May stellt Kabinett vor

Brexit-Boris wird britischer Außenminister

Boris Johnson am 13. Juli 2016 in London.
Boris Johnson wird nächster britischer Außenminister. © EPA
Von Jens-Peter Marquardt |
Die neue britische Premierministerin Theresa May hat ihr Amt mit einer überraschenden Entscheidung angetreten: Boris Johnson, Anführer der Brexit-Kampagne bei den Konservativen, wird Außenminister. Seine Wahl gilt als Versuch, die Flügel der Tories wieder zu vereinen.
Es war noch hell in London, als Theresa May, kaum von der Queen zur Premierministerin ernannt, die wichtigsten Kabinettsposten besetzte. Und nicht ganz überraschend: Sie machte dabei den Versuch, Anhänger und Gegner der britischen EU-Mitgliedschaft durch Posten zu bedienen.
Ein Anhänger der EU erleichterte ihr dabei das Geschäft: George Osborne, der enge Vertraute David Camerons, zog sich aus dem Finanzressort und dem Kabinett zurück. So war der Job des Schatzkanzlers wie erwartet frei für Philip Hammond, den bisherigen Außenminister, der vor dem Referendum für den Verbleib Großbritanniens in der EU eingetreten war.

May will Gräben schließen

Seine Nachfolge dagegen ist eine Überraschung: Boris Johnson, der frühere Londoner Bürgermeister und Anführer der Brexit-Kampagne, ist der neue Außenminister. Johnson spricht mehrere Sprachen, hat früher als Korrespondent in Brüssel gearbeitet, hat aber bisher keine Kabinettserfahrung.
Hammond und Johnson - schon diese beiden Namen am Kabinettstisch machen deutlich: May will die Gräben, die das Referendum zumindest bei den Tories aufgerissen hat, schließen. May hat auch ein neues Ressort geschaffen, das Brexit-Ministerium, das David Davis führen wird, ein gemäßigter Parteiveteran aus dem Brexit-Lager.
Gleichzeitig machte May ihr Versprechen wahr, Frauen in Top-Jobs zu bringen. So wechselt Amber Rudd vom Energieministerium ins wichtige Innenministerium – sie wird damit eine entscheidende Rolle spielen, wenn die Briten in Brüssel über die künftige Zuwanderung aus EU-Staaten nach Großbritannien verhandeln.
Zuvor hatte May vor ihrem neuen Amtssitz ein paar politische Ziele umrissen. In Sachen EU blieb sie ziemlich schmallippig:
"Nach diesem Referendum stehen wir vor einer enormen Umwälzung unseres Landes. Aber wir sind Großbritannien. Und deshalb werden wir diese Herausforderung meistern. Wenn wir jetzt die Europäische Union verlassen, werden wir eine neue positive mutige Rolle für unser Land in der Welt erfinden."
Ins Detail ging die neue Premierministerin dabei nicht. Sie sagte nicht, ob sie dem Ratschlag ihres Vorgängers folgen werde. David Cameron hatte seiner Nachfolgerin im Parlament kurz vor seinem Abgang eine enge Anbindung des Landes an die EU ans Herz gelegt - im Interesse des Handels, der Zusammenarbeit und der Sicherheit Großbritanniens.
Der Kanal werde schließlich nicht breiter durch die Tatsache, dass Großbritannien aus der EU austrete – so Cameron, der jetzt aber keine Rolle mehr spielt.

Keine Blaupause für den Austritt

May hat dazu bisher nichts gesagt. Sie hat auch keine Blaupause für den Austritt. May und ihr Kabinett, mit sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen, und einem Außenminister Boris Johnson, den viele für unberechenbar halten, müssen sich jetzt erst einmal zusammen raufen.
Wahrscheinlich ahnte die neue Premierministerin das, als sie in der vergangenen Woche ankündigte, das offizielle Austrittschreiben in Brüssel nicht mehr in diesem Jahr zu überreichen.
Viel hängt natürlich von ihr selber ab, von ihrem Verhandlungsgeschick, das sie schon als Innenministerin in den vergangenen sechs Jahren beim Tauziehen mit den EU-Ressortkollegen in Brüssel bewiesen hat.
Und auch viel von dem Verhältnis zweier Pastorentöchter: Angela Merkel und Theresa May. Mays enge Freundin Catherine Meyer meint, das könnte etwas werden. Die neue Premierministerin sei eine sehr, sehr erfahrene Politikerin – die beiden würden plaudern und kichern und das ganze schon irgendwie regeln:
"They will sort it out."
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