"Das ist ein Wachstum, das Menschen nicht verstehen"
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Exponentielles Wachstum starte oft harmlos, sagt der Mathematiker Albrecht Beutelspacher über die Ausbreitung des Coronavirus. Daher neige der Mensch dazu, es zu unterschätzen. „Wenn die Dynamik losgeht, dann ist sie kaum mehr zu stoppen“, warnt er.
Viele Menschen werden sich mit dem Coronavirus infizieren, das steht außer Frage. Es geht jetzt um den Zeitraum, in dem das passiert - es geht darum, exponentielles Wachstum zu verlangsamen. Für den Mathematiker Albrecht Beutelspacher ist aber genau das eines der Probleme im Umgang mit dem Virus.
"Das ist ein Wachstum, das wir Menschen überhaupt nicht verstehen", sagt Beutelspacher, langjähriger Mathematikprofessor in Gießen. Exponentielles Wachstum entstehe immer dann, wenn sich etwas pro Zeiteinheit um einen gewissen Faktor erhöhe. Das sei aktuell beim Coronavirus gegeben, bei dem sich die Anzahl der Infizierten etwa alle drei Tage verdopple.
Das bedeute, dass es nach drei Tagen doppelt so viele Infizierte gebe, nach sechs Tagen viermal so viele und nach neun Tagen achtmal so viele, erklärt er. Exponentielles Wachstum sehe am Anfang häufig erstmal harmlos aus, explodiere dann aber regelrecht: "Das heißt, dieses Wachstum ist gemeinerweise so, dass man am Anfang überhaupt nichts merkt und man in Versuchung ist, das alles zu unterschätzen. Und wenn die Dynamik losgeht, dann ist sie kaum mehr zu stoppen", so Beutelspacher.
Wachstumskurve flach halten
Es gehe also darum, die Wachstumskurve möglichst flach zu halten, erläutert Albrecht Beutelspacher, indem man an der Stellschraube Zeit drehe: "Verdoppelt sich die Anzahl der Infizierten nach drei Tagen oder nach vier Tagen oder schon nach zwei Tagen? Je nachdem wird die Kurve schon am Anfang viel steiler und die Dynamik beginnt schon viel früher."
Und daher gehe es aktuell darum, dass sich die Zeitspanne, in der eine Verdopplung der Infektionsfälle stattfindet, möglichst weit nach hinten schiebt.
(mak)