Max Ophüls' "Gedanken über Film"

Das "Wahre, Schöne, Gute" und die "schönen guten Waren"

Max Ophüls mit der Schauspielerin Danielle Darrieux bei einem Bummel über den Kurfürstendamm in Berlin im Jahr 1954
Hochdekorierter und hoch talentierter Regisseur: Max Ophüls, 1954 bei einem Kudamm-Bummel mit der Schauspielerin Danielle Darieux © picture alliance / dpa
Von Andi Hörmann |
Eines der wenigen erhaltenen Tondokumente Max Ophüls' ist ein Vortrag, den der große Regisseur 1956 über den Konflikt zwischen künstlerischer Wahrheit und wirtschaftlichem Interesse beim Film hielt. Es ist jetzt als Hörbuch erschienen.
Max Ophüls: "Film muss ein Kampf sein zwischen den schönen guten Waren und dem Wahren, Schönen, Guten."
Konsum auf der einen Seite, Kunst auf der anderen Seite - das Filmemachen war für Max Ophüls ein heikler Drahtseilakt. Ausgerechnet im Hörfunk balancierte er ihn 1957 aus.
"Der Hessische Rundfunk bringt heute Abend ein Experiment. Eine Paraphrase, so wollen wir das nennen, über eine Rede. Wir wissen nicht, ob der Titel Sinn hat oder die ganze Sendung. Es kam so: Neulich wurde in Frankfurt eine Rede gehalten von dem Filmregisseur Max Ophüls, er...
Verzeihung, ich hielt ihn nicht, um über mich selbst zu sprechen."
Früher Versuch eines Radio-Features
Im Alter von 55, nur ein Jahr vor seinem Tod, formulierte Max Ophüls seine 'Gedanken über Film' vor der Frankfurter "Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft". Humorvoll und selbstironisch nimmt er seine Zuhörer gefangen:
"Ich habe mich dann in meiner Unsicherheit nach Ihnen erkundigt. Ich wollte wissen, zu wem ich spreche. Da hat man mir gesagt: Vor allen Dingen sind es Herren, manchmal sind Damen gestattet. Vor allen Dingen aber sind es Herren, die viel gearbeitet haben. Die meisten kommen nicht. Und die, die kommen, sind meistens so müde, dass sie gar keinen Vortrag hören wollen. Ich möchte keinen halten, Sie möchten keinen hören - ich denke, jetzt wäre eigentlich die Zeit, dass wir auseinandergehen können."
Der aufgezeichnete Vortrag ist dabei kein bloßer Mitschnitt, sondern ein früher Versuch eines Hörfunk-Features: Max Ophüls selbst hat im Nachhinein seiner Rede Musik und Geräusche hinzugefügt und sie von einer Stimme aus dem Off kommentieren lassen.
"Das ist nicht so einfach wie ich es mir vorgestellt habe. Das merke ich schon.
Natürlich ist es nicht so einfach: er hat Lampenfieber."
Eine "inspirierende Gedankenreise" auf CD
Der in Saarbrücken als Sohn eines jüdischen Textilkaufmanns geborenen Max Ophüls hat in seinem Leben vieles erreicht: Inszenierungen an renommierten Theaterhäusern von Aachen bis Wien, Literaturverfilmungen von Erich Kästner bis Arthur Schnitzler, zwei Oscar-Nominierungen. Doch hier sind es die kleinen Anekdoten, die Bekenntnisse eines hoch talentierten Filmemachers, die diese fast sechzig Jahre alte Ton-Collage zu einem wertvollen Zeitdokument machen.
"Im Jahr 1932 in Berlin. Als Berlin die kosmopolitische Theater- und Film-Kunst-Stadt war. In dieser Zeit hatte ich eine große Förderin. Es war eine Schauspielerin, die hieß Rosa Valetti, der ich sehr viel verdanke."
Seinen Vortrag inszeniert Max Ophüls als fiktive Straßenbahnfahrt, zu der er seine Zuhörer von Station zu Station mitnimmt. Jede steht dabei stellvertretend für sein Filmschaffen - von der Entdeckung junger Talente bis zur Finanzierung neuer Filmprojekte. Begleitet wird all das von geistreichen Innenansichten zum Film als Sehnsuchtsort für künstlerische Freiheit. Mit einem Thomas-Mann-Zitat endet diese inspirierende Gedankenreise des berühmten Filmemachers, über deren Wiederveröffentlichung man sich einfach nur freuen kann.
"Film ist etwas neben der Kunst, steht als rohe Sensation tief unter der Kunst, und vereinigt sich in den glücklichsten Fällen mit Kunst. Was aber ist Kunst? Darauf weiß ich keine Antwort.... Ich danke Ihnen, dass Sie bis hierher mit mir gefahren sind."

Max Ophüls: "Gedanken über Film"
Originaltondokument aus dem Jahr 1956
Verlag Speak Low, Berlin 2014
1 CD, 63 Minuten. 16,80 Euro

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