Medienhype um Jacko

Von Günter Herkel |
King of Pop schlägt King of Rock ‘n Roll, zumindest postum. Schon der Tod von Elvis Presley vor 32 Jahren löste einen gigantischen Hype aus. Aber im digitalen Zeitalter mit ungleich größeren Medienreichweiten interessiert Morbiditäts-Statistiker vor allem eine Frage: Hatte die weltweit ausgestrahlte Trauerfeier für Michael Jackson mehr Zuschauer als das Begräbnis von Papst Johannes Paul II. vor vier Jahren? Toppte die Übertragung gar das mit 2,5 Milliarden Zuschauern bislang als unschlagbares Mega-Event angesehene televisionär eingefangene Begräbnis von Lady Diana?
Auch deutsche TV-Sender wollten, konnten da nicht abseits stehen. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten legten sich mächtig ins Zeug: Specials, regelmäßige Live-Schalten ins Staples-Center nach Los Angeles, Aufsager mit Stimmungsbildern. Die ARD schickte in einem Brisant-Extra den "Grand Prix" gestählten Moderator Peter Urban an die Trauerfront, verschob gar die "Tagesschau", um dann aber gegen 20:19 Uhr unvermittelt aus der Live-Übertragung auszusteigen, und das vor dem mutmaßlichen emotionalen Höhepunkt des Ereignisses.

Man kann sich lebhaft vorstellen, mit welcher Leidenschaft hier die Fraktion der Quotenjäger gegen die Liebhaber eines zuverlässigen Programmschemas gerungen haben dürfte. Wer "Brisant" verpasste, kam zu vormitternächtlicher Stunde bei einer Zusammenfassung auf seine Kosten.

Auch das ZDF ließ sich nicht lumpen, warf sein Prime-Time-Programm um und übertrug den "Abschied vom King of Pop" fast bis zum weltumspannenden "We are the World"-Finale. Nicht zu vergessen Phoenix, der Ereignis- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF. Mit Sonderberichten fast rund um die Uhr warteten die privaten Nachrichtensender N24 und n-tv auf. Einst als Kanäle für harte und seriöse Information gedacht, driften beide unter krisenbedingtem Sparzwang seit geraumer Zeit immer mehr ins Boulevardeske ab.

Aber auch der massive Einsatz gerade von ARD und ZDF gibt zu denken. Ganz egal, für wie bedeutsam man unter nachrichtlichen Aspekten das Ableben des grandiosen Musikers Michael Jackson und den folgenden Trauerkult hält. Fast hatte es den Anschein, als wollten die Öffentlich-Rechtlichen das Gerede vom "Generationenabriss" Lügen strafen.

Als wolle man demonstrieren, dass die musikalische Kompetenz sich nicht in der Ausstrahlung von Festivals der Volksmusik, Florian Silbereisen und Musikantenstadl erschöpft. Jene Programmformate, die etwa dem ZDF das Image eines "Kukident-Senders" eingetragen haben, mit denen das jugendliche Publikum längst mehrheitlich in die Arme von Viva, MTV und anderer Privatkanäle getrieben wurde.

Die Zuschauer von ARD und ZDF ließ das Mega-Event denn auch vergleichsweise kalt. Während etwa lediglich 3,3 Millionen das ZDF-Special zum Jacko-Spektakel verfolgten, gaben zeitgleich fast fünf Millionen einer neuen Folge der ARD-Anwaltsserie "Der Dicke" den Vorzug. In Deutschland dürfte die tote Lady Diana weiterhin All-Time-Quotenprinzessin bleiben.