"Ich würde es nicht komplett schwarzsehen wollen"
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Brandenburg steht wirtschaftlich gut da, trotzdem fühlen sich viele Bewohner abgehängt - und wählen am Ende deshalb die AfD. Woran liegt das? Der ehemalige Ministerpräsident Matthias Platzeck zeigt Verständnis für die Unzufriedenheit der Menschen.
In Brandenburg sinkt die Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung, derzeit liegt sie bei 5,7 Prozent. Die Wirtschaft wächst - und zwar stärker als in anderen Flächenländern im Osten. Trotzdem spiegelt sich das nicht im Lebensgefühl vieler Brandenburger wider. Viele sind 30 Jahre nach dem Mauerfall frustriert - und werden möglicherweise deshalb am kommenden Sonntag die AfD wählen. Die Partei liegt in Umfragen zur Landtagswahl am 1. September 2019 bei 20 bis 22 Prozent*).
Der SPD-Politiker und ehemalige Ministerpräsident Matthias Platzeck hat Verständnis für diese Diskrepanz zwischen den Tatsachen und dem Lebensgefühl. Die deutsche Wiedervereinigung sei ein tiefer Umbruch, der tief in das Leben der Menschen eingegriffen habe. Während der Finanz- und der Flüchtlingskrise hätten Menschen das Gefühl bekommen, der Staat habe manches "überhaupt nicht im Griff", sagt er im Deutschlandfunk Kultur. Dass Menschen erst sehr spät auf historische Ereignisse wie die Wende reagierten, sei psychologisch nichts Ungewöhnliches.
Große Mehrheit für "demokratisches Miteinander"
Da die AfD auch in Sachsen und Thüringen viel Zuspruch habe, Ländern die von der CDU und der Linken regiert werden, läge es nicht an einzelnen Parteien, sondern es müsse übergreifende Gründe für die Unzufriedenheit geben, "sonst würde es in anderen Bundesländern stark differieren", so Matthias Platzeck.
Trotzdem gibt sich der Politiker auch optimistisch: "Wenn nach einer solchen schwierigen Zeit 80 Prozent sagen, wir stehen für das demokratische Miteinander, wir sind dafür, dass wir an dieser Demokratie zwar vieles verbessern müssen, aber wir wollen sie weiter bewahren, dann ist das kein so schlechter Befund. Ich würde es nicht komplett schwarzsehen wollen."
Ein Bündel von Problemen
Landeskorrespondentin Vanja Budde sieht allerdings auch nach wie vor viele Mängel in Brandenburg, wie sie in der "Studio 9"-Sondersendung berichtet: An den Schulen des Bundeslandes falle immer noch viel Unterricht aus, neue Lehrer seien häufig Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung, manche Busse würden nur drei Mal am Tag Dörfer anfahren und immer mehr Arztpraxen würden schließen. Die Landesregierung habe "zu spät reagiert".
(leg)
*) Wir haben in diesem Satz aus redaktionellen Gründen ein Wort entfernt.