Songs, die aufrichten sollen
Schmerz und Melancholie prägen die Musik von Mavis Staples. In ihrem neuen Album, bei dem sie von Nick Cave und Neko Case Unterstützung bekam, widmet sich die 76-Jährige Soul-Diva nun allerdings vor allem der Freude am Leben.
Auch Ikonen benötigen gelegentlich künstlerische Wellness-Momente: Mavis Staples' neues Album "Livin' on a high note" zielt eher auf Bauch und Gemüt und erst in zweiter Linie auf Hirn und Herz. Sie hätte die Menschen früher oft zum Weinen gebracht mit ihren Liedern über die niederschmetternden Seiten der Gesellschaft, sagt die 76-Jährige, es sei Zeit, sie wieder aufzurichten. Darum bat Mavis Staples, als sie so unterschiedliche Künstler wie den Rockmusiker Benjamin Booker, Alternative-Country-Sängerin Neko Case oder Indie-Popsongschreiberin Tune-Yards fragte, ob sie Lust hätten für sie zu schreiben und zu komponieren.
"Ich finde, die haben das toll gemacht. Sie haben versucht, die Songs aus meiner Perspektive zu schreiben und sie für Mavis zu arrangieren. Die haben mich sicher gehört über all die Jahre. Ich habe dann meinen Dreh dazu gegeben."
Strahlend, grundzufrieden, lebensfroh ist die Stimmung der Mid-Tempo-Songs und Balladen. Sie selbst fühle sich aktuell auch so, als würde sie in der Luft schweben, ein Leben auf einer hohen Note führen, sagt sie in Anspielung an den Albumtitel und singt dazu mit dunkler und angerauter Stimme, die tatsächlich so etwas wie großmütterlichen Trost transportiert. "Livin on a high note" ist ein unterhaltsames und erhebendes Album geworden, ein wunderbares Alterswerk, das eine lebende Legende auf der Höhe der Zeit und frisch im Geist zeigt. Aber "Livin on a high Note" ist auch nicht frei von Widersprüchen. Kein Geringerer als Chefmelancholiker Nick Cave hat ebenfalls einen Song beigesteuert für dieses Album, das eigentlich Liebe und Freude verströmen soll.
"Ich liebe Nick Cave, ich liebe seine Musik, egal was er mir geschickt hätte, ich hätte es genommen, es musste nicht dem entsprechen, was ich mir eigentlich gewünscht habe, ich wollte einfach nur einen Nick Cave-Song."
Eine musikalische Ikone der Bürgerrechtsbewegung
Es gibt Raum für christliche Zwischentöne auf "Livin on a high Note", nicht anders zu erwarten bei Gospelikone Mavis Staples. Die Frau aus Chicago kokettiert ein wenig mit ihrem Alter und ihrem Legendenstatus, wenn sie unterstreicht, es handele sich hier um "Vergesst-mich-nicht-Lieder". Unvergesslich gemacht hat Staples sich natürlich schon vor Jahrzehnten mit ihrem musikalischen Engagement für die Bürgerrechtsbewegung, auch das hallt hier wieder. Die 36-jährige Indie-Popmusikerin Tune-Yards ist kompositorisch in diese Epoche zurückgegangen mit ihrem Song "Action".
"Dieses Lied war noch in der Art der Freedom-Songs-Ära und ich mochte es, so dass ich dachte, es schadet nicht, es aufs Album zu nehmen. Ich mochte es wirklich, ich mag jeden Vers – ‚ich ängstige mich um meine Kinder, ich bin müde'. All das schien mir so wahr, ich konnte darüber nicht hinweg gehen."
Fast ein wenig resigniert erscheint Mavis Staples in diesem Song beim ersten Hören. "Ich bin müde und krank", singt sie, "müde davon, Angst haben zu müssen um meine Kinder", aber sie singt auch: "Diesmal hilft uns der Himmel nicht, wir müssen es selbst in die Hand nehmen". Und sie fragt sehr herausfordernd: "Wer tut's, wenn ich es nicht tue?"
Mavis Staples ist froh, dass sie nicht allein ist mit ihren Liedern gegen Rassismus. Seit sich die Todesfälle von Afroamerikanern häufen, die durch Polizeikugeln sterben, singen wieder vermehrt Künstlerinnen dagegen an. Man denke nur ganz aktuell an Beyoncé und ihren Song "Formation". Mavis Staples kennt noch andere Künstler, die den Kampf per Musik kämpfen und ihn nicht verloren geben.
"Wenn Du die Hoffnung verlierst, hast Du nichts mehr"
"Ich werde niemals die Hoffnung verlieren. Ich halte die Hoffnung am Leben. Wenn Du sie verlierst, hast Du nichts mehr. Son Little hat gerade einen Song rausgebracht der ‚Mother' heißt, und Pharrell Williams hat einen Song, der ‚Freedom' heißt und Common, er ist einfach grundsätzlich ein Aktivist."
Rapper Common etwa greift das Thema in seinen Songs immer wieder auf und fördert zusätzlich benachteiligte Jugendliche in vor allem von Afroamerikanern bewohnten Stadteilen. Die Illusion, man könne nur mit Songs die Welt verbessern, hat Mavis Staples heute allerdings nicht mehr.
"Mein Vater und tatsächlich meine gesamte Familie glaubte, unsere Lieder könnten die Welt verändern. Dann haben wir bemerkt, dass wir diese Macht nicht haben. Aber ich glaube, Lieder können zumindest dabei helfen, die Welt zu verändern. Das ist eine gewaltige Aufgabe, da reicht ein Song nicht. Hoffentlich kommt eines Tages jemand und zieht uns alle mit, die richtigen Dinge zu tun. Es ist Zeit, Brücken zu bauen statt Mauern. Gib dem Frieden eine Chance, sich durchzusetzen."