Munitionsreste am Ostseestrand
In Mecklenburg-Vorpommern müssen einige Abschnitte der Ostseeküste mit Sand aus anderen Gebieten erneuert werden. Dieses "Aufspülen" geschieht auch mit Altmunition - das will der Umweltminister in Mecklenburg-Vorpommern künftig verhindern.
Metalldetektoren eines Munitionsbergungsdienstes piepsten vorigen Sommer acht Wochen lang am gesperrten Strand von Rerik und nun im Juni 13 Tage im Ostseebad Boltenhagen:
"Wir sondieren und suchen das Eisen und das Metall, und dann müssen wir mit dem Spaten nachgucken, wo das Zeug liegt. Und wenn nicht, kommt der Bagger."
In Rerik hatte man rund 1,5 Tonnen Altmunition gefunden, nun in Boltenhagen 30 Granaten sowie 165 Kilogramm Zünder und Munitionsreste. In beiden Fällen war der erodierte Strand 2013 mit Sand aus dem Trollegrund aufgespült worden. Ein Meeresgebiet vor Kühlungsborn, das als munitionsverseucht gilt, denn:
"Der Trollegrund, aus dem der Sand entnommen worden ist, liegt im Schießbereich einer Flak-Schule, die von 1934 an fast täglich 24 Stunden lang geschossen hat. Und die Munition und die Granatsplitter, die wir gefunden haben, entsprechen der Munition, die eine Flak-Schule verschießt."
Zwar lautet die Sprachregelung von Innen- und Umweltministerium, es sei nicht mehr nachzuvollziehen, ob die Munition von Boltenhagen tatsächlich aus dem aufgespülten Sand stammt. Dennoch muss sich der für den Küstenschutz zuständige Umweltminister Till Backhaus (SPD) ständig fragen lassen, warum das ihm unterstellte Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umweltschutz überhaupt Sand aus dem Trollegrund verwenden ließ.
Denn der eigene Leitfaden von 2012 besagt:
"Der für den Küstenschutz zu verwendende Sand muss (...) frei von jeglicher Verunreinigung mit Munition sein. Munitionsverdachtsflächen sind somit von vornherein als Entnahme-Gebiete für die Sandgewinnung ausgeschlossen."
"300.000 Tonnen Munition in der Ostsee"
Minister Till Backhaus ist sichtlich genervt und erklärt nun:
"Mecklenburg-Vorpommern ist ja mit der längsten Ostseeküste versehen und es gibt nach den Küstenschutzgrundsätzen des Landes eine ganz klare Aussage, dass bebaute Gebiete mit einem Ortskern zu schützen sind. Das heißt, wir brauchen jährlich 500.000 Kubikmeter Sand, um Menschenleben und Kapitalwerte zu schützen. Wenn das nicht mehr geht, und dieser Eindruck wird öffentlich ja erweckt, dann muss man auch erkennen, dass wir keine Küstenschutzmaßnahmen durchführen können. Die Konsequenzen müssen dann andere tragen."
Was das bedeutet, erklärte Backhaus gegenüber Deutschlandradio so: Er werde den Stecker ziehen, bis eine gerade erst mit dem CDU-Innenminister vereinbarte wissenschaftliche Studie über die bislang in MV praktizierte Munitionssuche in aufzuspülendem Ostseesand Klarheit schafft:
"Dieses Verfahren zur Aufspülung ist einmalig in Europa, dass hier sowohl das Absieben wie auch eine elektromagnetische Überprüfung stattfindet. Und jetzt will ich wissen, ob die Sicherheit gewährleistet ist, und dafür ist das Innenministerium zuständig. Und solange das nicht geklärt ist, werde ich keine Genehmigung mehr erteilen, dass überhaupt aufgespült wird."
Das kann dauern und soll seine Kritiker als Verhinderer von Küstenschutz dastehen lassen. Zugleich appelliert der Schweriner Umweltressortchef generell an die Innenminister von Bund und Ländern:
"Wir wissen, dass wir 300.000 Tonnen Munition in der Ostsee haben. Das Beste wäre, der Bund sucht ab. Das müsste eine Forderung nicht von mir sein, sondern vom Innenminister des Bundes und von den Länderministern, weil das nicht nur ein umweltpolitisches Problem ist, sondern auch ein sicherheitspolitisches.
Aber da ist man nicht bereit, über die Bundeswasserstraßen hinweg Absuchmaßnahmen und Bergungsarbeiten am Meeresgrund vorzunehmen. Deswegen hat Mecklenburg-Vorpommern ein Verfahren entwickelt durch den Munitionsbergungsdienst. Und das gilt es jetzt nochmal zu überprüfen."
Am Freitag befasst sich der Schweriner Landtag mit den Gefahren durch Munitionsaltlasten in der Ostsee.