Mathias Greffrath ist ein deutscher Schriftsteller und Journalist. Anfang der 1990er-Jahre leitete er die Zeitschrift "Wochenpost" in Berlin. Inzwischen schreibt Greffrath als freier Journalist unter anderem für "Die Zeit", die "Süddeutsche Zeitung" oder die deutsche Ausgabe von "Le monde diplomatique". Greffrath ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Attac und im PEN-Zentrum Deutschland.
"Das verstößt gegen die Menschenwürde"
Nach dem Willen des Bundesinnenministers sollen Asylsuchende schon bald in großen sogenannten "Ankerzentren" abwarten, ob sie bleiben dürfen oder gehen müssen. Für den Journalisten Mathias Greffrath produzieren solche Zentren nur weitere unmenschliche "bürokratische Halden".
Innenminister Horst Seehofer will eine Handvoll sogenannter "Ankerzentren" errichten. Geflüchtete Asylbewerber sollen dort untergebracht werden, während sie auf ihren Bescheid warten – angeblich soll dieser deutlich schneller als bislang, nämlich innerhalb weniger Wochen, erfolgen. Jedes Zentrum bietet Platz für bis zu 1500 Menschen, höchstens 18 Monate soll ein Asylbewerber dort zubringen, Familien maximal sechs Monate.
Nach dem Polizeieinsatz in einem Flüchtlingsheim im baden-württembergischen Ellwangen – Asylbewerber hatten sich mit Gewalt gegen die Abschiebung eines jungen Westafrikaners zur Wehr gesetzt – sollen ähnliche Vorkommisse durch die "Ankerzentren" vermieden werden.
Für unseren Studiogast Mathias Greffrath steckt hinter dem Begriff "Ankerzentrum" schlicht "semantische Kleisterei". Denn mit einem Anker assoziiere man Sicherheit und Zuflucht – und genau diese böten diese Zentren nicht, betonte Greffrath.
Asylsuchende sind nicht nur ein temporäres Problem
Die Menschen dort im Ernstfall bis zu 18 Monate warten zu lassen, verstoße "gegen die Menschenwürde". Statt dessen entstünden "bürokratische Halden", weil die vielen Einzelfälle sicherlich nicht so schnell bearbeitet werden könnten. Für Greffrath ist es der Beleg, "dass wir das Thema immer noch nicht ernst nehmen". Geflüchtete Asylbewerber in Deutschland seien nicht nur ein temporäres Problem, das schnell wieder verschwinden werde. Denn nähme Deutschland das Thema wirklich ernst, müsste als Allererstes dafür gesorgt und garantiert werden, dass die wartenden Menschen innerhalb weniger Wochen ihren Bescheid erhielten, ob sie bleiben dürften oder gehen müssten.
Seehofer bleibt einige Antworten schuldig
Unsere Hauptstadtkorrespondentin Katharina Hamberger ergänzte, es stellten sich tatsächlich im Zusammenhang mit den Zentren noch viele Fragen:
"Was passiert zum Beispiel mit denjenigen, die nicht abgeschoben werden können, aber auch keine Duldung erhalten? Müssen die dann in diesem sogenannten Ankerzentrum wohnen bleiben – oder werden die dann trotzdem auf die Kommunen verteilt?" Gerade bei dieser letzten Frage sei Horst Seehofer doch noch "etwas sprachlos geblieben".
Auch bekomme Seehofer derzeit erheblichen Gegenwind seitens der Polizei: Ginge es nach dem Bundesinnenminister, dann würde auch die Bundespolizei für die Bewachung der Asylbewerberzentren herangezogen. Die Bundespolizei jedoch sehe sich nicht in der Rolle des Wachdienstes – die Zentren seien ja keine Gefängnisse. Ob also Horst Seehofer mit diesem Plan durchkomme, stehe derzeit "in den Sternen".
Hören Sie die ganze Sendung mit Mathias Greffrath hier:
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