Mausklick per Augenzwinkern

Von Stephanie Kowalewski |
Mit modernen Kommunikationshilfen können schwerbehinderte Menschen nicht nur selbstständig einen Computer steuern und im Internet surfen, sie können auch elektrische Geräte sowie Türen und Fenster in ihrer Umgebung bedienen.
Für Menschen, die ihre Hände nur eingeschränkt oder gar nicht bewegen können, die Probleme mit dem Sprechen oder Sehen haben, bedeuten elektronische Kommunikationshilfen mehr Autonomie und Selbständigkeit. Davon ist Michael Hubert von der "agentur barrierefrei NRW" überzeugt. Er berät Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung keine herkömmlichen Computer nutzen können.

"Ich hatte jetzt erst einen Fall, eine junge Frau, Generation Internet, die macht da ganz viel mit. Die kann die Maus mit dem Fuß bedienen, sie hat eine hochwertige Standardmaus, aber sie hat keine andere Eingabemöglichkeit außer ihrem rechten Fuß."

Mit Hilfe der Maus konnte sich die junge Frau zwar gut durch das weltweite Internet klicken, aber Texte verfassen oder E-Mails schreiben war unmöglich. Eine handelsübliche Tastatur konnte sie mit ihrem Fuß nicht bedienen. Deshalb riet ihr Michael Hubert, die virtuelle Bildschirmtastatur ihres Computers zu nutzen.

"Die hat halt einen großen Nachteil, dass man die nicht beliebig vergrößern kann, ist halt ein Standardelement bei Windows. Aber die konnte die Maus mit dem Fuß so exakt bedienen, dass es überhaupt kein Problem war. Wir haben jetzt eine Wortvorhersage entwickelt, die wir als Freeware auch anbieten und die haben wir einfach dazugesetzt, sodass sie da auch eine gewisse Beschleunigung in der Worteingabe halt hat."

Wortvorhersagen – wie es sie auch bei Mobiltelefonen gibt – schlagen beim Schreiben von Texten Möglichkeiten vor, wie ein bereits begonnenes Wort beendet oder das nächste Wort lauten könnte. So kann sich der Nutzer bis zu 50 Prozent aller Tastaturanschläge sparen. Das Umrüsten eines handelsüblichen Computers für gehandicapte Menschen muss also nicht teuer sein. Inzwischen lassen sich Programme für beliebig vergrößerbare Bildschirmtatstaturen, Wortvorhersagen und auch Vorleseprogramme kostenlos aus dem Internet herunterladen.

Vorlesehilfe: "Die Seite wird verarbeitet. Bitte haben Sie, bis das Vorlesen beginnt, etwas Geduld."

Doch leider gilt, je schwerer die Behinderung, desto aufwendiger und damit teuer sind die elektronischen Kommunikationshilfen.

Hubert: "Um sie als Hilfsmittel vertreiben zu können, wird vieles als geschlossenes System angeboten. Also nicht als offener PC, wo ich die und die Software noch mit dazu draufpacke, sondern in der Regel ist das ein geschlossenes System, wo man die Möglichkeit hat, Worte, Sätze, Aussagen zu produzieren, entweder buchstabengebunden oder symbolorientiert."

Bei der symbolorientierten Kommunikationshilfe muss der sprachbehinderte Nutzer keine Wörter und Sätze schreiben. Um eine bestimmte Aussagen abzurufen reicht es, wenn er ein Symbol, ein Bild oder ein Foto auf einem Touch-Screen berührt, sagt Reinhold Karing von der Firma Rehavista, die solche elektronischen Hilfen herstellt:

"Ich kann dieses Gerät direkt anwählen, das heißt also mit dem Finger auf die einzelne Symboltaste, jemand kann mit den Fuß das Gerät bedienen oder mit dem Zungenschalter, es gibt die Möglichkeit zum Beispiel einer Headmouse mit einem Punkt auf der Stirn und man kann dann eben über die Oberfläche ziehen, und dann wird das Symbol abgerufen."

Je nach Gerät erfolgt die akustische Wiedergabe mit Hilfe synthetischer Sprache…

Stimme: "Ich bin müde…"

…oder aber die Betreuer haben die entsprechenden Aussagen zuvor selbst aufgenommen.

Stimme: "Aua, ich habe mir weh getan!"

Vorteil: Der Anwender muss die Schriftsprache nicht beherrschen und die Inhalte können ganz individuell auf die Bedürfnisse des Nutzers eingestellt werden – aber:

Karin: "Hier kann der Betroffene nur das kommunizieren, was ein anderer reingegeben hat."

Für Menschen mit Muskelschwäche, ALS oder Querschnittslähmung, die die Schriftsprache beherrschen, reichen solche elektronischen Hilfen wegen der eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeit meist nicht aus. Sie wünschen sich eine computerbasierte Kommunikationshilfe, die das Surfen im Internet ebenso ermöglicht wie das Schreiben von E-Mails oder sonstigen Texten. Für sie wurde eine spezielle Software entwickelt, die es erlaubt, den PC über die Augenbewegung zu bedienen. Ina Siemer von der Firma Humanelektronik beschreibt, wie das funktioniert:

"Sie sehen die Kamera im unteren Teil des PCs in der Mitte, rechts und links sehen Sie zwei Infrarotsensoren. Und wenn ich jetzt genau davor sitze, reflektiert das Infrarotlicht meine Pupillen und die Kamera erfasst das und wandelt das über den Rechner in eine Mausbewegung um."

Über das so genannte Eye-Tracking können Symbole, Buttons, die Buchstaben einer virtuellen Bildschirmtastatur oder auch Wortvorschläge und Textbausteine angesteuert werden.

"Den Mausklick kann man auslösen durch Verweilen auf einem bestimmten Punkt, sodass man das Auge nicht mehr bewegt und in einem bestimmten, einstellbaren Bereich nur noch bleibt…"

…erklärt Thomas Dreyer, Elektrotechnikingenieur bei Humanelektronik.

"Dann wird automatisch nach 1,5 Sekunden dieser Klick ausgelöst. Alternativ dazu kann man durch Zwinkern den Klick auslösen."

Mit solchen Eye-Tracking Systemen lassen sich handelsübliche Computer nachrüsten. Angeboten werden aber auch Komplettlösungen, die so viel können wie ein PC, dabei aber nicht viel größer sind als ein Bildschirm und gerade einmal zwei Kilogramm wiegen, sich also gut an Betten oder Rollstühlen befestigen lassen.

"Wir haben eine Kamera die circa 30 Bilder pro Sekunde aufnimmt, und die müssen berechnet und verarbeitet werden. Funktioniert wirklich prima, Die Geschwindigkeit der Maus ist nicht mehr zäh, sie reagiert sehr schnell. Die Prozessoren werden immer schneller, das macht es auch einfacher. Die Problematik ist eben zurzeit, dass man sich in einem bestimmten Bereich bewegen muss, nämlich in der Kamera. Die Kamera wird zurzeit nicht mitgeführt. Das könnte man also als nächstes machen, dass man also einen wesentlich größeren Bewegungsspielraum bekommt, dass die Kamera eben Ihre Augen selbständig sucht."

Schon jetzt ermöglichen moderne Kommunikationshilfen, dass der Nutzer per Mausklick – wie auch immer ausgelöst – über eine Infrarot-Steuerung elektrische Geräte sowie Türen und Fenster in seiner Umgebung bedient. So kann auch der schwer behinderte Mensch selbst bestimmen, wann er das Licht löschen möchte oder welches Radio- und Fernsehprogramm ihn gerade am meisten interessiert.