Max Annas: "Morduntersuchungskommission: Der Fall Daniela Nitschke"
Rowohlt, Hamburg 2022
368 Seiten, 22 Euro
Max Annas: "Der Fall Daniela Nitschke"
Ein neuer Fall für die „Morduntersuchungskommission“: Max Annas schreibt eher nüchtern, beweist dabei aber viel Haltung. © Deutschlandradio / Rowohlt
Waffen für Angola
03:04 Minuten
Max Annas setzt seine Reihe mit historischen Krimis aus den letzten Jahren der DDR fort und erzählt in „Der Fall Daniela Nitschke“ unter anderem davon, wie das ostdeutsche Regime afrikanische Freiheitsbewegungen unterstützte.
Ostberlin 1987: Oberstleutnant Otto Castorp ist von Gera nach Berlin versetzt worden. Im dritten Teil von Max Annas‘ Reihe „Morduntersuchungskommission“ ermittelt der DDR-Polizist im Todesfall Daniela Nitschke. Sie wurde tot in einem Hinterhof gefunden – möglicherweise ist sie aus einem Fenster gefallen, möglicherweise wurde sie gestoßen. Besonders brisant ist, dass es ganz in der Nähe eine zweite Leiche gibt: ein Musiker aus Westberlin.
Ein Jazz-Bassist und der ANC
Dazu kommen zwei weitere Handlungsstränge, die so wohl nur in Ostberlin und nicht in Jena oder Gera möglich waren: Der eine erzählt von dem südafrikanischen Jazz-Bassisten Billy Ndlovu, der in Westberlin lebt und Kurierdienste für den ANC übernimmt. Außerdem wird die Stasi-Sekretärin Erika Fichte von ihrem Chef beauftragt, das Verschwinden eines Genossen zu untersuchen, der mit Waffenlieferungen nach Angola und Südafrika zu tun hatte. Von Anfang an ist klar, dass diese Geschichten miteinander verknüpft sind – kreuzen werden sie sich das erste Mal in einer hochspannenden Passage, in der Pause eines Miriam-Makeba-Konzerts.
Nüchterne Prosa und genaue Figurenzeichnung
Unschwer ist zu erkennen, dass "Der Fall Daniela Nitschke" von der Unterstützung der Befreiungsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent durch das DDR-Regime erzählt. Und von den Folgen des Imperialismus. Diese brisanten, spannenden und aktuellen politischen Themen werden durch die nüchterne Prosa und die genaue Figurenzeichnung gekonnt kontrastiert.
Dazu schreibt Annas wundervoll über Jazz und lässt passenderweise den Lesenden ausreichend Raum für eigene Schlussfolgerungen und Interpretationen. Im Gegenzug bringt er schon mit der Namensgebung viel Haltung in den Roman ein. So heißt Erika Fichtes Chef bei der Stasi mit Nachnamen Diewitz und wird behördenintern „der Witz“ genannt. Das ergibt komische Sätze, ohne dass die Gefährlichkeit dieses Mannes heruntergespielt wird.
Das Ende ist nah - und keiner ahnt es
Keine der zentralen Figuren in diesem historischen Kriminalroman ahnt im Übrigen etwas von den Entwicklungen, die zwei Jahre später zum Ende der DDR führen werden. Erika Fichte ist überzeugt vom Sozialismus, ohne wie eine verblendete Ideologin zu wirken. Und Otto Castorp nimmt zwar wahr, dass sich die Gesellschaft in der DDR verändert, aber als sich eine junge Frau ihm gegenüber respektlos verhält, ist er doch sehr irritiert. Ihm kommt gar nicht in den Sinn, dass er die Staatsmacht repräsentiert.