Mathematiker, Musiker und Literat
Clemens J. Setz befasst sich mit Mathematik und Musik, er spricht fünf Sprachen und schreibt nebenbei noch Bücher. Und das mit großem Erfolg. Der 1982 im österreichischen Graz geborene Autor ist der jüngste Teilnehmer des diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs.
Clemens Setz wohnt mit Freundin und drei Katzen in seiner Geburtsstadt Graz. Die Katzen würden radiophon rein gar nichts hergeben, erklärt er mir am Telefon: Die würden nicht miauen, wenn jemand kommt, sondern bloß unters Bett sausen. Und überhaupt: Die Bücherstapel daheim, und der Baulärm, weil gerade umgebaut wird – treffen wir uns doch lieber außer Haus, schlägt Clemens Setz vor. Und führt mich in der barock geprägten Altstadt von Graz in einen engen Durchgang neben dem Dom. Wir halten an einer Stelle, wo ein Grabstein mit folgender Inschrift in die Mauer eingelassen ist:
"Hie liegt begraben der edel, streng, auch hochgelehrt Herr Hans Georg Steeritz, beeder Rechten Doctor, der gestorben ist den 16. April, im 1627, seynes Alters bey 30 Jahren, den Gott der Herr und allen fromben Christen eine fröhliche Auferstehung genädig verleihen wälle": Ist doch eine wunderschöne Vorstellung, so eine Art Karneval: Die ganzen zerfallenen Leichen gehen raus, andere sind nur noch ein einzelner Arm, andere sind in Atome zerfallen – aber selbst die tanzen. Das ist wunderschön. Meine Lieblingsstelle in Graz."
Clemens Setz, schmal, rechteckige Brille. Der Musterschüler-Zug an seinem Äußeren ist eine Tarnkappe. Sie tarnt einen scharfen Beobachter, der seine Rezeptoren nonstop und in Höchstgeschwindigkeit arbeiten lässt. Man kann sich des Staunens nicht erwehren, wie viel Wissen und Einsicht Setz mit seinen 26 Jahren schon erworben hat, und wie belesen der Sohn einer Ärztin und eines Bauingenieurs ist. Und das obwohl zuhause gerade mal ein paar Klassiker rumstanden.
"Ich lese tatsächlich sehr viel – stimmt. Praktisch alle zwei Tage ein Buch. Ich werd‘ auch richtig ungeduldig, wenn ich nicht lesen kann."
Den Texten von Setz merkt man an, dass sie aus einem enormen Fundus von Erlebnissen, Eindrücken und Lektüre schöpfen. Das gilt bereits für sein Romandebüt "Söhne und Planeten", das er mit 22 Jahren veröffentlichte. Dieses Buch über Vater-und-Sohn-Beziehungen erregte Aufsehen durch seine komplexe Konstruktion und philosophische Erzählhaltung, und wurde von der Kritik geradezu als Wunderkindleistung gewertet. Der zweite, siebenhundertseitige Roman erscheint nächstes Jahr.
Setz speichert Material für seine Texte in fetten Ringmappen, begeistert sich an Fundstücken wie zufällig mitgehörten Handygesprächen oder Aufschriften an Hausfassaden.
"Beerdigungsinstitut, darunter: Kürbiskernöl! Das ist ein Akkord, der knirscht derart im Gehirn! Beerdigungsinstitut – darunter – Kürbiskernöl ..."
Clemens Setz inhaliert die Welt aber auch mittels Lernen. Er studiert Germanistik und - weniger naheliegend - Mathematik, beides für das Lehramt. Setz sieht sich jedoch nicht als mathematisches Ausnahmetalent, und als Lehrer findet er sich völlig ungeeignet, will diesen Weg daher nicht weiter verfolgen.
Sein Englisch erlaubt es ihm, als Literatur- und Sachbuchübersetzer tätig zu sein. Derzeit lässt er sich bereits Sprache Nummer fünf beibringen.
"Jetzt lern ich grad Slowenisch, was halsbrecherisch schwer ist für mich. Die erste slawische Sprache, sagt man, ist immer ziemlich schwierig. Ein ganz neues System. Aber ein bissl kann ich‘s schon."
Wir steuern eine wenig besuchte Kirche in Graz an, die kleine gotische Leechkirche. Damit ich Clemens Setz beim Obertonsingen aufnehmen kann.
Außerdem spielt er Didgeridoo und Jazzpiano - und das sind noch längst nicht alle Fertigkeiten, die Clemens Setz sich zugelegt hat.
"Neugierig bin ich halt wahrscheinlich – und es ist auch lustig, wenn man seine – wie sagt man auf Deutsch – 'comfort zone' verlässt, diesen Bereich, wo man sich geborgen und beheimatet fühlt, wenn man den immer wieder verlässt und etwas anderes macht: Dinge lernen, wo man nicht weiß, ob man das kann. Ein Instrument, einen Zaubertrick, oder Hypnose."
Er will Kunststücke können, mit denen man Menschen verblüffen kann. Denn:
"Ich hab das gern, dass Leute freiwillig in der Nähe bleiben, weil sie verblüfft sind. Weil ich irgendwie gewohnt bin, dass Leute sagen, 'warum soll ich mich jetzt gerade mit dir abgeben?' Ich inspiriere in den Leuten immer eine gewisse Ehrlichkeit, um es mal fröhlich auszudrücken. Ich beklag mich nicht darüber, aber es ist einfach wirklich so, dass die Leute oft sehr ehrlich sind und sagen, tut mir leid, mich interessiert das jetzt nicht und ich geh jetzt heim. Und ich habe dann gewisse 'skills' entwickelt, damit sie doch in der Nähe bleiben. Man braucht die Leute ja, sonst verschrumpelt man."
Selbstredend steckt hinter der Lernbegier des Clemens Setz auch der Drang, möglichst viel von der Welt zu durchschauen, um besser über sie schreiben zu können.
"Für die Leute, die pausenlos alles verstehen, ist nichts faszinierend. Ich hab' dauernd Entdeckungen vor mir, weil ich ein bissl naiv in alles hineinstolpere. Es ist alles sehr, sehr wunderbar oft. Ich beneide ja am meisten die Leute in der Werbung: Die können sich über alles freuen – über eine Zahnbürste. Das Schönste auf der Welt ist diese Zahnbürste, und wie schön sich die bewegt. Und so ähnlich fühle ich mich manchmal, wie ein Mensch in der Werbung, der sagt – woooow, schau dir diesen – ich weiß nicht – diesen Regenschirm an! Schau wie der ausschaut! Wie kann etwas so ausschauen!"
Sein Wundern über die Dinge ist die Triebkraft seiner Literatur: Clemens Setz möchte den Regenschirm (und den Rest der Welt) so beschreiben, dass die Leser den Regenschirm so wahrnehmen wie er.
"Das ist der Urgrund überhaupt von Poesie. Dass die Leute eingeladen werden, die Dinge so zu sehen wie der Dichter. Und der Dichter hat immer eine so merkwürdige Sicht der Dinge, dass er es nicht aushält, wenn er es nicht mitteilt."
"Hie liegt begraben der edel, streng, auch hochgelehrt Herr Hans Georg Steeritz, beeder Rechten Doctor, der gestorben ist den 16. April, im 1627, seynes Alters bey 30 Jahren, den Gott der Herr und allen fromben Christen eine fröhliche Auferstehung genädig verleihen wälle": Ist doch eine wunderschöne Vorstellung, so eine Art Karneval: Die ganzen zerfallenen Leichen gehen raus, andere sind nur noch ein einzelner Arm, andere sind in Atome zerfallen – aber selbst die tanzen. Das ist wunderschön. Meine Lieblingsstelle in Graz."
Clemens Setz, schmal, rechteckige Brille. Der Musterschüler-Zug an seinem Äußeren ist eine Tarnkappe. Sie tarnt einen scharfen Beobachter, der seine Rezeptoren nonstop und in Höchstgeschwindigkeit arbeiten lässt. Man kann sich des Staunens nicht erwehren, wie viel Wissen und Einsicht Setz mit seinen 26 Jahren schon erworben hat, und wie belesen der Sohn einer Ärztin und eines Bauingenieurs ist. Und das obwohl zuhause gerade mal ein paar Klassiker rumstanden.
"Ich lese tatsächlich sehr viel – stimmt. Praktisch alle zwei Tage ein Buch. Ich werd‘ auch richtig ungeduldig, wenn ich nicht lesen kann."
Den Texten von Setz merkt man an, dass sie aus einem enormen Fundus von Erlebnissen, Eindrücken und Lektüre schöpfen. Das gilt bereits für sein Romandebüt "Söhne und Planeten", das er mit 22 Jahren veröffentlichte. Dieses Buch über Vater-und-Sohn-Beziehungen erregte Aufsehen durch seine komplexe Konstruktion und philosophische Erzählhaltung, und wurde von der Kritik geradezu als Wunderkindleistung gewertet. Der zweite, siebenhundertseitige Roman erscheint nächstes Jahr.
Setz speichert Material für seine Texte in fetten Ringmappen, begeistert sich an Fundstücken wie zufällig mitgehörten Handygesprächen oder Aufschriften an Hausfassaden.
"Beerdigungsinstitut, darunter: Kürbiskernöl! Das ist ein Akkord, der knirscht derart im Gehirn! Beerdigungsinstitut – darunter – Kürbiskernöl ..."
Clemens Setz inhaliert die Welt aber auch mittels Lernen. Er studiert Germanistik und - weniger naheliegend - Mathematik, beides für das Lehramt. Setz sieht sich jedoch nicht als mathematisches Ausnahmetalent, und als Lehrer findet er sich völlig ungeeignet, will diesen Weg daher nicht weiter verfolgen.
Sein Englisch erlaubt es ihm, als Literatur- und Sachbuchübersetzer tätig zu sein. Derzeit lässt er sich bereits Sprache Nummer fünf beibringen.
"Jetzt lern ich grad Slowenisch, was halsbrecherisch schwer ist für mich. Die erste slawische Sprache, sagt man, ist immer ziemlich schwierig. Ein ganz neues System. Aber ein bissl kann ich‘s schon."
Wir steuern eine wenig besuchte Kirche in Graz an, die kleine gotische Leechkirche. Damit ich Clemens Setz beim Obertonsingen aufnehmen kann.
Außerdem spielt er Didgeridoo und Jazzpiano - und das sind noch längst nicht alle Fertigkeiten, die Clemens Setz sich zugelegt hat.
"Neugierig bin ich halt wahrscheinlich – und es ist auch lustig, wenn man seine – wie sagt man auf Deutsch – 'comfort zone' verlässt, diesen Bereich, wo man sich geborgen und beheimatet fühlt, wenn man den immer wieder verlässt und etwas anderes macht: Dinge lernen, wo man nicht weiß, ob man das kann. Ein Instrument, einen Zaubertrick, oder Hypnose."
Er will Kunststücke können, mit denen man Menschen verblüffen kann. Denn:
"Ich hab das gern, dass Leute freiwillig in der Nähe bleiben, weil sie verblüfft sind. Weil ich irgendwie gewohnt bin, dass Leute sagen, 'warum soll ich mich jetzt gerade mit dir abgeben?' Ich inspiriere in den Leuten immer eine gewisse Ehrlichkeit, um es mal fröhlich auszudrücken. Ich beklag mich nicht darüber, aber es ist einfach wirklich so, dass die Leute oft sehr ehrlich sind und sagen, tut mir leid, mich interessiert das jetzt nicht und ich geh jetzt heim. Und ich habe dann gewisse 'skills' entwickelt, damit sie doch in der Nähe bleiben. Man braucht die Leute ja, sonst verschrumpelt man."
Selbstredend steckt hinter der Lernbegier des Clemens Setz auch der Drang, möglichst viel von der Welt zu durchschauen, um besser über sie schreiben zu können.
"Für die Leute, die pausenlos alles verstehen, ist nichts faszinierend. Ich hab' dauernd Entdeckungen vor mir, weil ich ein bissl naiv in alles hineinstolpere. Es ist alles sehr, sehr wunderbar oft. Ich beneide ja am meisten die Leute in der Werbung: Die können sich über alles freuen – über eine Zahnbürste. Das Schönste auf der Welt ist diese Zahnbürste, und wie schön sich die bewegt. Und so ähnlich fühle ich mich manchmal, wie ein Mensch in der Werbung, der sagt – woooow, schau dir diesen – ich weiß nicht – diesen Regenschirm an! Schau wie der ausschaut! Wie kann etwas so ausschauen!"
Sein Wundern über die Dinge ist die Triebkraft seiner Literatur: Clemens Setz möchte den Regenschirm (und den Rest der Welt) so beschreiben, dass die Leser den Regenschirm so wahrnehmen wie er.
"Das ist der Urgrund überhaupt von Poesie. Dass die Leute eingeladen werden, die Dinge so zu sehen wie der Dichter. Und der Dichter hat immer eine so merkwürdige Sicht der Dinge, dass er es nicht aushält, wenn er es nicht mitteilt."