Elektrorecycling ist, dass überall die Fernseher wieder zurückgenommen werden und auseinandergenommen werden professionell, ich glaube, nicht ... Bei Möbeln wird das noch Jahre dauern, bis wir da wirklich hinkommen. Und da ...
Heise: ... wie ist das eigentlich bei der Ausbildung von Möbeldesignern? Weil Sie gerade sprechen von Jahre, die das noch dauert: Hat das eigentlich schon Eingang gefunden, dieser Gedanke, dieser Recycling-Gedanke?
Schübbe: Genau, das war also, mit dem Boom der letzten Jahre, das hat mich halt auch überrascht, dass sich die Hochschulen da eingeklinkt haben und dass man - also, ich gebe halt auch öfters Workshops oder mal Lehraufträge -, dass da wirklich ein Interesse da ist. Weil, es ist ja eine höhere Disziplin, weil, ich muss mir ja erst mal Gedanken machen ums Material. So wie ich es kenne aus meiner Ausbildung, da war immer das Thema, was gibt es an neusten Hightechmaterialien, was gibt es an CNC-Fräsen und 3-D-Plottern ... Und dass man jetzt sich wirklich mal fragt, was ist denn am Markt schon wirklich da an Material und wo läuft es auf und wo kann ich, was kann ich damit machen?
Also, ich glaube, die Herangehensweise ist eine ganz andere, und ich sehe es halt, wenn es zum Beispiel so Führungen auf dem Recyclinghof, wo ich meine Werkstatt habe, gibt, dass man die da ganz anders noch mal inspirieren kann. Und diese Materialforschung oder auch mal ein altes Möbel auseinanderzubauen, mal zu sehen, wie waren die Verbindungen in den 60er-, 70er-Jahren, dass das halt wirklich superinteressant ist und dass man da sehr, sehr viel lernen kann.
Heise: Wenn ich Sie so reden höre, dann hat das eigentlich schon eine Chance auf eine dauerhafte Akzeptanz der Idee, oder? Das ist jetzt jenseits mal des schicken Trends?
Schübbe: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass das so fundiert ist, und das ist ja auch aus verschiedenen Forschungsprojekten. Also, es gab gleich ein Riesennetzwerk mit der Deutschen Bundesumweltstiftung, im Umweltbundesamt, verschiedensten Hochschulen ... Also, von daher ist das schon richtig fundiert und auch in der Praxis haben da schon ganz viele Erfahrungen gemacht. Ich meine, viele sind auch gescheitert, wo die gesagt haben, oh, ich habe jetzt so ein Material gefunden, aber das gibt es am Markt nicht!
Weil, es ist ja immer so bei Recyclingdesign die Gefahr: Wenn ich zum Beispiel ein Möbel habe, also, entworfen habe und ich komme nicht mehr ans Material dran. Es gab zum Beispiel mal Taschen aus Fahrradschläuchen. Da hat die Designerin so gut verkauft, dass sie gesagt hat, ich komme nicht mehr an so gebrauchte, kaputte Fahrradschläuche dran und die sind ja gar nicht so teuer, dann fake ich das halt und kaufe mir Neuware. Da muss man aufpassen, das ist halt immer so eine Schnittstelle. Zum Beispiel bei diesen "Freitag-Taschen" aus der Schweiz, da funktioniert das ganz gut, weil die ein gutes Rücknahmesystem haben, die haben kein Problem mit der Materialbeschaffung. Aber wenn ich mir halt so ein superseltenes Material aussuche, kann das schon mal zu Schwierigkeiten führen in der Multiplizierbarkeit der Möbel.
Heise: Also sozusagen schon dann Engpässe beim Recycling! Danke schön! Möbel-Designer Oliver Schübbe stellt Recycling-Möbel her, ein Trend, der nicht nur auf der heute beginnenden Möbelmesse in Köln einen immer größeren Raum einnimmt. - Herr Schübbe, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und eine interessante Messe!
Schübbe: Danke, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Oliver Schübbe: Ja, schönen guten Tag!
Heise: Herr Schübbe, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Möbelstück aus Müll? Warum ist es entstanden, aus Umweltbewusstsein oder Lust am Basteln?
Schübbe: Nein, das erste Projekt, das kam eher aus einer sozialen Beschäftigungsförderung, aus einem Tischlereiprojekt, wo sich ein Wertstoffhof, die Recyclingbörse hier in Herford, mal wirklich Gedanken gemacht hat, warum gehen jede Woche zwei Riesenmüllcontainer in die Müllverbrennungsanlage, können wir da nicht noch was draus machen? Und da war halt ein eigener Bedarf in dem Laden und da wurden Regale gebaut, Tische. Aber eher so aus den Gründen, wie gesagt, warum soll das einfach weggeschmissen werden, eher so aus Eigennutz.
Heise: Und dann sind Sie angefragt worden und haben eben gebastelt?
Schübbe: Genau, ich kam aus Berlin zurück, habe mir ein kreatives Jahr der Selbstständigkeit in Berlin gegönnt, aber Aufträge waren da ja auch nicht so riesig und dann ging es wieder zurück in die Provinz. Und ich suchte eine Prototypenwerkstatt und da kam ich an diesen Recyclinghof.
Und dann fing dieses Holzwerkstattprojekt an, wobei natürlich erst mal komplett umgedacht wurde: Also, man bestellte sich keine Spanplatten auf den Hof, sondern man hat erst mal komplett die Mulden umgedreht und geschaut, was ist da überhaupt drin? Also, erst mal wirklich Feldforschung, geschaut, was ist an Material da?
Heise: Nach dem Studium - Innenarchitektur und experimentelles Gestalten war das - wollten Sie eben aus Müll dann Möbel herstellen. Sie waren sozusagen angefixt von diesem Möbelhof. Es ging Ihnen da aber nicht um Einzelstücke, sondern schon ziemlich bald um Serienproduktion?
Schübbe: Ja, es ging halt einmal um die komplette Masse. Also, es war halt immer die Masse an Altmöbeln da, was natürlich komplett durch die letzten Jahrzehnte ging mit wirklich Echtholzfurnieren, teils noch Tischlerplatten aus den 50er-, 60er-Jahren. Da hat man auch wirklich erst mal geschaut, was ist überhaupt da. Und da ging es jetzt nicht darum, um den totalen kreativen Prozess, wo lande ich, in welcher Galerie, mit dem Objekt, sondern es ging wirklich darum zu schauen, was kann man da wirklich rausholen, was sind da für Maße drin, was kann man aus einem "Billy"-Regal noch machen? Und das war halt so Sinn und Zweck der Geschichte, aber erst mal halt für den Laden. Und dann haben wir halt gesehen, dass da wirklich ein Begehren bei den Kunden war, dass die sich das vorstellen konnten, sich das zu Hause hinzustellen. Und was mich eigentlich schon sehr gewundert hat, so ...
Heise: Was ist denn aus diesem "Billy"-Regal beispielsweise geworden? Wieder ein Regal, oder wird da manchmal was ganz anderes draus?
Schübbe: Nein, aus dem "Billy"-Regal ist auch wieder ein Regal geworden. Also, wir haben zum Beispiel ein Regal-Modul entwickelt, das nennt sich "Frank", das haben wir jetzt über 20.000 Mal verkauft, das wird auch schon in Tel Aviv produziert oder jetzt von der Caritas in Wien. Und das hat halt genau das Maß, das wir, aus einem "Billy"-Regal kriegen wir zwei "Frank"-Regale. Und das sind halt so Kisten, die sind natürlich ein bisschen kleiner, die sind 40 auf 40 und 35 tief, vorne mit einem Schwung, aber da ist halt auch 100 Prozent recycelt, da steckt original wieder die Rückwand drin, da, die Seitenplatten, vorne auf die Kante wird ein Massivholztisch aufgesägt, da kommt wieder eine Kante drauf. Also, sehr handwerklich, Handmade und relativ einfach. Weil, das war halt auch immer Sinn und Zweck. Es gab natürlich ein paar Leute in der Beschäftigungsförderung, die halt nicht eine abgeschlossene Tischlerausbildung hatten, die vielleicht nicht an einer Kreissäge arbeiten konnten, darum wurde auch ziemlich lowtechmäßig gedacht bei der Möbelproduktion am Anfang.
Heise: Wie war denn die Reaktion auf Ihre Idee von Möbelproduzentenseite her? Ich meine, Sie sind da jetzt so eine kleine Einheit ...
Schübbe: ... Also, wir haben halt festgestellt, dass die damit, mit dem Material überhaupt nicht umgehen können. Also, wir haben ... Gerade, da das ja so eine Kooperative war mit den Arbeitsagenturen, wurde halt immer gerne gesehen, dass Industrie und Handwerk mit eingebunden wird bei so Projekten. Und da haben wir uns mal den Spaß gemacht oder sahen es eigentlich auch recht ernst, mal zu einer Tischlerei zu fahren und zu sagen: Wenn wir nicht die Leute haben, die an einer Kreissäge arbeiten können, könnt ihr uns die Platten vorkonfektionieren?
Wir geben euch das Material und die Maße, sägt uns das und wir bearbeiten das dann weiter. Aber da haben die gleich die Nase gerümpft und haben gesagt, mit dem Material, heutzutage kosten halt teils Maschinen ein, zwei Millionen Euro und da haben die halt keine Lust, mit dem Material zu arbeiten ... Das Material hat immer eine andere Stärke, mal ist es ein bisschen gebogen, verschiedene Materialien, mal ist noch eine Schraube drin ... Also, das war für die überhaupt nicht greifbar, für die Möbelindustrie.
Heise: War oder ist es das auch immer noch nicht?
Schübbe: Ja, es ist immer noch nicht. Also, die finden es halt ganz spannend auch so, weil, man muss ja sagen, dass man den Trend schon fast ein bisschen beeinflusst, weil es mit dem Patchwork und der verschiedenen Farbigkeit von Furnieren auf Möbeln, das ergänzt sich ja immer so ein bisschen. Manchmal weiß man gar nicht, wo ist der Ursprung des Designs, kommt es wirklich aus dem Lowtech, Recyclingdesign, aus der Studentenbude, so klischeemäßig, oder aus der Materialvielfalt, die die Industrie halt zur Verfügung hat. Also, das befruchtet sich, glaube ich, ein bisschen gegenseitig, aber die Produktion ist komplett anders abgestimmt.
Heise: Würden Sie sagen, dass Recyclingmöbel eine eigene Seele haben?
Schübbe: Auf jeden Fall! Also, ich meine, man sieht halt auch oft, dass man halt wirklich ... Gerade mit dieser Fehlerästhetik! Oftmals sind halt Kratzer auf den Platten, gerade wenn es so alte Schellackplatten sind oder richtig edle Furniere. Auch wenn da ein Kratzer drauf ist, hat das noch so einen Wert und ..., dass man es nicht wegschmeißen kann. Und manchmal ist es halt der Kratzer, der gerade die Geschichte erzählt.
Oder letztens habe ich halt Tischtennisplatten zu dem Regal verarbeitet, wo dann halt auch jeder, der wahrscheinlich in die Wohnung kommt, gleich sieht, äh ja, da stimmt doch was nicht, ach, da sind noch so Linien drauf, das war mal eine Tischtennisplatte! Und das ist halt so dieser Mehrwert auch, dass man halt wirklich Geschichten darüber erzählen kann. Und ich glaube, das trägt auch zur Produktverlängerung bei, dass die Möbel doch wirklich ein bisschen länger leben.
Heise: Recyclingmöbel, Möbeldesigner Oliver Schübbe war Pionier auf dem Gebiet. Wie teuer sind eigentlich Recyclingmöbel, Herr Schübbe? Ist das billiger oder ist das letztendlich durch die Handarbeit dann doch wieder teurer?
Schübbe: Ich denke, oftmals ist es halt teurer, weil es halt wirklich Handarbeit ist und die ausgesuchten Materialien, also, wo bekomme ich die halt her und habe ich die in der gewissen Menge, wie ich sie brauche? Aber ich muss sagen, also, gerade bei diesen "Frank"-Regalen oder einer Sesselserie, "Pixelstar", ist es schon relativ günstig. Also, ich glaube, dass sie fast mit den Preisen der schwedischen Möbelhäuser mithalten können.
Also, ich würde sagen, es muss nicht immer teurer sein und es macht halt auch Sinn wirklich mit dieser regionalen Produktion, weil wir ja uns da einklinken, wo die Sachen gesammelt werden, auf den Wertstoffhöfen, Recyclinghöfen, bei den Städten. Und dass man da halt auch allein am Transport und der Logistik, da halt auch, wenn man sich da wirklich einklinkt, auch was sparen kann, wenn man sagt, es wird regional produziert, es ist der Müll aus der Region und da wird angesetzt.
Heise: Und das erreicht dann wahrscheinlich als Argument auch den Kunden? - Denn das würde mich schon auch mal interessieren: Sie haben gesagt, die waren von Anfang nicht ganz abgeneigt. Wie hat das jetzt sich entwickelt, wird das angenommen, wird das nachgefragt? Wenn es auch nicht unbedingt über den Preis geht, weil, das Billigste ist es ja nicht.
Schübbe: Nein, das Billigste, also, da gibt es mit Sicherheit immer günstigere Sachen. Nein, aber es ist halt schon eine Entwicklung da, dass halt immer mehr gekauft wird und die Leute das, glaube ich, auch immer mehr verstehen, diese Geschichten. Und halt, dass die diese Individualität, wo ich halt auch jetzt noch über die Möbelmesse gelesen habe, über die aktuelle, dieser Individualismus, dass man halt das Einzelstück halt wirklich haben möchte und dass sich die Möbelhersteller da auch wirklich drauf einstellen, dass es das auch wirklich ist und dass die Leute das halt auch wirklich begreifen.
Und dann mit der Geschichte, mit der Nachhaltigkeit und CO2-Einsparung, weil es halt ein Altmaterial ist, was nicht extra hergestellt werden musste für das Möbel. Also, ich glaube, die Geschichten so, das macht's halt wirklich rund und dafür geben die Leute dann auch gerne das Geld aus und die verstehen es auch.
Heise: Also, die Öko-Bilanz, Sie haben es gerade angesprochen, ist bei so einem Möbelstück tatsächlich eine bessere, eben einfach, weil es schon mal hergestellt ist. Ich meine, es muss ja auch wieder neu verarbeitet werden, neu gepresst werden, neu geknickt werden und so weiter ...
Schübbe: ... genau, auf kurzem Wege, wenig Logistik dahinter. Also, das Material ist halt in Hülle und Fülle da, weil ich glaube ... Also, bei dem ganzen Recycling und so ... Ich glaube, bei Möbelwertstoffen, bei den Holzplattenwertstoffen, da hat sich noch wirklich keiner so richtig Gedanken mit gemacht. Ich glaube, das ist halt einfach für die Müllverbrennungsanlage, hat einen schönen thermischen Heizwert, aber bevor es diese Bio-Holzplatte gibt, wo ich in ein paar Jahren meinen Schrank vielleicht mal im Garten vergraben kann und es wird zu Humus, ich glaube, das dauert noch. Und die Richtung ist momentan, glaube ich, auch nicht am Markt.
Heise: Also, das heißt, es gab ja zum Beispiel auch mal Pappmöbel oder gibt es wahrscheinlich auch noch, es gibt Möbel aus recyceltem Plastik, also, diese Sitze sehen wir ja auch überall. Würden Sie sagen, diese designten Recycling-Möbel, die Sie herstellen, die unterscheiden sich so ein bisschen vom allgemeinen Wiederverwertbarkeitssystem von Müll?
Schübbe: Auf jeden Fall, auf jeden Fall, ja, also, es ist halt eine ganz andere Geschichte und Philosophie dahinter. Ich meine, immer mehr Hersteller werben natürlich auch damit, dass man zum Beispiel einen Bürostuhl binnen acht Minuten sortenrein trennen kann: nach Aluminiumstoffen, Schaum ... Damit werben die halt. Aber dieses Rücknahmesystem, wie es jetzt zum Beispiel im Elektrorecycling ist, dass überall die Fernseher wieder zurückgenommen werden und auseinandergenommen werden professionell, ich glaube, nicht ... Bei Möbeln wird das noch Jahre dauern, bis wir da wirklich hinkommen. Und da ...
Heise: ... wie ist das eigentlich bei der Ausbildung von Möbeldesignern? Weil Sie gerade sprechen von Jahre, die das noch dauert: Hat das eigentlich schon Eingang gefunden, dieser Gedanke, dieser Recycling-Gedanke?
Schübbe: Genau, das war also, mit dem Boom der letzten Jahre, das hat mich halt auch überrascht, dass sich die Hochschulen da eingeklinkt haben und dass man - also, ich gebe halt auch öfters Workshops oder mal Lehraufträge -, dass da wirklich ein Interesse da ist. Weil, es ist ja eine höhere Disziplin, weil, ich muss mir ja erst mal Gedanken machen ums Material. So wie ich es kenne aus meiner Ausbildung, da war immer das Thema, was gibt es an neusten Hightechmaterialien, was gibt es an CNC-Fräsen und 3-D-Plottern ... Und dass man jetzt sich wirklich mal fragt, was ist denn am Markt schon wirklich da an Material und wo läuft es auf und wo kann ich, was kann ich damit machen?
Also, ich glaube, die Herangehensweise ist eine ganz andere, und ich sehe es halt, wenn es zum Beispiel so Führungen auf dem Recyclinghof, wo ich meine Werkstatt habe, gibt, dass man die da ganz anders noch mal inspirieren kann. Und diese Materialforschung oder auch mal ein altes Möbel auseinanderzubauen, mal zu sehen, wie waren die Verbindungen in den 60er-, 70er-Jahren, dass das halt wirklich superinteressant ist und dass man da sehr, sehr viel lernen kann.
Heise: Wenn ich Sie so reden höre, dann hat das eigentlich schon eine Chance auf eine dauerhafte Akzeptanz der Idee, oder? Das ist jetzt jenseits mal des schicken Trends?
Schübbe: Auf jeden Fall. Ich glaube, dass das so fundiert ist, und das ist ja auch aus verschiedenen Forschungsprojekten. Also, es gab gleich ein Riesennetzwerk mit der Deutschen Bundesumweltstiftung, im Umweltbundesamt, verschiedensten Hochschulen ... Also, von daher ist das schon richtig fundiert und auch in der Praxis haben da schon ganz viele Erfahrungen gemacht. Ich meine, viele sind auch gescheitert, wo die gesagt haben, oh, ich habe jetzt so ein Material gefunden, aber das gibt es am Markt nicht!
Weil, es ist ja immer so bei Recyclingdesign die Gefahr: Wenn ich zum Beispiel ein Möbel habe, also, entworfen habe und ich komme nicht mehr ans Material dran. Es gab zum Beispiel mal Taschen aus Fahrradschläuchen. Da hat die Designerin so gut verkauft, dass sie gesagt hat, ich komme nicht mehr an so gebrauchte, kaputte Fahrradschläuche dran und die sind ja gar nicht so teuer, dann fake ich das halt und kaufe mir Neuware. Da muss man aufpassen, das ist halt immer so eine Schnittstelle. Zum Beispiel bei diesen "Freitag-Taschen" aus der Schweiz, da funktioniert das ganz gut, weil die ein gutes Rücknahmesystem haben, die haben kein Problem mit der Materialbeschaffung. Aber wenn ich mir halt so ein superseltenes Material aussuche, kann das schon mal zu Schwierigkeiten führen in der Multiplizierbarkeit der Möbel.
Heise: Also sozusagen schon dann Engpässe beim Recycling! Danke schön! Möbel-Designer Oliver Schübbe stellt Recycling-Möbel her, ein Trend, der nicht nur auf der heute beginnenden Möbelmesse in Köln einen immer größeren Raum einnimmt. - Herr Schübbe, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und eine interessante Messe!
Schübbe: Danke, danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.