Max Joseph über "We Are your Friends"

"So unbekümmert wie nur möglich"

Der Regisseur Max Joseph
Der Regisseur Max Joseph © picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga
Moderation: Susanne Burg |
Seit Jahren präsentiert Max Joseph auf MTV "Catfish", eine Dokuserie über die Lügen des Online-Datings. Nun läuft "We Are your Friends" in den Kinos, Josephs Spielfilmdebüt. Es ist die Story des Electro-DJs Cole, der sich in Los Angeles einen Namen machen will.
Susanne Burg: Max Joseph, Sie haben eine Pause gemacht von der MTV-Show "Catfish", um Ihr Spielfilmdebut als Regisseur zu drehen. Warum war Ihnen das so wichtig?
Max Joseph: Eigentlich wollte ich schon immer schreiben und Regie führen, eigentlich, seitdem ich 14 Jahre alt bin. Und ich habe ja auch dann als Produzent gearbeitet, als Regisseur gearbeitet, aber eben vornehmlich Kurzfilme gedreht, und dann war "Catfish" für mich so etwas wie eine witzige Umleitung, die plötzlich geschehen ist. Ein Freund fragte mich, ob ich beim Piloten mitmachen möchte. Und ich habe mir gesagt: "Na ja, warum nicht." Und dann wurde es eine sehr erfolgreiche Show bei MTV, die wirklich gut läuft, und die mir auch wirklich Spaß macht. Ich habe zwischendurch nicht aufgehört, selber auch noch Kurzfilme zu drehen. Und ich habe dann das Drehbuch zu "We Are Your Friends", während die zweite Staffel von "Catfish" lief. Ich hatte das Glück, dass ich mit dieser Show durch sehr viele amerikanische Kleinstädte komme, in die ich vorher niemals gefahren bin und die ich sonst wohl auch niemals sehen würde, und überall treffe ich junge Leute, Anfang 20, die wirklich zur Social-Media-Generation gehören, und da schnappe ich natürlich auf, um was für Träume, Hoffnungen es geht in ihrem Leben. Und dann, wenn ich dann nach Hause kam und weitergeschrieben habe an meinem Drehbuch, habe ich vieles von dem einfließen lassen, was ich tagsüber gehört habe. Und so ist "Catfish" irgendwie eingeflossen auch in dieses Drehbuch, und das hat sich ganz symbiotisch entwickelt.
Burg: Das ist interessant, dass es inhaltlich auch Überschneidungen gibt. In "We Are Your Friends", also auf Deutsch "Wir sind deine Freunde", ist es ja mit den Freundschaften eine so ein bisschen wackelige Angelegenheit. Im Zentrum steht ein DJ, Cole, der versucht, den Durchbruch zu schaffen. Er hängt mit seinen alten Freunden rum, aber es knirscht so ein bisschen. Er will da eigentlich ausbrechen und weiterziehen, und auch der etablierte DJ James, ist anfangs mehr ein Mentor. Gibt es zwischen den Menschen im Film überhaupt so etwas wie Freundschaft?
Die ganz verschiedenen Schichten und Bedeutungen von Freundschaft
Joseph: In "We Are Your Friends", da geht es eben um diese DJ-Kultur, und da geht man relativ freundschaftlich miteinander um. Das hängt auch mit dieser elektronischen Musik zusammen, das ist einfach sehr freundschaftbasiert. Das hat auch mit Social Media zu tun, wo man sich ja heutzutage online immer auch gleich anfreundet. Aber was sind das für Freundschaften, diese Internetfreundschaften, was bedeutet das überhaupt, wenn man von einander behauptet, wir sind Freunde? Und die vier Jungs, die man am Anfang des Films sieht, die wollen ja zunächst es einfach nur schaffen, dass eine Party von ihnen promotet wird. Und dann tun sie sehr freundlich mit den Leuten, die sie ganz gerne in ihren Club locken möchten, damit sie dort Geld ausgeben, damit sie selber mit den Leuten Geld verdienen. Sie nutzen also sozusagen das Wort oder den Begriff Freundschaft so ein bisschen für ihre eigenen Zwecke aus. Aber echte Freunde, das hat ja auch immer etwas mit einer gemeinsamen Vergangenheit zu tun. Und jetzt, wo sie älter werden, bricht das eben auch so ein bisschen auseinander, und es geht einfach in verschiedene Richtungen, weil man sich mit dem Alter eben auch anders entwickelt. Auch darum geht es in diesem Film, und am Ende des Films bedeutet Freundschaft vielleicht etwas in einem weiteren Sinne, weil es eben auch darum geht, was bedeutet es, wenn man Künstler ist, wenn man Verantwortung übernimmt, wenn man anfängt, auch ein größeres Publikum zu erreichen. Und dann verändert sich auch wieder dieser Freundschaftsbegriff, und das ist insofern eine Reflexion darüber, dass Freundschaft an sich ganz verschiedene Schichten und ganz verschiedene Bedeutungen haben kann. Also das ist gar nicht so einfach mit den Freundschaften.
Burg: Es ist ja auch eine Geschichte um einen DJ, der versucht, den Durchbruch zu schaffen.Und es werden viele Drogen in dem Film genommen. Unter anderem geht es eben auch um die beats per minute, um die Schläge pro Minute, und darum, dass der perfekte Track 128 bpm haben muss, um die Herzen der Menschen zu erreichen. Wie funktioniert es mit dem Tempo und dem Rhythmus dann in einem Film? Wie überträgt man das in einen Film?
Joseph: Ich liebe elektronische Musik, ich liebe diese Elektro-Tanzmusik, und letztendlich ist das ja, was ein DJ mit einem macht, wenn er gut ist, eine emotionale Reise. Ein echt guter DJ, der weiß, wie er sein Publikum hoch und wieder runter bringt. Er weiß, was das Publikum möchte, er hat ein Gespür dafür und nimmt sie dann mit auf diese Reise. Und genauso ist das auch in einem Film. Wir wollten diesen Film so aufbauen, wie das ein guter DJ eben auch macht. Das heißt, dieser Film nimmt einen mit auf eine Reise, in einen Traum. Es gibt Höhepunkte, es gibt Tiefschläge, und am Ende findet eine Katharsis statt, und der Film hat dann funktioniert, wenn man damit nach Hause geht, dass man das Gefühlt hat, man hat irgendwie sich wohlgefühlt und irgendwie auch etwas mitgenommen. Aber Tempo und Rhythmus sind hier natürlich sehr wichtig, und auch da haben wir versucht, das im Film genauso aufzuarbeiten und dramaturgisch einzusetzen, wie das ein DJ macht. Ein guter DJ, der fängt eben langsam an, wird dann schneller, wird dann sehr schnell, dann kommt es zu einer Art Explosion, dann findet eine gewisse Ruhe statt, und dann baut er wieder langsam auf. Und genau das haben wir mit diesem Film auch versucht, filmisch zu machen.
Burg: Übersetzt heißt auch, es ist manchmal ein bisschen wie ein Musikvideo geschnitten, sehr schnell, mit sehr viel Musik gearbeitet, und dann aber auch wieder sehr narrative Phasen.
Joseph: Ich liebe die Filmmontage, ich liebe einfach den Filmschnitt, und ich schneide besonders gerne zu Musik. Und dann mag ich es wirklich, wenn man den Kinozuschauer wirklich aus seinem Sessel sozusagen heraus holt und wirklich auf das Herz abzielt, auch auf diesen Herzschlag, auf den Rhythmus. Allerdings muss man natürlich ein bisschen aufpassen, wenn man das permanent macht, dann kommt es auch zu Ermüdungserscheinungen beim Betrachter. Insofern ist es natürlich wichtig, dass man in einem Film auch immer wieder einen Gang zurückschaltet, zurück zur Realität kommt, etwas grundierter arbeitet. Und dann haben wir eben auch fast dokumentarisch gearbeitet und haben versucht, uns doch mehr auf die Story zu konzentrieren, und dann gibt es eben diese anderen Momente, wo die Musik eben wieder übernimmt, wo das stilisiert wird, wo es schnellere Schnitte gibt und wo wir mit slow motion arbeiten. Aber so ist letztendlich eben auch das Leben. Das Leben hat seine hässlichen, seine harten Seiten, manchmal gibt es eben keinen Soundtrack und keine Musik im Alltag. Aber dann, wenn man in einem Club ist, wenn man gute Musik hört, dann ist man plötzlich an einem anderen Ort, begibt sich in andere Welten, dann übernehmen die Emotionen, die Gefühle, und das ist das, glaube ich, was die Kunstform des Kinos so ausmacht, dass man all das so perfekt ausdrücken kann, sehr viel besser und komplexer als in anderen Kunstformen.
Burg: Sie haben eben schon sehr viel über diesen dokumentarischen Ansatz, den Sie auch verfolgen, geredet, und ich fand den interessant, weil die Schauspieler teilweise sehr lebensnah spielen, sehr realistisch geradezu. Wie haben Sie das hinbekommen mit den Schauspielern.
Der Film? - Eine sehr persönliche Erfahrung
Joseph: Das liegt natürlich vor allem daran, dass ich echt talentierte Schauspieler habe. Bei "Catfish" habe ich eines gelernt: Da geht es ja um wirklich wahrhaftige Momente, da läuft die Kamera einfach, und wenn du gut bist, stellst du eine Frage, und dann hältst du schnell die Klappe und lässt die Kamera einfach laufen. Und im Schnitt versuchst du dann, diese echten Momente herauszuholen, weil "Catfish" ja hauptsächlich dokumentarisch gearbeitet hat. Und oft war es so, dass, wenn man eine Frage gestellt hat, dass die Antwort wie aus der Konserve kam, damit meine ich, sie war etwas vorgefertigt, sie wirkte überhaupt nicht mehr spontan. Aber man konnte dann, nachdem die Frage beantwortet war, vielleicht in dem Blick oder in einer Gestik den wahrhaftigeren Moment finden, dass er viel ehrlicher war als während der Beantwortung der Frage. Und genau das schneidest du dann zusammen, und mit dieser Art von Technik, mit dieser Art von Grundidee bin ich auch beim Casting vorgegangen. Da war in mir eine gewisse Unsicherheit, als Debutfilm, ob es mir gelingen würde, Schauspieler dahin zu bekommen, etwas ganz anderes zu verkörpern, als was sie wirklich sind. Ich war aber sehr zuversichtlich, dass es mir gelingen würde, wenn ich sie so caste, dass sie eine natürliche Nähe zu ihren Figuren entwickeln, dass das dann auch glaubwürdig herüberkommt. Und so ist es dann eben gewesen, dass, wenn ich "Bitte" gesagt habe und die Kamera fing an zu laufen und ich am Ende einer Aufnahme "Danke" gesagt habe, dass ich auch die Momente vor dem Bitte und dem Danke noch mit aufgenommen habe, um an diese wahrhaftigen Momente heranzukommen, damit das Ganze so natürlich und unbekümmert wirkt wie nur möglich. Und genau das ist es dann auch, diese Nähe zu den Figuren, die hat sich dann auch ausgezahlt.
Burg: Sie selbst kommen aus New York, und wenn wir es jetzt mal etwas überzeichnen, viele New Yorker haben Schwierigkeiten, sich in L.A. und der Region einzuleben, weil die Stadt so anders funktioniert, weil die Kultur so anders funktioniert. Wie ist es Ihnen ergangen? Haben Sie sich in gewisser Weise auch einen New Yorker Blick auf L.A. und das San Fernando Valley bewahrt, und zeigt sich das für Sie auch im Film?
Joseph: Dieser Film ist schon auch meine sehr persönliche Erfahrung, die da mit einfließt. Meine Eltern sind zwar sehr viel gereist, aber ich bin in New York City aufgewachsen, und ich dachte, als ich so 18 war: 'Ich weiß schon sehr, sehr viel über die Welt.' Aber das war natürlich auch ein wenig naiv von mir, und mit 19 bin ich dann zu einem Freund gegangen, der im Valley gelebt hat, und war Praktikant in Hollywood bei einer Filmfirma, und da habe ich dann plötzlich ein ganz anderes Leben kennengelernt als das, was mir bekannt war. In New York war es so: Du musstest nicht Auto fahren, man hat dort eher Alkohol getrunken und nicht Marihuana geraucht. In L.A. war alles anders, das war ein ganz schnelles Leben, alle sind Auto gefahren, man hat sehr viel gekifft, eigentlich fast jeden Tag. Man ist in diese Clubs gegangen, die Mädels waren blond, braun gebräunt und wurden total aggressiv angemacht von solchen draufgängerischen Anmachertypen, die den ganzen Tag über die Autobahn gebraust sind. Und ich war nie so ein Typ, der in die Clubs gegangen ist und der wusste, wie man Frauen aufreißt oder wie man sich so inszeniert. Und deswegen habe ich mich doch dann sehr mit dieser Welt befasst, vielleicht sehr viel mehr als die Leute, die so aufgewachsen sind. Und das Ganze hat mich dann auch sehr geprägt, dieser Sommer hat mich sehr, sehr verändert.
Burg: Und das Ergebnis kann man nun, viele Jahre später, im Kino sehen. Seit Donnerstag läuft "We are your friends" im Kino. Max Joseph ist der Regisseur. Vielen Dank für Ihren Besuch! Thank you very much for coming!
Joseph: Thank you! This is great.
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