Matthias Lohre: Das Erbe der Kriegsenkel. Was das Schweigen der Eltern mit uns macht
Gütersloher Verlagshaus, 2016
256 Seiten, 19,99 Euro, E-Book 15,99 Euro
Wenn die Eltern schweigen
In seinem Buch "Das Erbe der Kriegsenkel" zeigt Matthias Lohre, wie NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg bis heute in der Enkelgeneration nachwirken. Über die Beständigkeit unterdrückter Gefühle hat er mit Traumatherapeuten, Historikern und anderen Kriegsenkeln gesprochen.
Es ist ein sehr persönliches Buch – "Das Erbe der Kriegsenkel". Darin erforscht der Journalist und Buchautor Matthias Lohre am Beispiel seiner Familie, wie NS-Erziehung, Zweiter Weltkrieg und Nachkrieg bis heute nachwirken. Seine Eltern waren Jahrgang 1931 und 1937. Matthias Lohre selbst, Jahrgang 1976 und somit ein Kind alter Eltern, will nach ihrem Tod herausfinden, warum er seine Kindheit wie hinter einem nebeligen Schleier wahrgenommen hat; in einem Haus, in dem Lärm und Gäste unterwünscht waren, das Schweigen Normalität war und jede Regung von Freude fremd schien.
Geschichte wird auch ungesagt weitergegeben
Er schlägt dabei einen Bogen vom Ersten Weltkrieg bis heute und zeigt anhand seiner Recherche und vieler Gespräche mit Verwandten, Traumatherapeuten, Psychologen, Historikern und anderen Kriegsenkeln, wie unterdrückte, unausgesprochene Gefühle, autoritäre Strukturen und gewaltsam Verdrängtes sich ihren Weg durch die Generationen bahnen.
Unter der unausgesprochenen Prämisse "Uns geht es doch gut – wir dürfen nicht klagen", liegen Seelentrümmer vergraben. Entschuldigen will Lohre nichts. Darum geht es ihm in seinem Buch nicht. Wohl aber zeigen, dass Geschichte nichts ist, was sich mit der nächsten Generation erledigt, sondern über Jahrzehnte – auch ungesagt – weitergegeben wird und uns prägt. Ob wir wollen oder nicht.