Das Gespräch mit Maya Lasker-Wallfisch im englischen Original
Maya Lasker-Wallfisch: "Ich schreib euch aus Berlin"
Für Maya Lasker-Wallfisch sind die Briefe an ihre verstorbenen Großeltern nicht fiktiv, sondern eine ganz reale Kommunikation. © Stephan Pramme
Erzählungen ungelebter Leben
22:21 Minuten
Maya Lasker-Wallfisch hat einen Großteil ihrer Familie im Holocaust verloren. Mit 62 Jahren ist die Britin jetzt nach Deutschland gezogen. Über diese Erfahrung berichtet sie in "Ich schreib euch aus Berlin" mit Briefen an ihre ermordeten Großeltern.
Maya Lasker-Wallfisch ist die Tochter einer Holocaust-Überlebenden. Sie wurde 1958 in London geboren und hat ihr ganzes Leben in England verbracht. Dort entstand auch ihr Bestseller "Briefe nach Breslau", in dem sie ihren von den Nazis getöteten Großeltern Briefe geschrieben hat. Jetzt erscheint ihr neues Buch "Ich schreib euch aus Berlin: Rückkehr in ein neues Zuhause". Und wie der Titel schon sagt, ist die gelernte Psychotherapeutin mittlerweile in die Hauptstadt des Landes gezogen, das ihre Familie damals verfolgt und getötet hat.
Auch in ihrem zweiten Werk schreibt sie wieder Briefe an die verstorbenen Großeltern. Und auch, wenn diese natürlich nicht darauf antworten können, hilft diese Art Kommunikation Lasker-Wallfisch dabei, eine Verbindung zu ihrer Familie aufzubauen:
"Das meine ich jetzt nicht irgendwie esoterisch, sondern ich habe gemerkt, dass Konversation mit meinen Großeltern stattfinden konnte. Ich konnte ihnen sagen, wer ich bin, was ich tue und so weiter. Es hat sich sehr lebendig angefühlt, und das hat mir gezeigt, was ich wollte."
Die Suche nach unerzählten Geschichten
Diese Briefe haben auch dazu geführt, dass Lasker-Wallfisch nach Berlin gezogen ist. Denn als sie "Briefe nach Breslau" schrieb, sei sie in näheren Kontakt mit Deutschland gekommen und habe eine regelrechte Einladung verspürt, hier einen Platz einzunehmen, der der Autorin ihr Leben lang gefehlt habe, und sich auf die Suche nach unerzählten Geschichten zu begeben. Diese hat Lasker-Wallfisch auch zu NS-Gedenkstätten geführt. Besonders berührt und schockiert habe sie dabei der Bahnhof Grunewald:
"Die Tatsache, dass der Bahnhof so weiter in Betrieb ist und dieses Hübsche, was er ausstrahlt – das ist praktisch surreal. Dass da immer noch schöne Häuser von damals stehen, die mit bezeugten, wie diese Judentransporte stattgefunden haben, und dass die Leute hinter ihren Fenstern standen und die Vorhänge geschlossen haben. Und dass das Leben da so einerseits weitergeht und auf der anderen Seite Stillstand ist, das ist für mich sehr kraftvoll."
(hte)