Mbira-Spielerin Stella Chiweshe

"Manchmal spiele ich sogar für das Wasser"

Die Musikerin Stella Chiweshe bei einem Konzert in Berlin
Die Musikerin Stella Chiweshe bei einem Konzert in Berlin © imago / Votos-Roland Owsnitzki
Stella Chiweshe im Gespräch mit Carsten Beyer |
Die "Königin der Mbira" wird Stella Chiweshe aus Zimbabwe genannt, denn sie spielt das Instrument seit 40 Jahren. Es habe auch eine spirituelle Seite, sagt Chiweshe: "Es berührt jedes Lebewesen, nicht nur Menschen."
Carsten Beyer: Die Sängerin Stella Chiweshe aus Zimbabwe gehört seit mehr als 40 Jahren zu den wichtigen Persönlichkeiten der afrikanischen Musik. "The Queen of Mbira", so wird sie auch genannt - die Königin der Mbira, denn sie begleitet sich bei ihren Songs meist auf diesem Instrument, auch bekannt als Daumenklavier oder Lamellophon. Gut 20 Metallzungen, die über einen hölzernen Resonanzkörper gespannt sind und mit den Finger angeschlagen werden. Es ist wirklich beachtlich, was man damit alles anstellen kann. Wir hören mal einen kurzen Ausschnitt aus einem ihrer frühen Songs.
Stella Chiweshe und "Kasahwa" aus dem Jahr 1974: Das war ihre allererste Single. Über 40 Jahre ist diese Aufnahme alt und sie war viele Jahre lang praktisch nicht zu bekommen: In dieser Woche nun erscheint beim Weltmusiklabel glitterbeat eine CD, die auf die Anfänge der Karriere von Stella Chiweshe zurückschaut: "Kasahwa - The Early Singles" heißt sie und versammelt insgesamt acht Aufnahmen aus den Jahren 1974 bis 1983.
Kurz vor der Sendung war Stella Chiweshe bei uns im Funkhaus zu Gast, um uns ein bisschen was über dieses Album und über ihre lange Karriere zu erzählen – und dabei habe ich sie zunächst gefragt, ob sie sich noch erinnern kann, unter welchen Bedingungen diese frühen Aufnehmen entstanden sind?

Eine Stimme aus dem Himmel

Stella Chiweshe: Ich begann Musik aufzunehmen, weil ich eine Stimme hörte, die direkt aus dem Himmel zu mir sprach. Sie sagte mir, dass ich den Song "Kasahwa" sofort aufnehmen solle. Die Knochen der Menschen und die Seele der Erde bräuchten ihn dringend. Ich schaute mich um, ob noch irgendjemand sonst diese gewaltige Stimme gehört hatte, aber da war niemand.
Damals wusste ich noch gar nicht, wie das Aufnehmen einer Platte überhaupt funktioniert. Zum Glück traf ich einen Gitarristen, der schon etwas Erfahrung hatte. Ich erzählte ihm von meinen Plänen und er versprach mir, mich mit in ein Studio zu nehmen. Ich dachte, na, dann kann's ja losgehen! Aber der Produzent im Studio sah mich einfach nur an und fragte: "Kann ich Ihnen helfen?".
Ich sagte ihm, ich sei gekommen, um den Song "Kasahwa" aufzunehmen, weil die Seele der Erde ihn braucht. Aber er hat mich ausgelacht und meinte nur: "Weißt du, wir kennen dich nicht einmal, und was du hier aufnehmen willst, klingt echt verrückt. Das lässt sich doch überhaupt nicht verkaufen. Verschwende nicht meine Zeit!" Und dann rief er den nächsten rein."
Die Musikerin Stella Chiweshe in einem Studio von Deutschlandfunk Kultur
Die Musikerin Stella Chiweshe in einem Studio von Deutschlandfunk Kultur© Deutschlandradio / Matthias Horn
Beyer: Was Sie da damals gemacht haben, das war ja nicht nur musikalisch revolutionär, es war auch ein Aufbegehren gegen die patriarchalischen Verhältnisse in ihrer Heimat Zimbabwe - damals noch eine britische Kolonie, heute natürlich längst ein unabhängiger Staat. Ich habe gelesen, Sie hatten noch nicht mal ein eigenes Instrument, weil die für Frauen damals gar nicht gebaut wurden?

"Ich brauchte die Musik einfach zur Heilung meiner Seele"

Stella Chiweshe: Ja, es gab keine Mbiras für Frauen. Es war ja schon verboten, dass ich die Mbira überhaupt gespielt habe. Wenn man mich damit in der Stadt gesehen hätte, hätte man mich direkt ins Gefängnis gesperrt. Aber das war mir egal, weil ich diese Musik einfach zur Heilung meiner Seele gebraucht habe. Also, obwohl alle dagegen waren – die Männer, die Frauen, die Kirche und auch die Regierung – habe ich weiter die Mbira gespielt und einfach über die Kritiker gelacht.
Ich wollte nicht einsehen, dass ich nicht Mbira spielen darf, bloß weil ich eine Frau bin. Ich meine, ich habe zehn Finger an meinen Händen, genau wie die Männer. Also machte ich damals einfach weiter und ich lernte das Instrument zu spielen."
Beyer: Mittlerweile hat sich das ja zum Glück geändert und auch Frauen dürfen die Mbira spielen. Sie haben uns eine Mbira mitgebracht, werden uns nachher auch noch ein Stück darauf spielen. Aber vielleicht mal für alle diejenigen, die dieses Instrument noch nicht kennen: Was ist das Besondere daran? Auf was muss man beim Spielen achten?
Stella Chiweshe: Ja, wie spielt man dieses Instrument? Ich spiele es mit meinen beiden Daumen und dem rechten Zeigefinger. Mit den Daumen schlage ich die Zungen der Mbira nach unten an und mit dem Zeigefinger nach oben. Die Instrumentenbauer verwenden für die Zungen Metallsaiten oder Drähte. Die glätten sie, dann kürzen sie sie und befestigen sie auf einer Holzplatte von etwa zehn bis zwölf Zentimetern. Dann werden die Saiten gestimmt und das Instrument ist fertig.
Das Holz, aus dem die Mbira gebaut wird, ist von einem Baum namens Munwamaropa. Ropa bedeutet Blut. Wenn man diesen Baum anschneidet, dann blutet er fast wie ein Mensch. Es ist ein heilender Baum. Wenn wir uns nicht wohl fühlen, nehmen wir etwas vom Munwamaropa-Baum. Es gibt sogar einen Mythos, der besagt, dass bereits unsere Urahnen Munwamaropa-Holz gebraucht haben, um darauf Metalltasten anzubringen.

"Telefonleitung zu den Ahnen"

Beyer: Nun ist Mbira-Musik ja nicht einfach nur so ein bisschen singen und am Daumenklavier zupfen. In dieser Musik steckt sehr viel mehr, sie hat nämlich auch eine spirituelle Funktion. Ich habe mal gelesen: "Mbira-Musik ist wie eine Telefonleitung zu den Ahnen, zu den Elementen, den Steinen und den Vögeln". Stimmt das?
Stella Chiweshe: Ja das stimmt! Es ist wirklich wie ein Telefon. Es berührt jedes Lebewesen, nicht nur Menschen. Manchmal spiele ich sogar für das Wasser. Das Wasser braucht die Musik ebenso wie die Vögel. Manchmal gehe ich in den Grunewald und spiele nur für die Vögel – und sie kommen in Scharen!
Beyer: Stella Chiweshe, Sie haben jetzt Ihre neue Heimat schon angesprochen, Sie spielen auch im Grunewald. Sie pendeln immer zwischen Ihrer alten Heimat Simbabwe und Deutschland, wo Sie auch seit vielen Jahren leben. Wie reagieren denn die Deutschen auf diese Musik?

"Die meiste Zeit über habe ich die Mbira alleine gespielt"

Stella Chiweshe: Zunächst war ich es, die Probleme damit hatte, zu verstehen, warum ich eigentlich hier bin und vor Menschen spiele, die meine Sprache nicht verstehen und meine Musik nicht kennen. Dann aber sagte eine Stimme zu mir, dass die Leute es mit ihren Herzen verstehen, nicht mit ihren Ohren.
Ich schaute mir mein neues Publikum also ganz genau an und dachte daran, was die Stimme gesagt hatte. Und im selben Moment rückte das Publikum, das erst sehr weit weg stand, ganz nah an die Bühne heran.
Natürlich haben Leute immer mal wieder zu mir gesagt, dass ich eine Band bräuchte und mit anderen Musikern spielen sollte. Aber mir gefällt das nicht so gut. Die Mbira ist nicht dafür gemacht. Es ist wirklich ein Soloinstrument. Manchmal sind zwei oder drei oder auch fünf andere Mbiras zusammen – und das ist schon okay, aber die meiste Zeit über habe ich die Mbira alleine gespielt – seit ich acht Jahre alt bin. Es ist also ein bisschen wie eine Rückkehr zu mir selbst.
Beyer: Also eine Rückkehr zu den Wurzeln, die man jetzt auch nochmal nachhören kann auf dem Album "Kasahwa - The Early Singles". Dazu gibt es auch ein Record-Release-Konzert heute Abend im Yaam-Club in Berlin, 20 Uhr geht’s los. Für alle die da nicht dabei sein können, spielt uns Stella Chiweshe jetzt noch ein Stück auf ihrer Mbira. Was für ein Stück wird das sein, worum geht’s darin?
Stella Chiweshe: Maororo ist ein sehr fröhliches Stück und es macht den Kopf frei. Es fließt dahin, so wie das Wasser. Es gibt in Zimbabwe auch einen Fluss, der Maororo heißt. Die Mbira ist für mich in diesem Stück wie Wasser, das sich seinen weiten Weg zum Meer sucht. Deshalb ist es auch ein Stück für alle Lebewesen, weil sie im Innern aus Wasser bestehen."
Beyer: Stella Chiweshe, vielen Dank für den Besuch im Studio und viel Erfolg mit der neuen CD. "Kasahwa - The Early Singles" heißt sie und ist erschienen bei glitterbeat.
Stella Chiweshe: Thanks for having me!
Mehr zum Thema