Medienbranche beim Umgang mit Alten "etwas hilflos"
Jeder altert anders. Das haben mittlerweile auch Medien und Werbung verstanden, lobt die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm. Sie sieht aber trotzdem noch Handlungsbedarf, besonders, wenn es um die Geschlechterrollen geht.
Britta Bürger: "Im Prinzip ist das Alter bei uns erlaubt, es wird nur nicht gern gesehen" – Dieter Hildebrandt hat mal im "Scheibenwischer" auf den Punkt gebracht, womit sich Politiker, Sozialforscher und die Medien mehr und mehr befassen müssen. So auch ab heute bei einem Kongress in Frankfurt in Main zur Frage, "Wie wollen wir leben? – Zukunftsentwürfe für eine alternde Gesellschaft". Dort soll es auch um die Frage gehen, wie das Bild des Alters und des Alterns sich durch die demografische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt gewandelt hat. Mit dabei ist die Bonner Medienwissenschaftlerin Caja Thimm, die unter anderem auch schon am sechsten Altenbericht der Bundesregierung mitgearbeitet hat. Schönen guten Tag, Frau Thimm!
Caja Thimm: Guten Tag!
Bürger: Wir kennen die Bilder der besonders attraktiven, weißhaarigen Models, der agilen Rentner beim Sport oder auf Reisen. Und auf der anderen Seite die Porträts von hilfsbedürftigen, hinfälligen alten Menschen, die zum Beispiel in einer Kampagne der Diakonie gezeigt werden mit den Worten "Berühr mich", "Sprich mit mir" oder "Bete mit mir". Täuscht der Eindruck oder geht die Schere der vorhandenen Altersbilder eigentlich immer weiter auseinander?
Thimm: Also, was wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist eine Entwicklung hin – und das darf man durchaus mal positiv erwähnen – zu mehr Differenzierung in den Medien, also auch in der Werbung. Wenn wir also früher das klassische Bild hatten, das kennen Sie sicherlich auch, das des Treppenlifts mit älteren Personen, die hinfällig sozusagen dargestellt wurden, kann man doch eine größere Differenzierung beobachten.
Allerdings lässt sich feststellen, dass die Medien und auch die Medienbranche doch etwas hilflos ist, weil sie selber gar nicht so genau wissen, wie verbildlicht man denn Alter. Und das ist ja auch nicht ganz einfach.
Bürger: Warum ist das so schwierig? Jeder kennt alte Menschen und kennt sie in ihrer Vielfältigkeit.
Thimm: Aber dann sind Sie natürlich gleich sozusagen wieder bei dem, was Sie gesagt haben, der fitten älteren Generation, weil die natürlich auch dominant eher im Moment das Bild bestimmt. Und ich glaube, was – da würde ich vielleicht doch einige sogar fast verteidigen –, also gerade diese Kampagne von der Diakonie, die es, wie ich finde, mutig gewagt hat, auch zu zeigen, dass Alter bei aller positiven Betrachtung über Potenziale, das war der Titel des fünften Altenberichts beispielsweise, natürlich auch Seiten hat, die gesellschaftliches Engagement und auch unter anderem staatliche Hilfen benötigen.
Bürger: Bleiben wir noch mal kurz bei den fitten Alten. Diese Zielgruppe, die wurde doch vor allem von der Werbung entdeckt, oder? Die silbernen Konsumenten.
Thimm: Also, es hat lange gedauert, muss man dazu sagen. Es gibt eine interessante Forschungsstudie, die gezeigt hat, dass beispielsweise einige Unternehmen zunächst mal in der Schweiz als einem sehr alterstoleranten Markt bestimmte Produkte getestet haben, um sich sozusagen ihr jugendliches Image nicht zu verderben. Also sehr interessant, man hat wirklich die Sorge gehabt, in Deutschland ist man nicht so tolerant gegenüber dem Alter. Das war so Ende der 90er-Jahre noch der Fall.
Das hat sich heute sehr stark geändert, da haben Sie vollständig recht. Der Markt hat die Älteren als Konsumenten ganz klar entdeckt und stellt auch inzwischen ja schon Produkte darauf ab.
Bürger: Ja, aber 92 Prozent der Produktwerbung, habe ich gelesen, in denen solch fitte alte Menschen gezeigt werden, die richtet sich dann eigentlich doch auf Medikamente und medizinischen Bedarf. Das heißt, hier werden eigentlich die vorhandenen Schwächen alternder Menschen angesprochen, aber das spiegelt sich nicht in den Bildern.
Thimm: Ganz genau! Ganz genau – das ist ja auch die Kritik, die wir in verschiedenen Studien zum Beispiel auch, übrigens nicht nur an der Werbung, sondern auch an den redaktionellen Bildern, die ja sozusagen noch mehr der Kontrolle des journalistischen Arbeitens unterliegen. Auch da findet man, wenn Sie da mal in die Tageszeitung gucken, dann eher Berichterstattung über die Eröffnung von Seniorenheimen, über irgendwelche Sonderaktionen für Ältere, um sie fit zu halten. Also das Motto des Bedürftigen, des sozusagen Defizitären schwingt sich immer noch vollständig durch die meiste Medienberichterstattung, die wir haben.
Bürger: Noch relativ neu ist der offenere Umgang mit dem Thema Altern und Sexualität. Es gab ja dazu einige engagierte Kinofilme, aber jetzt auch in der Werbung, vor allem bei den Pharmakonzernen, sieht man zum Beispiel alte Liebespaare. Alte, nackte, zärtliche Körper – ist damit das letzte Tabu gefallen?
Thimm: Ich werde das heute Nachmittag in meinem Vortrag, der übrigens in Frankfurt stattfindet, wenn ich das kurz anmerken darf, die Tagung ist nämlich in Frankfurt, von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert, auch erwähnen. Also ich habe mich seit vielen Jahren mit der Frage beschäftigt, warum Sexualität so vollständig tabuisiert ist. Die Antwort ist eigentlich relativ klar, das ist der Teil, der jung, lebendig, auf Zukunft gerichtet ist, und man hat den Älteren das gar nicht zugetraut.
Und ich finde es ausgesprochen erstaunlich und auch sehr positiv, dass darüber berichtet wird, allerdings muss man auch sagen, teilweise mit, ich sag jetzt mal, einer gewissen Schlagseite, die dann doch einen zunächst erstmal ein bisschen, ich sag mal, kritisch stimmt. Aber die Grundthese, dass das überhaupt Thema sein darf und dass die ältere Generation, zu der ich mich übrigens mit über 50 natürlich auch schon rechne, dieses Thema für sich auch wieder entdecken kann, das dürfte noch ein weiter Weg sein.
Caja Thimm: Guten Tag!
Bürger: Wir kennen die Bilder der besonders attraktiven, weißhaarigen Models, der agilen Rentner beim Sport oder auf Reisen. Und auf der anderen Seite die Porträts von hilfsbedürftigen, hinfälligen alten Menschen, die zum Beispiel in einer Kampagne der Diakonie gezeigt werden mit den Worten "Berühr mich", "Sprich mit mir" oder "Bete mit mir". Täuscht der Eindruck oder geht die Schere der vorhandenen Altersbilder eigentlich immer weiter auseinander?
Thimm: Also, was wir in den letzten Jahren gesehen haben, ist eine Entwicklung hin – und das darf man durchaus mal positiv erwähnen – zu mehr Differenzierung in den Medien, also auch in der Werbung. Wenn wir also früher das klassische Bild hatten, das kennen Sie sicherlich auch, das des Treppenlifts mit älteren Personen, die hinfällig sozusagen dargestellt wurden, kann man doch eine größere Differenzierung beobachten.
Allerdings lässt sich feststellen, dass die Medien und auch die Medienbranche doch etwas hilflos ist, weil sie selber gar nicht so genau wissen, wie verbildlicht man denn Alter. Und das ist ja auch nicht ganz einfach.
Bürger: Warum ist das so schwierig? Jeder kennt alte Menschen und kennt sie in ihrer Vielfältigkeit.
Thimm: Aber dann sind Sie natürlich gleich sozusagen wieder bei dem, was Sie gesagt haben, der fitten älteren Generation, weil die natürlich auch dominant eher im Moment das Bild bestimmt. Und ich glaube, was – da würde ich vielleicht doch einige sogar fast verteidigen –, also gerade diese Kampagne von der Diakonie, die es, wie ich finde, mutig gewagt hat, auch zu zeigen, dass Alter bei aller positiven Betrachtung über Potenziale, das war der Titel des fünften Altenberichts beispielsweise, natürlich auch Seiten hat, die gesellschaftliches Engagement und auch unter anderem staatliche Hilfen benötigen.
Bürger: Bleiben wir noch mal kurz bei den fitten Alten. Diese Zielgruppe, die wurde doch vor allem von der Werbung entdeckt, oder? Die silbernen Konsumenten.
Thimm: Also, es hat lange gedauert, muss man dazu sagen. Es gibt eine interessante Forschungsstudie, die gezeigt hat, dass beispielsweise einige Unternehmen zunächst mal in der Schweiz als einem sehr alterstoleranten Markt bestimmte Produkte getestet haben, um sich sozusagen ihr jugendliches Image nicht zu verderben. Also sehr interessant, man hat wirklich die Sorge gehabt, in Deutschland ist man nicht so tolerant gegenüber dem Alter. Das war so Ende der 90er-Jahre noch der Fall.
Das hat sich heute sehr stark geändert, da haben Sie vollständig recht. Der Markt hat die Älteren als Konsumenten ganz klar entdeckt und stellt auch inzwischen ja schon Produkte darauf ab.
Bürger: Ja, aber 92 Prozent der Produktwerbung, habe ich gelesen, in denen solch fitte alte Menschen gezeigt werden, die richtet sich dann eigentlich doch auf Medikamente und medizinischen Bedarf. Das heißt, hier werden eigentlich die vorhandenen Schwächen alternder Menschen angesprochen, aber das spiegelt sich nicht in den Bildern.
Thimm: Ganz genau! Ganz genau – das ist ja auch die Kritik, die wir in verschiedenen Studien zum Beispiel auch, übrigens nicht nur an der Werbung, sondern auch an den redaktionellen Bildern, die ja sozusagen noch mehr der Kontrolle des journalistischen Arbeitens unterliegen. Auch da findet man, wenn Sie da mal in die Tageszeitung gucken, dann eher Berichterstattung über die Eröffnung von Seniorenheimen, über irgendwelche Sonderaktionen für Ältere, um sie fit zu halten. Also das Motto des Bedürftigen, des sozusagen Defizitären schwingt sich immer noch vollständig durch die meiste Medienberichterstattung, die wir haben.
Bürger: Noch relativ neu ist der offenere Umgang mit dem Thema Altern und Sexualität. Es gab ja dazu einige engagierte Kinofilme, aber jetzt auch in der Werbung, vor allem bei den Pharmakonzernen, sieht man zum Beispiel alte Liebespaare. Alte, nackte, zärtliche Körper – ist damit das letzte Tabu gefallen?
Thimm: Ich werde das heute Nachmittag in meinem Vortrag, der übrigens in Frankfurt stattfindet, wenn ich das kurz anmerken darf, die Tagung ist nämlich in Frankfurt, von der Bundeszentrale für politische Bildung organisiert, auch erwähnen. Also ich habe mich seit vielen Jahren mit der Frage beschäftigt, warum Sexualität so vollständig tabuisiert ist. Die Antwort ist eigentlich relativ klar, das ist der Teil, der jung, lebendig, auf Zukunft gerichtet ist, und man hat den Älteren das gar nicht zugetraut.
Und ich finde es ausgesprochen erstaunlich und auch sehr positiv, dass darüber berichtet wird, allerdings muss man auch sagen, teilweise mit, ich sag jetzt mal, einer gewissen Schlagseite, die dann doch einen zunächst erstmal ein bisschen, ich sag mal, kritisch stimmt. Aber die Grundthese, dass das überhaupt Thema sein darf und dass die ältere Generation, zu der ich mich übrigens mit über 50 natürlich auch schon rechne, dieses Thema für sich auch wieder entdecken kann, das dürfte noch ein weiter Weg sein.
Ältere Menschen sind irritert
Bürger: Wie werden alternde Menschen in den Medien gezeigt und in der Werbung? Mit dieser Frage befasst sich die Bonner Medienwissenschaftlerin Caja Thimm ab heute auch auf einem Kongress in Frankfurt und jetzt hier bei uns im Deutschlandradio Kultur. Frau Thimm, wie wirken diese Bilder denn eigentlich auf die alten Menschen selbst? Was haben Sie darüber herausgefunden? Stimmen die tatsächlich mit dem Lebensgefühl überein?
Thimm: Also zunächst erstmal finden ältere Menschen es ausgesprochen irritierend. Und es gibt eine Tendenz, die würde ich gern nochmal kurz erwähnen, nämlich diese wirklich Überdarstellung des männlich, positiv alternden Menschen, das sind meistens die schicken älteren Herren, die also die Zeitungstitel schmücken, weniger die Frauen. Da gibt es also eine ganz, ganz klare Spaltung zwischen dem männlich positiv besetzen Altern und dem nach wie vor eher kritisch gesehenen weiblichen Alter.
Aber es gibt eine Tendenz, die viele Ältere uns berichtet haben, dass sie in Stress geraten. Dass diese Bilder des ewig jungen, fitten und auch für Ehrenamt einsetzbaren Älteren sie stresst, sie belastet und dass viele sagen, wir wollen einfach gut älter werden, lasst uns doch mit diesen vielen Anforderungen einfach auch in Ruhe, wir haben uns unseren Ruhestand verdient. Also diese Perspektive gibt es nämlich auch.
Bürger: Was anscheinend vollkommen fehlt, ist so was wie das Potenzial alter Menschen, also Leitbilder wie Kompetenz, Erfahrung, Weisheit, Gelassenheit, Reife. In welcher Weise ließen sich solche Bilder stärker in die Gesellschaft einbringen?
Thimm: Auch da kann ich Ihnen nur zustimmen. Also das findet man ganz selten. Wir sind wirklich regelrecht auf der Suche. Ich hab ja seit 25 Jahren hier ein Archiv, wo ich also Printmedien und auch inzwischen Onlinemedien auswerte nach diesen Altersbildern. Es gibt natürlich Einrichtungen wie zum Beispiel die – man nennt die die "Silver Entrepreneurs", also Ältere, die sich noch mal selbstständig machen, die ganz neu beginnen, die auch nach der Rente einfach jetzt nicht zu Hause bleiben wollen, die findet man ausgesprochen selten, und da – kann ich noch mal sagen – fast keine Frauen, die ihre auch beruflichen Erfahrungen oder in anderer Form weitergeben. Sondern die sind dann eher in der Nachbarschaftshilfe tätig. Und die hat natürlich wenig mediales Interesse bisher hervorgerufen.
Bürger: Auf der anderen Seite gibt es eben diese negativen Bilder, Bilder von demenzkranken, von pflegebedürftigen Menschen sehen wir fast täglich in den Tageszeitungen, meist im Zusammenhang mit negativer Berichterstattung über Pflegenotstand, Sozialkürzungen. Würden Sie sagen, auch das ist das Lüften eines Tabus, dass man diese Menschen jetzt einfach in ihrer Bedürftigkeit zeigt, oder steckt darin auch eine Form der Stigmatisierung, der Diskriminierung, der Abwertung?
Thimm: Also das Thema Demenz ist extrem heikel. Das muss man wirklich, sowohl auf der politischen Ebene als auch natürlich auf der kommunikativen Ebene. Wie kommuniziere ich das, ohne zu diffamieren. Ohne beispielsweise auch die Angehörigen, oder ohne auch diese Zielgruppe in irgendeiner Form zu verletzen. Das ist, muss man zugeben, nicht ganz einfach. Ich glaube, wie gesagt, dass die – es gibt ja keine Phase des Lebens, die heterogener ist als Altern. Keiner wird gleich alt wie der Andere. Wir unterscheiden uns alle ganz massiv.
Und diese Vielfältigkeit des Alterns, die eben wiegesagt durchaus auch in Krankheit und in Beeinträchtigung natürlich manifestiert ist, die abzubilden, ich glaube, das ist eine große Aufgabe für die journalistische Medienberichterstattung. Und die ist eigentlich das, was wir uns sehr wünschen, dass die eben genau diese Themen, die natürlich von der Werbung jetzt mal aus durchaus einsichtigen Gründen nicht kommuniziert werden, dass da im Journalismus doch ein bisschen mehr passiert, das würden wir Altersforscher uns wünschen.
Bürger: Sie befassen sich in Ihren Forschungen ja auch viel mit den Neuen Medien, die ja heutzutage auch schon umfangreich von älteren Menschen genutzt werden. Spiegelt sich das auch schon in den Bildern?
Thimm: Noch nicht. Noch nicht. Also wir sind jetzt auf der Suche. Es gibt ein paar erste Werbespots, wo wir auch Ältere – Männer übrigens natürlich dann wieder – haben, die kompetent mit zum Beispiel Handys umgehen. Dieser Markt ist groß, ja, Senioren nutzen Handys übrigens genauso gerne wie die jüngere Generation, da gibt es relativ wenige Unterschiede.
Was wir aber sehen, ist, dass viele Ältere doch noch ein bisschen zurückschrecken vor dem Internet. Die Zahlen sind natürlich längst nicht so hoch wie bei den Jüngeren. Da sind wir ja inzwischen bei 80, 90 Prozent. Bei den Älteren sind wir so um die 30 inzwischen angelangt. Aber auch das wird vielfältig genutzt, wir haben eine Studie gemacht, zum Beispiel suchen Ältere genauso ihren neuen Partner im Netz, chatten, machen Onlinebanking, sind ein bisschen sicherheitsbewusster als die Jüngeren. Das ist ja angesichts der Datendebatte auch nicht schlecht. Aber sie sind auf jeden Fall auf dem Vormarsch und eine wichtige Gruppe im Netz.
Bürger: Ewig jung oder hilfsbedürftig und hinfällig? Die Bilder alternder Menschen, ein Thema, über das ab heute in Frankfurt diskutiert wird beim Kongress "Wie wollen wir leben?" Mit dabei ist die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm. Frau Thimm, danke fürs Gespräch!
Thimm: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thimm: Also zunächst erstmal finden ältere Menschen es ausgesprochen irritierend. Und es gibt eine Tendenz, die würde ich gern nochmal kurz erwähnen, nämlich diese wirklich Überdarstellung des männlich, positiv alternden Menschen, das sind meistens die schicken älteren Herren, die also die Zeitungstitel schmücken, weniger die Frauen. Da gibt es also eine ganz, ganz klare Spaltung zwischen dem männlich positiv besetzen Altern und dem nach wie vor eher kritisch gesehenen weiblichen Alter.
Aber es gibt eine Tendenz, die viele Ältere uns berichtet haben, dass sie in Stress geraten. Dass diese Bilder des ewig jungen, fitten und auch für Ehrenamt einsetzbaren Älteren sie stresst, sie belastet und dass viele sagen, wir wollen einfach gut älter werden, lasst uns doch mit diesen vielen Anforderungen einfach auch in Ruhe, wir haben uns unseren Ruhestand verdient. Also diese Perspektive gibt es nämlich auch.
Bürger: Was anscheinend vollkommen fehlt, ist so was wie das Potenzial alter Menschen, also Leitbilder wie Kompetenz, Erfahrung, Weisheit, Gelassenheit, Reife. In welcher Weise ließen sich solche Bilder stärker in die Gesellschaft einbringen?
Thimm: Auch da kann ich Ihnen nur zustimmen. Also das findet man ganz selten. Wir sind wirklich regelrecht auf der Suche. Ich hab ja seit 25 Jahren hier ein Archiv, wo ich also Printmedien und auch inzwischen Onlinemedien auswerte nach diesen Altersbildern. Es gibt natürlich Einrichtungen wie zum Beispiel die – man nennt die die "Silver Entrepreneurs", also Ältere, die sich noch mal selbstständig machen, die ganz neu beginnen, die auch nach der Rente einfach jetzt nicht zu Hause bleiben wollen, die findet man ausgesprochen selten, und da – kann ich noch mal sagen – fast keine Frauen, die ihre auch beruflichen Erfahrungen oder in anderer Form weitergeben. Sondern die sind dann eher in der Nachbarschaftshilfe tätig. Und die hat natürlich wenig mediales Interesse bisher hervorgerufen.
Bürger: Auf der anderen Seite gibt es eben diese negativen Bilder, Bilder von demenzkranken, von pflegebedürftigen Menschen sehen wir fast täglich in den Tageszeitungen, meist im Zusammenhang mit negativer Berichterstattung über Pflegenotstand, Sozialkürzungen. Würden Sie sagen, auch das ist das Lüften eines Tabus, dass man diese Menschen jetzt einfach in ihrer Bedürftigkeit zeigt, oder steckt darin auch eine Form der Stigmatisierung, der Diskriminierung, der Abwertung?
Thimm: Also das Thema Demenz ist extrem heikel. Das muss man wirklich, sowohl auf der politischen Ebene als auch natürlich auf der kommunikativen Ebene. Wie kommuniziere ich das, ohne zu diffamieren. Ohne beispielsweise auch die Angehörigen, oder ohne auch diese Zielgruppe in irgendeiner Form zu verletzen. Das ist, muss man zugeben, nicht ganz einfach. Ich glaube, wie gesagt, dass die – es gibt ja keine Phase des Lebens, die heterogener ist als Altern. Keiner wird gleich alt wie der Andere. Wir unterscheiden uns alle ganz massiv.
Und diese Vielfältigkeit des Alterns, die eben wiegesagt durchaus auch in Krankheit und in Beeinträchtigung natürlich manifestiert ist, die abzubilden, ich glaube, das ist eine große Aufgabe für die journalistische Medienberichterstattung. Und die ist eigentlich das, was wir uns sehr wünschen, dass die eben genau diese Themen, die natürlich von der Werbung jetzt mal aus durchaus einsichtigen Gründen nicht kommuniziert werden, dass da im Journalismus doch ein bisschen mehr passiert, das würden wir Altersforscher uns wünschen.
Bürger: Sie befassen sich in Ihren Forschungen ja auch viel mit den Neuen Medien, die ja heutzutage auch schon umfangreich von älteren Menschen genutzt werden. Spiegelt sich das auch schon in den Bildern?
Thimm: Noch nicht. Noch nicht. Also wir sind jetzt auf der Suche. Es gibt ein paar erste Werbespots, wo wir auch Ältere – Männer übrigens natürlich dann wieder – haben, die kompetent mit zum Beispiel Handys umgehen. Dieser Markt ist groß, ja, Senioren nutzen Handys übrigens genauso gerne wie die jüngere Generation, da gibt es relativ wenige Unterschiede.
Was wir aber sehen, ist, dass viele Ältere doch noch ein bisschen zurückschrecken vor dem Internet. Die Zahlen sind natürlich längst nicht so hoch wie bei den Jüngeren. Da sind wir ja inzwischen bei 80, 90 Prozent. Bei den Älteren sind wir so um die 30 inzwischen angelangt. Aber auch das wird vielfältig genutzt, wir haben eine Studie gemacht, zum Beispiel suchen Ältere genauso ihren neuen Partner im Netz, chatten, machen Onlinebanking, sind ein bisschen sicherheitsbewusster als die Jüngeren. Das ist ja angesichts der Datendebatte auch nicht schlecht. Aber sie sind auf jeden Fall auf dem Vormarsch und eine wichtige Gruppe im Netz.
Bürger: Ewig jung oder hilfsbedürftig und hinfällig? Die Bilder alternder Menschen, ein Thema, über das ab heute in Frankfurt diskutiert wird beim Kongress "Wie wollen wir leben?" Mit dabei ist die Medienwissenschaftlerin Caja Thimm. Frau Thimm, danke fürs Gespräch!
Thimm: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.