Max Goldt: "Genieß deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses"
Hörbuch Hamburg 2021
2 CDs, 155 Minuten, 20 Euro
Max Goldt: „Genieß deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses“
Max Goldt scheint wirklich sehr stolz darauf sein, sich starrsinnig gegen einen als bedrohlich empfundenen Zeitgeist zu stellen. © Deutschlandradio / Hörbuch Hamburg
Eine enttäuschende Wundertüte
04:46 Minuten
Scheinbar zufällig mäandern bei Max Gold die Sätze einem ungewissen Ziel entgegen. Manchmal kann das sehr komisch sein, manchmal allerdings auch ganz schlicht: langweilig. Und das passiert bei diesem Hörbuch leider öfter, meint unser Rezensent.
Hörbücher von Max Goldt sind wie Wundertüten, sie stecken voller Überraschungen: Alte Texte stehen neben neuen, neue Aufnahmen neben Livemitschnitten aus dem Archiv.
"Einmarsch der Hauptstädterinnen: Jetzt die Stockholmerinnen, man sieht verhältnismäßig wenig blond, noch 25 Prozent der Schwedinnen sind blond, noch um die Jahrhundertwende waren es satte 50 Prozent."
Schon auf dieser Kassettenaufnahme aus dem Jahr 1987 zeigt Max Goldt sein Gespür für das Absurde, sein Timing, seinen Wortwitz und seine Bühnenpräsenz. Heute ist er eine Marke. Er kann eigentlich alles erzählen und weiß das auch.
"Psychedelische Abendbewölkung, die niemand wahrnimmt in so einer Gegend. Bad Oldesloe, Eigenheimsiedlung am Ortsrand. Paul Thomas Anderson lässt schön grüßen. Oder Wes Anderson. Ach, nehmen wir einfach Alfred Hitchcock, soll der doch schön grüßen lassen, den kennt wenigstens jeder, auch wenn er hier eigentlich überhaupt nicht hinpasst. Aber: Wer passt schon irgendwohin?"
Scheinbar zufällig mäandern seine Sätze einem ungewissen Ziel entgegen. Manchmal kann das sehr komisch sein, manchmal allerdings auch ganz schlicht: langweilig. Und Langeweile ist ein Gefühl, das sich bei diesem Hörbuch leider öfter einstellt.
Zoom ins Alltägliche
Schnelle Pointen interessieren Max Goldt nicht. Er entwirft Skizzen, zoomt ins Alltägliche und erzählt von kleinen Dramen und Banalitäten. Das kann eine Zeremonie zur Würdigung des Unwortes des Jahres sein, die sich zieht und zieht. Oder der Besuch in einer Eigenheimsiedlung. Oder die Geschichte von Armin, der in einem Wirtshaus das Klo sucht und sich schließlich eine besonders starke Brille aufsetzt:
"Mit dieser Brille auf der Nase liest er an der Tür: PC Konfekt. Armin hält sich den Bauch vor Lachen. Und ruft: Ach, das ist gar kein Klo hier. Sondern eine Konditorei, für politisch korrektes Konfekt. Also Konditoreierzeugnisse ohne Transfette, Palmöl, Gentechnik und so weiter. Hahaha!"
Max Goldt hat sich schon immer in der Rolle des skeptisch-amüsierten Beobachters gefallen, der sich über Trends und Moden wundert, der über Neues spottet und der sich auch keiner guten Sache verschreiben möchte, sondern immer lieber auf Distanz bleibt.
Gendern – eine Zumutung?
Das Gendern zum Beispiel, die Nennung der männlichen und der weiblichen Form, ist für ihn eine Zumutung, eine "als Überzeugung getarnte Unterwürfigkeit." Seine Begründung klingt allerdings fast schon verstörend:
"Eine Ärztin tut das gleiche wie ein Arzt, ein Cartoonist nichts anderes als eine Cartoonistin, bloß mit anderen Geschlechtsteilen. Es gibt keinen Anlass, sich für diese Geschlechtsteile zu interessieren. Außer in den seltenen Fällen, in denen einen der Besitzer der Geschlechtsteile wollüstig anschaut und man das Glotzen gern erwidert.
Es ist eine zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit, Geschlechtsteile zu verbergen. Die Sprache, zumindest jene, die der simplen Volksinformation dient, sollte sie ebenfalls verbergen und die bewährten neutralen Versionen verwenden, die leider das Pech haben, mit den männlichen lautidentisch zu sein."
Mit Starrsinn gegen den Zeitgeist
Vielleicht passt deswegen auch der Titel des Hörbuches ganz gut: "Genieß deinen Starrsinn an der Biegung des Flusses". Starrsinn als Tugend: Max Goldt scheint wirklich sehr stolz darauf sein, sich starrsinnig gegen einen als bedrohlich empfundenen Zeitgeist zu stellen.
Wundertüten können manchmal auch enttäuschen.