Warum Ackerflächen so teuer geworden sind
Im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer sind die Kauf- und Pachtpreis für Ackerflächen in Mecklenburg-Vorpommern mit Abstand die höchsten. Mit dafür verantwortlich sind Biogasbauern und Großinvestoren, die bisher nichts mit Landwirtschaft am Hut hatten.
Nur wenige Kilometer von Güstrow entfernt inmitten von Wald und Feldern gelegen: Das Domgut Dehmen mit 3000 Puten, mit Rindern, Schweinen und drei Hähnchenanlagen. "Alles Bio", sagt Geschäftsführer Martin Bohn bei einer Hofbesichtigung im Kremser.
Mit auf dem hohen Wagen: Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus von der SPD. Eine gute Gelegenheit für Martin Bohn, eines der drängendsten Probleme der heimischen Landwirte anzusprechen: die Explosion der Bodenpreise.
"Das ist natürlich ein Kampf um Flächen. Jedes Jahr gehen einige LPGs – oder alte LGPs – über den Tisch des Notars. Und alle wissen, dass große Investoren, die gar nicht aus der Landwirtschaft kommen, ihr Geld in der Landwirtschaft anlegen."
Wer heutzutage landwirtschaftliche Nutzflächen kaufen will, muss hier neun Mal so viel berappen wie noch 1995, nämlich durchschnittlich 23.000 bis 25.000 Euro pro Hektar Acker und ca. 8.000 Euro pro Hektar Wiese. Auch die Pacht fällt entsprechend saftig aus, bis zu 480 Euro pro Hektar und Jahr derzeit.
Gott sei Dank bewirtschafte die Domgut Dehmen GmbH bereits 250 Hektar Acker- und 180 Hektar Grünland zu überwiegend fairen Bedingungen, sagt Geschäftsführer Martin Bohn.
"Wir haben ja hier das Glück, dass wir einen langfristigen Pachtvertrag mit der Domgemeinde haben über zwanzig Jahre und verhandeln momentan über eine Ergänzung von dreißig Jahren. Drüben in Parchim, Severin, Friedrichsruh sieht es anders aus. Da haben wir Flächen von der BVVG, von Privaten und von der Landgesellschaft."
Gesetz zwingt zum Verkauf an Meistbietenden
Dass Privateigentümer ihre Flächen meistbietend veräußern wollen – geschenkt, sagt Martin Bohn. Doch die Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft GmbH des Bundes schlägt ähnlich zu. Als Nachfolgerin der Treuhandgesellschaft privatisiert sie auf dem Gebiet der früheren DDR ehedem volkseigene land- und forstwirtschaftliche Flächen. Seit 1992 hat der Bund allein in Mecklenburg-Vorpommern ca. 330.000 Hektar verkaufen lassen, und die BVVG lässt weiterhin nur die Höchstgebote zum Zuge kommen. Ein Jammer, klagt der altgediente Schweriner Agrarminister Till Backhaus.
"Die sind gezwungen durch ein Gesetz, das leider die Volkskammer noch beschlossen hat. Da war ich im Übrigen dagegen, dass die Flächen erstens privatisiert werden. Denn Grund und Boden kann man nur einmal verkaufen; das ist eines der wertvollsten Güter, die die Allgemeinheit besitzt. Da hat das eigentliche Desaster schon angefangen. Und auf der anderen Seiten haben sie einen ganz klaren Grundsatz: Sie müssen meistbietend verkaufen, weil der Bundesfinanzminister Geld sehen will."
Dem Land wiederum gehören fast zehn Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Wer die bewirtschaften darf, entscheidet die "Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH".
Backhaus: "Wir haben ja als Land entschieden, dass die landeseigenen Flächen – das sind 80.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzflächen –, dass die nicht verkauft werden. Genau wie 250.000 Hektar Wald, die dem Staat – also uns allen, dem Volk – gehören, werden nicht verkauft. Wir kaufen eher sogar nochmal was zu. Für uns gilt der Grundsatz: Wir wollen langfristig verpachten. Und da machen wir dann eben auch Abstriche bei den Preisen."
Martin Bohn: "Also die Landgesellschaft hat aus meiner Sicht sehr faire Pachtbedingungen. Das geht nach Bodenpunkten, je Bodenpunkt ein fester Betrag. Das ist deutlich unter dem, was die BVVG aufruft und deutlich unter dem, was große Investoren aufrufen, wenn sie was gekauft haben und weiterverpachten."
Autorin: "Das heißt: Wie teuer wäre hier im Moment so ein Hektar?"
Martin Bohn: "Zum Verkaufen? Ich schätze, die Flächen könnte man sicher für Beträge zwischen siebzehn- und zweiundzwanzigtausend Euro je Hektar veräußern. Also die Preise – sowohl Kauf also auch Pacht–, die da teilweise aufgerufen werden, wären von einem Betrieb wie diesem nicht zu stemmen."
Und das, obwohl die Böden in der Umgebung von Dehmen nur 24 bis 26 von 100 möglichen Bodenpunkten erreichen.
Preistreiberei begann mit Finanzmarktcrash vor zehn Jahren
Zu Besuch im Umweltamt des Landkreises Vorpommern-Greifswald. Peter Markgraf lebt im vorpommerschen Jatznick, ist Landwirt und beobachtet den Bodenmarkt im Land nebenher auch für die landeseigene Stiftung Umwelt und Natur. Nun will er in der Anklamer Behörde ein Problem um Ackerflächen klären, die als ökologische Ausgleichsflächen in Frage kommen.
Der Weg zurück führt ihn über die B 109. Links und rechts, soweit das Auge reicht: Grünland und Felder, auf denen noch Mais steht oder schon Zwischenfrüchte wachsen. Mittelguter Boden, weiß der Landwirt und erzählt, wie ein Kauf- bzw. entsprechend umgelegter Pachtpreis betriebswirtschaftlich korrekt ermittelt werden müsste. Der Bodenpreis richte sich nämlich nach der bestmöglichen Ertragsfähigkeit des Bodens über einen Zeitraum von 20 oder 25 Jahren. Für mittelgutes Land wie dieses wäre ein Gewinn von 7000 bis 8000 Euro pro Hektar drin, und das müsste der Kaufpreis sein. Eigentlich. Denn:
"Mehr lässt sich in 25 Jahren bei guten Ernten nicht erwirtschaften. So, warum wird jetzt aber mehr als das Doppelte auf dem Markt verlangt? 16.000, 20.000, 25.000 Euro für mittleres Ackerland?"
Nicht etwa, weil es immer weniger Ackerflächen in MV gäbe und oder viele Konkurrenten. Im Gegenteil: Immer mehr kleine Betriebe müssten auch wegen der hohen Pachtpreise aufgeben, so Peter Markgraf.
Die extreme Preistreiberei habe vielmehr nach dem Finanzmarktcrash vor zehn Jahren begonnen. Damals verschwand in unglaublichen Größenordnungen Kapital im digitalen Nichts. Die Lehre daraus: Man wandle fiktives, weil nur am Computer generiertes Geld rechtzeitig in tatsächlich vorhandene Werte wie Ackerboden.
"Da spielt der Preis keine Rolle. So ähnlich wie bei einem Gemälde oder einem Fußballer. Das ist also eine reine Kapitalflucht aus der fiktiven Welt des Computerkapitals der Märkte in die reale Welt der physischen Materialien."
Viessmann baut Mais an
Auch auf dem Bodenmarkt in Mecklenburg Vorpommern tummeln sich etliche landwirtschaftsfremde Großinvestoren. Dabei dürfen landwirtschaftliche Nutzflächen nur an Bauern oder Agrarbetriebe verkauft werden. Der Trick, so Peter Markgraf:
"Wir fahren jetzt übrigens durch Ducherow, wo eine bekannte deutsche Sanitärfirma, die mit 'V' anfängt – Viessmann –, oder die Besitzer dieser Firma sich eingekauft haben in die Landwirtschaft. Erstmal früher über einen Strohmann, den ehemaligen LPG-Vorsitzenden, der das umgewandelt hat in ein Geflecht von GmbHs, Holdings und Aktienunternehmen. Dessen Struktur wurde dann durch nichtlandwirtschaftliches Kapital – nämlich dieser Firma Viessmann – übernommen. Jetzt tritt aber nicht diese Firma auf beim Bodenkauf, sondern einer dieser Agrarbetriebe, die am Ende aber alle zu dem Konzern gehören. Also die Firma baut jetzt nicht nur Klo-Becken, sondern meinetwegen auch Mais."
Womit der zweite entscheidende Preistreiber angesprochen ist: die Biogas-Bauern. Es sei ja so, sagt Peter Markgraf: Viele Landwirte müssen in Ermangelung an Eigentum Land pachten. Die Preise für eine Neuverpachtung sind aber zumindest auf den Bundesflächen der BVVG und auf den Privatäckern an die hohen Kaufpreise gekoppelt und betragen derzeit in MV im Schnitt 400 bis 480 Euro pro Hektar und Jahr. So viel werfen die Flächen bei einer klassischen bäuerlichen Bewirtschaftung niemals ab, sagt Bauer Markgraf. Doch das Bundesgesetz für Erneuerbare Energien (EEG) sorge dafür, dass Strom aus Biogas hoch subventioniert wird. Eine politische Fehlsteuerung mit gravierenden Folgen, denn:
"Eine ganz fragwürdige Methode, um Gewinne auf Ackerflächen zu erzielen, ist ja der Anbau von Mais für Silage, die in den Biogas-Anlagen verfeuert wird. Denn der Strom, der hinten rauskommt mit einem Wirkungsgrad von 4 Prozent – also lächerlich; ein Fahrradfahrer ist effektiver – also dieser Strom wird über Umlage EEG-Gesetz ganz teuer subventioniert. Es gibt eine Doppelförderung. Er erhält eine Flächensubvention auf den Maisacker und die Einspeisevergütung für den Strom. Und dadurch wäre er in der Lage, noch 400, 450 Euro Pacht mit plus/minus Null aufzubringen. Das heißt, diese Biogas-Bauern haben erst mal primär dazu beigetragen, dass die Pachtpreise so hoch gehen konnten."
Backhaus will junge Landwirte fördern
Derweil hofft der Schweriner Landwirtschaftsminister, schon bald etwas Druck aus dem Bodenmarkt nehmen zu können. Noch sitzt die BVVG in Mecklenburg-Vorpommern auf ca. 54.000 Hektar Nutzfläche, will aber zum Jahresende 13.000 Hektar auf das Land übertragen. Wenn es klappt, stünden diese Flächen schon mal nicht zum Verkauf, sondern würden das Angebot an Pachtflächen erweitern. Eine gute Nachricht vor allem für Jung-Landwirte, sagt Till Backhaus:
"Für uns gilt der Grundsatz: Wir wollen langfristig verpachten. Wir haben bestimmte Kriterien. Das eine ist ganz klar: Öko-Landwirtschaft. Das zweite ist: Möglichst viele Menschen beschäftigen auf der Fläche. Und das dritte ist: Jungen Leute eine Chance geben. Und da machen wir dann eben auch Abstrichen bei den Preisen."