Weniger Flüchtlinge, gleiche Armut
Härteres Vorgehen gegen Schlepper, abschreckende Abschiebungsbilder, Kontrollen an der Landesgrenze - so hat sich die Zahl der Flüchtlinge aus den Balkanstaaten stark verringert. Doch die Lebensumstände in Ländern wie Mazedonien oder Kosovo sind gleich geblieben: Armut und Chancenlosigkeit.
Im "Blechviertel" von Skopje ist Deutschland in aller Munde. Die meisten hier gehören der Minderheit der Roma an, haben Freunde und Verwandte, die in Deutschland leben, waren selbst schon für Monate oder Jahre dort; manche wollen es bald wieder in Richtung Deutschland versuchen.
"Ich habe einen Bruder in Deutschland, Schwester, Onkel, Tante."
"Deutschland ist mein Leben, mein alles. Deutschland ist besser."
Die Armut ist überall sichtbar in diesem Viertel der mazedonischen Hauptstadt. Vor den Häusern türmen sich Altwaren, das Sammeln und der Weiterverkauf von Alteisen, Elektrogeräten, gebrauchten Dingen aller Art ist für viele die einzige Einnahmequelle. Gelegenheitsjobs bringen meist nur drei, vier Euro am Tag, die Sozialhilfe beträgt, je nach Anzahl der Kinder, umgerechnet 20, 30 oder 40 Euro im Monat.
Irfan Mehmet ist 54, sein Sohn hat es mit Frau und sieben Kindern nach Deutschland geschafft. Jetzt warten sie auf ihren Asylbescheid, erzählt er. Höchstwahrscheinlich wird ihr Antrag abgelehnt. Auch Irfan Mehmet selbst hat vor Jahren in Deutschland gelebt, würde gern wieder hin, aber er weiß, dass Roma jetzt oft schon an der mazedonischen Grenze aus dem Bus geholt und zurückgeschickt werden.
"Am Ende fehlen einfach Arbeitsplätze"
Die Zahl der Armutsflüchtlinge Richtung Deutschland hat abgenommen in den vergangenen Monaten, sagt der Sprecher des mazedonischen Innenministeriums, Ivo Kotevski. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht.
"Wir haben ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen, etwa die Gesetze gegen Schlepper verschärft, die den Transport ganzer Gruppen organisieren. Und wir haben eine Reihe von Initiativen ergriffen, um die Lebensverhältnisse der Roma hier zu verbessern."
Im Blechviertel von Skopje leitet Stanu Blazevska ein Hilfszentrum für Roma-Kinder, finanziert von Unicef und der mazedonischen Regierung. Vor allem Kinder im Vorschulalter werden von der Straße geholt, hier betreut und unterrichtet.
"Ja, es wird seit einigen Jahren mehr für Roma getan", sagt sie, "es gibt Bildungs- und Stipendienprojekte. Bildung ist die einzige Hoffnung. Aber am Ende fehlen in Mazedonien einfach Arbeitsplätze."
Keine Chance auf einen Job
Ähnlich ist die Lage in Albanien, in Serbien, im Kosovo. Die deutsche Regierung hat Druck gemacht, dass die Behörden vor Ort weniger Menschen ausreisen lassen. Doch die Stimmung in der Bevölkerung bleibt schlecht. "Nur mit Beziehungen zu einer Regierungspartei hast Du überhaupt Chancen auf einen Job", sagt etwa der Koch Faton Latifi in einem Café in Pristina, der Hauptstadt des Kosovo.
"Wenn Du bist normal, Leute wie ich - kein Job, kein Garnichts. Überhaupt keine Chance für einen Job."
Faton Latifi hat wie Tausende andere versucht, mit seiner Familie nach Deutschland zu kommen, doch er wurde zurückgeschickt. Die verbreitete Stimmung im Kosovo ist, dass die gleichen korrupten Politiker immer weiter regieren, unterstützt von der Europäischen Union, sagt der Politikwissenschaftler Lulzim Peci.
"Die internationale Gemeinschaft stützt die Elite im Kosovo, weil sie vermeintlich Stabilität garantiert", sagt Peci. "Die meisten Menschen haben deshalb die Hoffnung verloren, hier etwas ändern zu können. Die Regierenden werden als unantastbar gesehen, weil sie stets ungestraft davonkommen."
Die Fernsehbilder von Abschiebungen aus Deutschland zeigen bei vielen Menschen hier Wirkung, doch die Ursachen für die Auswanderung, Armut und Perspektivlosigkeit, bleiben fast unverändert bestehen. Und es sind keineswegs nur Roma, die Ärmsten der Armen, die weg wollen aus dem Kosovo, sondern auch gut ausgebildete junge Leute, die nur in westeuropäischen Ländern eine Perspektive sehen, sagt Peci.
Sein Fazit gilt auch für andere Balkanländer: Deutschland müsste die Wirtschaftsentwicklung vor Ort stärker fördern und mehr Druck machen, dass die Regierungen hier selbst Reformen umsetzen. Nur das würde den Menschen Hoffnung machen, dass sich etwas ändert, so Peci.