Mediendidaktiker Michael Kerres über Kopfhörer

"Man kann die auditive Umwelt kontrollieren"

07:48 Minuten
Ein Mädchen fährt leicht verträumt mit ihren Kopfhörer im Ohr auf einer Rolltreppe zur nächsten U-Bahnstation in Köln.
Viele Menschen haben im öffentlichen Raum das Bedürfnis, sich abzuschotten, sagt der Mediendidaktiker Michael Kerres. © imago/ Jan Tepass
Michael Kerres im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
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Viele Menschen tragen ständig Kopfhörer. Der Mediendidaktiker Michael Kerres sieht den Trend zur Abschottung schon seit der Erfindung des Walkman: Es ginge darum, in Räumen mit hoher sozialer Dichte zu signalisieren: "Ich will alleine sein!"
Früher schien es leichter zu sein, Menschen direkt anzusprechen − als sie noch nicht immer und überall Kopfhörer trugen. Heute weiß man nicht: Hört mir mein Gegenüber zu? "Das menschliche Bedürfnis nach Kontakt, nach Nähe, nach Beziehungen − das ändert sich gar nicht", erklärt Michael Kerres im Deutschlandfunk Kultur. "Sondern wir finden da einfach neue Wege, damit umzugehen." Eine grundsätzliche Behinderung von Kommunikation erkennt der Mediendidaktiker nicht.

"Wir können nicht weghören"

Gerade in Räumen mit hoher sozialer Dichte hätten Menschen das Bedürfnis, sich abzuschotten, so Kerres. Erstmals habe es vor 40 Jahren mit der Erfindung des Walkman die Möglichkeit gegeben, sich eine "eigene auditive Umwelt" zu schaffen: "Wir können wegschauen, wir können die Augen zumachen, aber wir können nicht weghören. Im sozialen Raum bieten Walkman oder Kopfhörer − kabellos oder nicht − die Möglichkeit, diese auditive Umwelt kontrollieren zu können."
Mit den Geräten bringe man auch zum Ausdruck: "Ich will alleine sein, mich konzentrieren!" Dass Menschen auch während eines Gesprächs Kopfhörer tragen, findet Kerres selbst befremdlich. Doch es sei fraglich, ob sich derartige Gewohnheiten ändern könnten. Mittlerweile finde man es auch nicht mehr komisch, wenn Leute anscheinend "vor sich hinreden", tatsächlich aber telefonieren.
(bth)
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