Sechs Meter bis Europa
Mit Grenzsperren schottet sich Europa schon auf dem afrikanischen Kontinent ab. Zum Beispiel in Melilla, der spanischen Exklave in Nordwestafrika. Aber auch Marokko und Tunesien folgen der Mauerlogik.
Melilla, ein europäischer Vorposten in Afrika – direkt am Mittelmeer, im Nordosten Marokkos. Im Geländewagen der spanischen Grenzpolizei geht es zum sechs Meter hohen und zehn Kilometer langen Zaun zwischen Marokko und Spanien. Er zieht eine weithin sichtbare Schneise zwischen Afrika und Europa. Leutnant Martín Rivera hält an Grenzpunkt 18:
"Es sind eigentlich drei Zäune in einem: der äußere ist 15 Grad Richtung Marokko geneigt, um das Darüberklettern zu erschweren, außerdem kann der obere Teil nach außen geschwenkt werden. Dann kommt ein zweiter Zaun, und die Zeit, die man benötigt, um zum dritten Zaun vorzudringen, der gibt uns Spielraum, durch spezielle Türen in den Zwischenraum zu gelangen und einzugreifen, bevor Eindringlinge spanischen Boden erreichen."
Europa hat sich eingezäunt auf dem afrikanischen Kontinent. In Marokko wird ebenfalls gebaut: Eine mehrere Hundert Kilometer lange Mauer soll den nördlichen Teil der Grenze mit Algerien sichern. Algerien seinerseits baut seine bereits bestehenden Grenzanlagen zu Marokko weiter aus – mit einem mehr als sieben Meter hohen, betonbefestigten Stahlzaun. Offiziell, um den Benzin- und Waffenschmuggel zu unterbinden. Dieser Zaun ist ein weiterer Beweis für die ohnehin schwierigen Beziehungen der beiden Nachbarn. Der Hauptgrund dafür: Die Westsahara.
"Mauer der Schande" in der Sahara
Und auch hier kommt eine Mauer ins Spiel. 1975 schuf Marokko mit dem Grünen Marsch Fakten – und beansprucht seitdem das riesige Gebiet im Süden des Landes für sich. Initiator des Marsches: der damalige König Marokkos, Hassan II.
"Wir müssen, liebes Volk, nun eines unternehmen: Einen friedlichen Marsch vom Norden, Osten, Westen, Richtung Süden. Es ist unsere Aufgabe, entschlossen wie ein einzelner Mann, geordnet in die Sahara einziehen."
Marokkanische Truppen lieferten sich Gefechte mit der Polisario, der von Algerien unterstützten Befreiungsfront für das Volk der Sahraoui, gewissermaßen die Ureinwohner der Westsahara. 1980 begann Marokko mit dem Bau eines 2700 Kilometer langen Walls aus Sand, Mauern, Geröll und Stacheldraht. Bis heute trennt er das marokkanische Territorium vom Gebiet der Polisario. Der Wall gilt als stark verminte Zone, bewacht von zigtausenden marokkanischen Soldaten. Immerhin herrscht seit 1991 Waffenruhe in der Westsahara.
Die Sahraouis nennen den Wall die "Mauer der Schande" und pochen auf Unabhängigkeit. Marokko will höchstens Autonomierechte zugestehen. Eine UN-Mission versucht seit Jahrzehnten, zu vermitteln – ohne Erfolg. Marokko, so sagte es Marokkos derzeit regierender König Mohammed VI vor einigen Jahren, werde seine nationale Integrität bis aufs letzte Sandkorn verteidigen.
Ein Sandwall gegen Waffenschmuggler
Verteidigen will sich auch Tunesien: Wie, das erkennt man am besten aus der Luft. Auf mehreren Hundert Kilometern wird derzeit ein gigantischer Sandwall errichtet: bis zu 2 Meter hoch, mit einem Wassergraben – gegen Waffenschmuggler und islamistische Terroristen, die aus dem östlichen Nachbarland Libyen kommen und Anschläge verüben. Zusätzlich soll die Grenzzone dann elektronisch überwacht werden: mit deutscher und US-amerikanischer Hilfe. Tunesiens Verteidigungsminister Horchani:
"Unsere amerikanischen und deutschen Freunde werden noch elektronische Überwachungssysteme installieren. Teils mit Radar, teils mit Wärmebild-Kameras. Einige davon fest installiert, andere mobil."
Grenzen und Mauern allerorten in Nordwestafrika: Die tödlichste Mauer ist blau und besteht aus Wasser – sie heißt Mittelmeer. Das wohl einzige erfreuliche Mauerprojekt ist grün und hängt davon ab, ob Afrikas Politiker es weiter unterstützen. Quer durch den Kontinent, zwischen Dakar und Dschibuti, soll eines Tages ein 7000 Kilometer langer und 15 Kilometer breiter Waldstreifen entstehen – nicht, um Menschen aufzuhalten, sondern die Wüste.