Frischzellenkur für den deutschen Nachkriegsfilm
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Die Regisseurin May Spils mischte ab Ende der 1960er-Jahre die deutsche Filmlandschaft auf. Gleich ihr erster Film "Zur Sache, Schätzchen" wurde ein Riesenerfolg und überraschte das Publikum: Witz statt Moralkeule, Pop statt Pathos.
Anmutig wie ein Mannequin steht die junge Frau im Freibad. Auf der Nase prangt eine riesige Sonnenbrille, in den Händen hält sie ein Manuskript. In der Bikinihose steckt ein Revolver: May Spils, während der Dreharbeiten von "Zur Sache, Schätzchen". Gedreht 1967, mitten im pulsierenden Schwabing.
Obwohl sie hinter der Kamera steht, erweckt sie jede Menge Aufmerksamkeit. Das Foto von damals zeigt viele Schaulustige im Hintergrund.
"Sehen Sie die abenteuerliche, aufregende, spannende und dramatische Geschichte eines Fummlers", heißt es Kinotrailer. "Scharf beobachtet und mit Anmut aufgezeichnet von der jungen, charmanten May Spils."
May – mit bürgerlichem Namen Maria-Elisabeth Maier-Spils - ist Mitte 20; sie wird mit ihrem Debüt "die erste Regisseurin nach dem Krieg", erzählt sie. "Nach Leni Riefenstahl. Ich mein', der Name hat mir nicht so gut gefallen. Aber immerhin war ich jetzt wirklich die erste Frau."
"Zur Sache, Schätzchen" ist ihr erster Spielfilm. München-Schwabing ist Anfang der 1960er-Jahre ein Magnet für Künstler und Cinephile. May Spils kommt aus der norddeutschen Provinz und landet hier als Fotomodel. Sie spielt kleine Rollen in Filmen ihrer Freunde und erhält ihre Initialzündung.
"Ich bin nach Oberhausen gefahren und hab' mir alle Kurzfilme angeguckt von morgens bis abends und hab' nach einer Woche gesagt: Was die Jungs da machen, das kann ich auch!"
Schlaff, gammelig, antriebslos
May lernt den Schauspieler Werner Enke kennen, der ihr Lebensgefährte, Drehbuchautor und Darsteller wird. Als Teil der "Münchner Gruppe" wollen sie Humor im Neuen Deutschen Film statt Moralkeule. Pop statt Pathos:
"Und dann haben wir langsam angefangen, das Drehbuch für 'Zur Sache, Schätzchen' zu schreiben. Und ich weiß noch, wie ich gesagt habe, wir müssen etwas machen mit dir, Enke und Henry, mit diesem vitalen Typen. Und du bist der Skurrile."
Es ist die Geschichte vom Slackertypen Martin: schlaff, gammelig, antriebslos. Enkes Anarcho-Humor wirkt wie eine Frischzellenkur auf das verschlafene Kinopublikum der Nachkriegszeit. Uschi Glas spielt Barbara, die Bürgerstochter. Unvergessen ist ihr Körpereinsatz auf der Polizeiwache. Mit einem Striptease lenkt sie die schusseligen Beamten ab. Martin kann fliehen und sie steht nur noch im engen Korsett da.
Peter Schamoni ist Produzent des Low-Budget-Kinohits, der mit über sechs Millionen Zuschauern in die Top Ten der erfolgreichsten deutschen Filme klettert. Von nun an produziert das Traumduo Spils und Enke selbst. Nach dem großen Erfolg von "Zur Sache Schätzchen" wird "Nicht fummeln, Liebling" gedreht:
Charly, der Berufspenner, fliegt bei seiner Freundin raus. Er zieht zu seinem Freund Harry, der in einer Kommune lebt. Doch Charly verweigert alles. Auch die Revoluzzer-Pose.
Ein klares Statement zur Zeit der Studentenunruhen. Ernsthafte Filmemacher rümpfen die Nase. Doch Spils liefert die charmante, deutsche Antwort auf die Nouvelle Vague und hält das Lebensgefühl ihrer Zeit fest.
Ihr letzter Film lief nur kurz in den Kinos
Danach folgen drei weitere Filme in Farbe. An die alten Erfolge können sie aber nicht mehr anknüpfen. Filmemacher Bernhard Marsch erinnert an die letzte Produktion "Mit mir nicht, du Knallkopp!"
"Der lief nur ganz kurz in den Kinos, die beiden waren so unzufrieden, dass sie ihn aus den Kinos rausnahmen. Befürchteten die Apokalypse, dass man die Fans vergraulen würde. Bisschen tragisch, weil die Unzufriedenheit über den Film keinen neuen Stoff zugelassen hat."
Spils und Enke, heute noch ein Paar, ziehen sich Anfang der 1980er-Jahre aus dem Filmgeschäft zurück: fünf Spielfilme in fünfzehn Jahren.
Bernhard Marsch hat im Kölner Filmclub 813 die erste komplette Retrospektive präsentiert. Für ihn hat das Traumduo einen festen Platz in der deutschen Filmgeschichte: "Sie haben etwas Bleibendes geschaffen auf ihre Art und Weise, sie haben die Zeit festgehalten, und die Filme altern nicht."