Eine lohnenswerte Entdeckung
Er gilt als einer der großen Künstler des deutschsprachigen Kinos: Der Regisseur Max Ophüls. Bei ArtHaus sind nun drei seiner bedeutendsten Filme noch einmal erschienen - und wer Ophüls noch nicht kennt, für den ist das eine Entdeckung.
Max Ophüls war ein Maler des Kinos und als solcher ein Impressionist. Sein Blick galt stets dem Inneren des Menschen, den lichten und den dunklen Momenten der Seele. Kein Wunder: Ophüls war ein Kind seiner Zeit, einer Zeit, die den Individualismus feierte, die der Psychoanalyse fast hörig war, einer Zeit des Überdrusses, erwachsen aus Überfluss. Dem setzte Max Ophüls im Kino zarte Pinselstriche entgegen, feinste Dialoge, das Leise, das Behutsame, das Empfindsame. Davon ließ er sich auch nicht im marktschreierischen Hollywood abbringen.
"Letter from an Unknown Woman", "Brief einer Unbekannten". Max Ophüls' 1948 herausgekommene Adaption der gleichnamigen Novelle von Stefan Zweig gehört zu seinen besten Filmen. Überaus stimmungsvoll wird der von Todesrausch und Wahn gezeichnete Charme Wiens um 1900 beschworen und – scheinbar ganz en passant – die Zerbrechlichkeit dessen, was man gern Liebe nennt, deutlich. Hauptdarstellerin Joan Fontaine, durch Hitchcocks "Rebecca" schon ein paar Jahre zuvor zum Star aufgestiegen, führte Ophüls zu einer ihrer differenziertesten Leistungen.
Eine wahrhaftig anmutende Interpretation
Ophüls, der an den Drehbüchern zu seinen Filmen zumindest immer mitschrieb, sie oft auch ganz allein schrieb, kam vom Theater und verleugnete diese Herkunft nie. Die Arbeit mit den Schauspielern, insbesondere mit den Schauspielerinnen, war für ihn das A und O. Er wollte Menschengeschichten erzählen, getragen von glaubwürdigen Charakteren, von Frauen und Männern, mit denen die Kinobesucher mitleiden und sich freuen können. Dazu brauchte er großartige Akteure. Die er sich nach seinem Bilde formte. So wie später in Hollywood die Fontaine, hatte er schon 1932 Luise Ullrich und Magda Schneider in einer Schnitzler-Verfilmung zu Höchstleistungen geführt, brachte er 1953 in Frankreich Danielle Darrieux, damals längst ein Super-Star, an der Seite von Charles Boyer und Vittorio de Sica als "Madame de... " zu einer überaus wahrhaftig anmutenden Interpretation einer Frau zwischen Ehemann und Liebhaber:
Heutzutage schaut man diesem Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel vor allem amüsiert zu – und merkt schließlich überrascht, dass inzwischen zwar einige grundsätzliche Moralvorstellungen ad acta gelegt worden sind, eins aber nach wie vor Gültigkeit hat: die bürgerliche Gesellschaft wird in hohem Maße von Heuchelei, Missgunst und Raffgier geprägt. Wer nichts hat, ist nichts, zählt nichts.
Eine absolut lohnenswerte Entdeckung
Hinreißend, auch und gerade, weil inzwischen ja alles gesagt und gezeigt werden darf, wie dezent und dadurch wirkungsvoll Max Ophüls erotische Szenen gestaltete. Andeutungen im Bild und in den Dialogen reichen aus, um den Sturm sexueller Gier zu entfesseln.
"Plaisier" – ein Episodenreigen nach Novellen von Guy de Maupassant – uraufgeführt 1952 – ist noch heute einfach wunderbar: Obwohl in Schwarz-Weiß, meint man einen Farbfilm zu sehen. Die exquisite Kameraführung, das Spiel damaliger französischer Schauspielstars wie Simone Simon und Jean Gabin, der Esprit der Wortgefechte – hinreißend. Die internationale Presse feierte den Film um die geistige Erquickung durch körperliche Lust damals als "Delikatesse". In der Bundesrepublik Deutschland hieß es: "Der Film ist nur für geistig und charakterlich gefestigte Erwachsene ein ungefährlicher Genuss". In der DDR kam "Plaisier" erst gar nicht in die Kinos. Für viele deutsche Filmfans dürfte "Plaisier" also eine Entdeckung sein, eine absolut lohnenswerte.