Neuer Kurs für die Berliner Festspiele
Matthias Pees plant als neuer Intendant viele Veränderungen für die Berliner Festspiele © picture alliance / dpa / Annette Riedl
„Kleine Schiffe“ statt „Großer-Tanker-Festspiele“
05:29 Minuten
Das Berliner Theatertreffen soll umgestaltet werden, eine diversere Jury und neue Formate erhalten. Viel lässt der neue Intendant der Berliner Festspiele, Matthias Pees, aber im Unklaren, bis auf eines: Der Stückemarkt wird entfallen.
Beim Theatertreffen wird sich einiges verändern, so viel ist klar. Nur was genau, das muss man häufig zwischen den Zeilen lesen. Klar ist nur, „dass es den Stückemarkt nicht mehr geben wird“, sagt Marta Hewelt. Sie ist Teil des neuen vierköpfigen Leitungsteams.
Stückemarkt entfällt wegen Ausrichtung
Der renommierte Stückemarkt wurde 1978 als erste Förderinitiative für Neue Dramatik gegründet. Ihm ist jetzt zum Verhängnis geworden, dass man ihn in den letzten Jahren internationalisiert und mit Rekordzahlen aufgebläht hat: Hunderte Bewerber:innen aus immer mehr Ländern reichten ihre Texte für das inzwischen deutsch- und englischsprachige Festival ein – und nur wenige Dramen konnten präsentiert werden.
Das neue Team kritisiert also zu Recht, dass der Stückemarkt wenig nachhaltig sei – und ungerecht den Nicht-Muttersprachlern gegenüber. Ein auf Sprache ausgerichteter Stücke-Wettbewerb kann nicht internationalisiert werden, das ist seit Jahren klar. Man hätte die konfuse Ausrichtung allerdings leicht wieder ändern können.
Paradox ist jetzt, dass man den Stückemarkt wegen seiner Internationalisierung einfach abschafft, gleichzeitig aber das Theatertreffen und die kompletten Berliner Festspiele internationaler ausrichtet.
Vieles bleibt unkonkret
Denn es gibt eine zweite, schwammigere Veränderung: Neben dem Herzstück des Theatertreffens, den zehn bemerkenswerten Inszenierungen, ausgewählt von einer deutschsprachigen Jury, soll es zehn internationale „Treffen“ geben. Was das heißt, erklärte Carolin Hochleichter vom Leitungsteam:
„Wir nehmen den Namen unseres Festivals beim Wort und stellen den zehn bemerkenswerten Inszenierungen, also dem Theater, zehn europäische Treffen an die Seite. Diese zehn transdisziplinären Begegnungsformate ergänzen die bestehende Struktur und kreieren für das traditionsreiche Festival einen Resonanzraum auf europäischer Ebene.“
„Wir nehmen den Namen unseres Festivals beim Wort und stellen den zehn bemerkenswerten Inszenierungen, also dem Theater, zehn europäische Treffen an die Seite. Diese zehn transdisziplinären Begegnungsformate ergänzen die bestehende Struktur und kreieren für das traditionsreiche Festival einen Resonanzraum auf europäischer Ebene.“
Transdisziplinäre Begegnungsformate auf europäischer Ebene also. Konkreter wirds auch auf Nachfrage nicht. Im Gegenteil: Während Joanna Nuckowska sagt, man sei darüber schon mit europäischen Partnern im Gespräch, betont Pees, dass man keine zehn europäischen Inszenierungen neben den zehn deutschen Inszenierungen präsentieren will. Es sei ein „offenes Format“ – ein Rahmenprogramm also, wie es das natürlich längst beim Theatertreffen gibt. Neu ist allerdings der große Umfang dieser europäischen Erweiterung.
Zehnköpfige Jury bleibt erhalten
Die Zehnerauswahl der Jury soll unangetastet bleiben, vorerst. Schon im Januar werden aber ein paar Jurorenplätze frei. Wie sie neu besetzt werden sollen, beantwortet Carolin Hochleichter:
„Wir werden in einem Workshop gemeinsam mit der jetzigen Jury darüber arbeiten und gemeinsam überlegen, wie wir in Zukunft zusammen weiterarbeiten.“
Das klingt so, als würde da manches aufgeweicht. Natürlich muss man nicht auf Biegen und Brechen an den Kritiker:innen festhalten. Oft wird ihnen vorgeworfen, aus der eigenen Blase heraus fernab des Publikums zu entscheiden.
„Wir werden in einem Workshop gemeinsam mit der jetzigen Jury darüber arbeiten und gemeinsam überlegen, wie wir in Zukunft zusammen weiterarbeiten.“
Das klingt so, als würde da manches aufgeweicht. Natürlich muss man nicht auf Biegen und Brechen an den Kritiker:innen festhalten. Oft wird ihnen vorgeworfen, aus der eigenen Blase heraus fernab des Publikums zu entscheiden.
Gesicherte Projekt-Finanzierung
Diversere Jurorinnen abseits der Theaterblase – warum nicht? Beim Theatertreffen sind es jetzt aber ausgerechnet die Insider, die Kuratorinnen aus dem Betrieb, die zu übernehmen scheinen.
Was die Kulturstiftung des Bundes davon hält, die das Festival als Leuchtturm-Projekt finanziert, wird man in zwei Jahren sehen. Bis dahin sind die Gelder gesichert.
Was die Kulturstiftung des Bundes davon hält, die das Festival als Leuchtturm-Projekt finanziert, wird man in zwei Jahren sehen. Bis dahin sind die Gelder gesichert.
Internationalisierung des Theatertreffens
Matthias Pees ist ein Mann der Internationalisierung und der Freien Szene. Für die drei Musikfestivals der Berliner Festspiele und das Ausstellungshaus Martin Gropius Bau ist das vielleicht eine gute Sache. Das Theatertreffen mit seiner einmaligen Ausrichtung jetzt aber langsam zu einem internationalen Festival umzupolen, wie es sie wie Sand am Meer gibt, ist der Anfang vom Ende – siehe Stückemarkt.
Doch wie sieht es um die Ausrichtung der Berliner Festspiele im Ganzen aus?
Doch wie sieht es um die Ausrichtung der Berliner Festspiele im Ganzen aus?
„Die Berliner Festspiele ermöglichen und präsentieren zu allererst herausragende und eigensinnige Kunst. Aber sie sind zugleich eine zeitgenössische Plattform künstlerischer Auseinandersetzungen mit zentralen gesellschaftspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.“
Andere Schwerpunkte als der Vorgänger
Klar ist: „Gesellschaftspolitische Debatte, Vernetzung, Öffnung“ – das sind die Modeworte aller Kulturinstitutionen. Wenn daraus folgt, dass die großen europäischen Tanz- und Theaterproduktionen mal einen Abstecher nach Berlin machen: großartig. Unter Pees’ Vorgänger Thomas Oberender hatten sie keine Lobby und keine Bühne mehr in der Stadt.
Die kleinen Formate und Programme, die Matthias Pees heute präsentierte, klingen allerdings eher nach mehr von all dem, was Berlin schon hat. „Kleine Schiffe“ statt „Großer-Tanker-Festspiele.“
Die kleinen Formate und Programme, die Matthias Pees heute präsentierte, klingen allerdings eher nach mehr von all dem, was Berlin schon hat. „Kleine Schiffe“ statt „Großer-Tanker-Festspiele.“