Matthias Wittekindt: "Die rote Jawa"

Brand auf dem Bauernhof

Das Cover des Krimis von Matthias Wittekindt, "Die rote Jawa". Es zeigt neben dem Namen des Autors und dem Titel eine rote, brennende Kerze auf einheitlich grünem Grund. Der Rauch der Kerze wird zu einer kurvigen Straße, auf der ein Motorrad bergan fährt.
© Kampa

Matthias Wittekindt

Die rote JawaKampa, Zürich 2022

221 Seiten

19,90 Euro

Von Thomas Wörtche |
Matthias Wittekindt ist ein Meister der leisen Töne. In "Die rote Jawa" schickt er seinen Kriminaldirektor a. D. Manz auf eine Reise in die eigene Vergangenheit – und in die DDR-Provinz des Jahres 1961.
„Die rote Jawa“ heißt Matthias Wittekindts dritter Roman um die alten Fälle des Kriminaldirektors a. D. Manz. Eine Jawa war ein in der DDR sehr beliebtes Kleinkraftrad mit Zweitakt-Einzylindermotor aus tschechischer Produktion, auf dem – mit der typischen roten Lackierung – sich der junge Manz im Sommer 1961, kurz vor dem Mauerbau, durch die mecklenburgische Provinz bewegt. Auf dem Sozius, denn die Jawa wird von Maja gefahren, 19 Jahre alt und erotisch für den 16-jährigen Manz von hohem Interesse.
Aber noch mehr interessiert ihn ein Brand auf einem Bauernhof, bei dem das Besitzerehepaar ums Leben kommt, während seine beiden Töchter unbeschadet bleiben. Manz ist eigentlich nur nach Klein-Glevitz gekommen, um ein Praktikum bei der Feuerwehr zu machen, als Vorbereitung für seinen Wunschberuf Matrose. Aber etwas ist „krumm“ an dem Feuer, das eine Brandstiftung war, daran, dass die Polizei die beiden Mädchen als Täterinnen sieht, später dann einen schwedischen Wanderarbeiter. Manz spürt das, schaut genau hin, fragt, sammelt Fakten. Ohne dass er es schon weiß, steckt ein Polizist, ein Mordermittler in ihm.

Enteignungen in der DDR

Nicht, dass er den Fall klärt, das wäre zu billig für einen Autor vom Rang Wittekindts. Und wohl auch unmöglich, denn der Brand steht im Zusammenhang mit der Landwirtschaftsreform und anderen „Modernisierung“-Projekten der DDR, die nicht unbedingt auf die Befindlichkeit der betroffenen Menschen Rücksicht nahmen, Stichwort Enteignungen. Erst in der Retrospektion, Jahre später, fällt dem Polizeiroutinier Manz noch eine andere Lösung ein, die ziemlich niederschmetternd ist. Aber da ist es schon lange zu spät.
Wittekindt, der Meister der leisen Töne, erzählt behutsam auf zwei Ebenen – im Jetzt, Weihnachten 2019, als der Geruch von gebratenen Milchhähnchen seine Erinnerungen an den Sommer 1961 auslöst; und eben 1961, als Manz allmählich erwachsen wird.
Man hat Matthias Wittekindt immer gerne in die Tradition von Georges Simenon gestellt, aber wenn es einen Bezug zur französischen Literatur in diesem Buch gibt, dann zu Guy de Maupassants Geschichten.
Wittekindt beschreibt einlässlich und genau die Landschaft der mecklenburgischen Seenplatte um Waren an der Müritz, das spezielle Licht, den weiten Himmel, die Gerüche, die Vegetation, die Tiere und die Menschen. Das ist bunt, kraftvoll, wie auf impressionistischen Gemälden, und wie bei Maupassant auch hochgradig vergiftet.
Denn die politische Situation der Zeit bringt Unglück über die Menschen, die noch an das Gute im „real existierenden Sozialismus“ glauben wollen, auch wenn das dem jungen Manz im Eifer der Wahrheitssuche noch gar nicht recht bewusst ist.

Gut versteckte Giftfallen

Wittekindts Giftfallen sind gut versteckt ausgelegt, er muss nicht auf sie hinweisen, er muss seine virtuose Technik nicht wichtiger machen als seine Geschichte. Deswegen muss auch das Lesepublikum genau hinschauen, um die federleicht hingetupfte Komplexion zu verstehen und zu genießen, die der Roman bietet. Ein kleiner großer Roman.
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