Mecklenburg-Vorpommern

Ökolandbau-Betriebe werden immer größer

Blick aus einem Heissluftballon auf Getreidefelder bei Limburg, zwischen denen ein Traktor fährt, aufgenommen am 22.07.2008.
Landwirtschaft: Immer größer oder kann ein nur mittelgroßer Hof bestehen? © picture-alliance / dpa / Thomas Muncke
Von Silke Hasselmann |
Die konventionelle Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern setzt seit langem auf große Ackerflächen und Tierställe. Immer mehr, immer größer - dieser Trend dominiert nun auch den Bio-Anbau.
Westmecklenburg, drei Kilometer nördlich von Schwerin. Es ist morgens, kurz nach acht. Die Sonne taucht den "Biohof Medewege" in ein herrliches Licht. Auch schon eine Weile auf den Beinen: Stefan Weiß, in der Biohof-GbR zuständig für den Ackerbau.
"Ich bin 53 Jahre alt und seit zwanzig Jahren hier auf dem Hof Medewege. Wir befinden uns hier vor der Getreidehalle."
"Können wir da mal ganz kurz reingucken?"
"Da können wir reingucken, müssen allerdings einmal rumgehen hier."
"Na, dann machen wir das doch..."
Unterwegs erzählt der Landwirt, dass sie auf dem Hof Medewege derzeit 245 Hektar bewirtschaften, davon 50 Hektar Grünfläche. Tendenz: weiter wachsend. Dabei gehört niemandem hier auf dem Biohof auch nur ein Quadratzentimeter Boden. Alles gepachtet von der Stadt Schwerin, an die nach der Wende das gesamte Areal des ehemaligen Volkseigenen Gutes. des VEG gefallen war.
"Wir haben angefangen hier 1994 mit 40 Hektar. Das war die Fläche direkt hier am Hof, und für unsere damaligen Möglichkeiten war das auch schon viel. Im Jahr 2000 waren wir bei ungefähr 200 Hektar, und nun bekommen aber im Herbst noch einmal 70 Hektar dazu."
"Sehen Sie, dass das andere auch ähnlich machen oder sind Sie einer der wenigen Höfe, die sich mit der Zeit vergrößern?"
"Nö, also die Öko-Betriebe, die ich hier im Osten kenne - in der Tendenz ist es so, dass die in den letzten 15 Jahren schon immer ein bisschen gewachsen sind."
Einfahrt zum Hof Medewege.
Einfahrt zum Hof Medewege.© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Stefan Weiß öffnet die große Tür der Getreidehalle. Beim Hineingehen sagt er:
"Das nächste, was wir hier mal machen müssten, ist eine Entstaubung der ganzen Sache. Arbeit mit Getreide ist ja doch immer mit Staub verbunden...So, hier liegt jetzt das Getreide, das für das kommende Jahr reichen soll. Insgesamt 420 Tonnen etwa. Roggen. Weizen. Braugerste, die geht von hier aus nach Würzburg. Dort wird die gemälzt. Dann habe ich noch ein Gemenge aus Hafer, Lupinen und Leindotter. Dann lassen wir für unseren Hof hier zum Beispiel selber Öl pressen. Oder die Mengen, die darüber hinausgehen, verkaufen wir dann als Leindottersaat."
420 Tonnen Getreide - darauf kommen die zumeist deutlich kleineren Öko-Landbetriebe im Westen und Süden Deutschlands bei weitem nicht.
Mecklenburgs Agrarbetriebe sind meist größer als der Bundesdurchschnitt
Ortswechsel. Im mecklenburgischen Güstrow befindet sich der Hauptsitz von BIOPARK. Kerngeschäft: die Bewirtschaftung von Grünland, Mutterkühe, Bio-Eier. 1991 von 16 landwirtschaftlichen Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern gegründet, ist BIOPARK heute Deutschlands zweitgrößter ökologischer Anbauverband, sagt Mitbegründer Heinrich Graf von Bassewitz.
"BIOPARK ist ein Verband mit 'nur' etwa 700 landwirtschaftlichen Betrieben. Aber da sie weitestgehend im Norden und Nordosten unserer Republik liegen, sind es meistens größere Betriebe. Insofern reden wir über rund 130.000 Hektar."
Kurz nach der Wende hatte der studierte Landwirt den alten Familienbetrieb auf dem mecklenburgischen Gut Dalwitz zurückgepachtet und in den Verband BIOPARK eingebracht. Heute ist Heinrich Graf von Bassewitz unter anderem tätig als Aufsichtsratschef der BIOPARK Markt GmbH und als Bundesbeauftragter des Deutschen Bauernverbandes für den Ökologischen Landbau.
"Also erstmal ist es so: Die durchschnittliche Betriebsgröße der Bundesrepublik sind heute 57 Hektar. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 250 Hektar und die Bio-Betriebe von uns sind so bei 210 Hektar. Also deutlich größer als Betriebe in den alten Bundesländern."
Im Agrarland Bayern beträgt die durchschnittliche Betriebsgröße laut der jüngsten Agrarstatistik von 2014 sogar nur 31 Hektar. Derweil bewirtschaften allein in Mecklenburg-Vorpommern 16 Einzelbetriebe jeweils mehr als 1000 Hektar Acker- und Grünfläche.
Blick auf einen Schweinestall in Mecklenburg-Vorpommern.
Blick auf einen Schweinestall in Mecklenburg-Vorpommern.© Deutschlandradio / Silke Hasselmann
"Man kann es aber nicht 1:1 vergleichen. Wir haben schwache Böden. Wir haben sehr viel Grünland-Anteil in den Betrieben. Kann sein, dass man einen Mutterkuh-Betrieb hat, der hat 1000 Hektar Niedermoor-Grünland und ist eine Vater-Sohn-GbR. Die wissen nicht, wovon sie leben können. Und Sie haben 200 Hektar Boden in der Braunschweiger Börde; das geht seit vielen Generationen hervorragend. Also man kann die Flächen nicht immer miteinander vergleichen."
Dennoch lohnt sich ein weiterer Blick in die aktuellen Agrarstatistiken von Mecklenburg-Vorpommern und dem Freistaat Bayern. In Mecklenburg-Vorpommern bewirtschaften rund 720 Öko-Betriebe ca. 120.000 Hektar Land. In Bayern hingegen kümmern sich neunmal so viele Öko-Betriebe - nämlich 6.600 - um nicht einmal das Doppelte an Fläche (212.000 Hektar). In dem dünnbesiedelten Mecklenburg-Vorpommern kann man also besonders gut beobachten, wie DDR-Agrarstrukturen fortleben.
Um Menschen und Maschinen möglichst effektiv arbeiten zu lassen, setzte man in der DDR mit den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und den Volkseigenen Gütern (VEG) auf möglichst weite, zusammenhängende Acker- und Grünlandflächen sowie auf große Tierbestände pro Stallanlage. Nach der Wende standen folglich große Einheiten zum Verkauf durch die Treuhand, und vor allem westdeutsche und holländische Investoren machten oft gemeinsame Sache mit ehemaligen LPG-Vorsitzenden, um billig viel Land zu kaufen und es heute nahezu industriell zu bewirtschaften.
Das agrarpolitische Problem ist: Die meisten Produzenten sind keine bäuerlichen Betriebe mehr
Auch im Öko-Bereich konnten einige Investoren auf relativ große Flächen zurückgreifen, sagt Burkhard Roloff. Der Schweriner kümmert sich für den "Bund für Umwelt und Natur" (BUND) in Schwerin um nachhaltige Landwirtschaft. Er beobachtet, dass auch die großen Öko-Betriebe immer größer werden. Der Trend habe nun sogar mittelgroße Höfe zwischen 20 und 200 Hektar erfasst. Sie spezialisieren sich, und wenn die eigene Verarbeitung und Vermarktung der Produkte zu aufwendig werde, lassen sie es sein. Einerseits verständlich, sagt Burkhard Roloff. Aber:
"Das agrarpolitische Problem ist, dass es keine bäuerlichen Betriebe mehr sind. So ein Mutterkuh-Betrieb mit 2000 Hektar kommt gar nicht darauf, einen Hofladen zu machen. Wenn diese Betriebe eintausend oder zweitausend Mutterkühe halten, dann liefern sie die Tiere direkt an die Schlachtereien bzw. an die Verarbeitung. Wir haben festgestellt, dass gerade in den süd- und westdeutschen Ländern, dort, wo Bio brummt, sind es die bäuerlichen Betriebe, die da die Strukturen machen und in der Region für die Region da sind. Wir haben einmal die großen Betriebe. Die können, das ist der große Vorteil, den Lebensmitteleinzelhandel beliefern, können die großen Player bedienen mit großen Einheiten mit guter Ware auch von der Qualität her. Aber sie sind nicht regional, und das ist ja unser Anspruch eigentlich zu sagen, Bio und REGIONAL ist erste Wahl. Und das schließt sich leider aus."
Es sei denn, man wohnt in einem Ort mit einer "Edeka"-Kaufhalle. Diese Kette wird von der Erzeugergemeinschaft BIOPARK beliefert. Ansonsten bestätigt Aufsichtsratschef Heinrich Graf von Bassewitz den Trend zu "immer mehr, immer größer" auch im Öko-Bereich.
"Nur durch Größerwerden können wir einem zunehmenden Kostendruck wieder entweichen. Wir können es nicht durch mehr Produktion pro Hektar. Wir können es nur durch mehr Hektar, ja? Weil: Die Erträge sind halb so hoch wie im konventionellen Bereich und haben keine Tendenz zur Steigerung. Also wir können dann nur über größere Flächen dem Kostendruck ausweichen. Insofern werden auch unsere Betriebe, aber auch in den alten Bundesländern werden die Betriebe größer. Alle Betriebe werden größer, weltweit. Auch wenn wir die Bauernhof-Initiative angeleiert haben und sagen, alle Betriebe sollen kleiner werden. Sie werden trotzdem größer. Was dadurch aber zustande kommt, sind große zusammenhängende Flächen, die dann allein schon durch den ökologischen Landbau einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leisten."
Zurück auf dem Biohof Medewge bei Schwerin. Im Hofcafé ist bereits Betrieb.
"Ich weiß nicht, halb neun - vielleicht ist jetzt am Stall noch irgendwas los. Wir könnten da mal hingehen. Das sind ein paar Meter...".
Unterwegs zu den einhundert Kühen und rund 60 Schweinen erklärt Stefan Weiß:
"Wir ziehen nur so viele Schweine auf, wie wir auch selber vermarkten können. Also es ist selten, dass hier mal ein überregionaler Abnehmer sowas abnimmt. Die gehen alle über den Hausschlachter hier und werden dann über den Hofladen vermarktet."
Hier stimmt die Idee vom vielfältigen Hof für die Region mit Hausschlachter und Hofladen also noch. Andererseits wächst der Hof demnächst um weitere 70 Hektar auf dann 315 Hektar.
"Da ist schon was dran: Wenn man eine größere Einheit bewirtschaftet, dann hat man schon einen Kostenvorteil. Aber man kann nicht so einfach ins Unendliche wachsen. Das funktioniert nicht. Also gerade im Ökolandbau funktioniert das nicht, weil eine angepasste Tierhaltung dazu gehört, wenn das langfristig funktionieren soll. Man muss in der Lage sein, dem einzelnen Tier dann immer noch gerecht zu werden."
Und es gibt noch eine Grenze - zumindest für kleine und mittlere Betriebe, sagt der Medeweger Ackerbauer: die Bodenpreise.
"Wenn man kein Eigenland hat und sich auf dem Pachtmarkt Land zusammenpachten muss, ist es schon wesentlich schwieriger, weil die Pachtpreise immer weiter steigen. Da hebt sich das, was man mehr an Flächen bekommt - also der Vorteil wird wieder aufgefressen sozusagen. Wenn man jetzt einen Hektar für 30.000 Euro kaufen muss - das sind ja zurzeit in etwa die Preise hier -, das kann man eigentlich mit Landwirtschaft nicht wieder verdienen. Also nicht in einer Generation. Es wird ja auch von der Politik her gesagt, wir wollen den Ökolandbau fördern. Die Prämien steigen wieder oder so. Aber das wissen alle: Die Bodenpreise steigen. Die Pachten steigen. Und irgendwie ist das ein Hamsterrad. Das holt sich alles wieder ein."
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