"Ambivalentes Verhältnis zwischen Medien und Assange"
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Julian Assange wurde in London verhaftet, nachdem er die Botschaft Ecuadors verlassen musste. Nun droht ihm die Auslieferung an die USA. Er habe Journalismus immer als ein Werkzeug des Aktivismus betrachtet, sagt Medienjournalist Daniel Bouhs.
In London hat Wikileaks-Gründer Julian Assange die Botschaft Ecuadors verlassen müssen, in die er sich 2012 aus Furcht vor einer Auslieferung an Schweden und letzten Endes an die USA geflüchtet hat. In dem skandinavischen Land lief ein inzwischen eingestelltes Verfahren wegen Vorwürfen sexueller Vergehen gegen ihn, Assange vermutete zudem, dass er von Schweden an die Vereinigten Staaten ausgeliefert würde, wo er möglicherweise wegen anderer Vergehen im Zusammengang mit der Veröffentlichung geheimer Dokumente angeklagt würde.
"Geduld Ecuadors hat ihre Grenzen erreicht"
Der Präsident Ecuadors Lenin Moreno begründete die Aufhebung des Asyls für den Australier in der diplomatischen Vertretung auch damit, dass der 47-jährige Assange gegen die beim Asyl übliche Auflage verstoßen habe, sich nicht in innere Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. So seien zuletzt von Wikileaks im Januar Dokumente aus dem Vatikan veröffentlicht worden – und Assange habe zuvor Kontakt zu wichtigen Mitgliedern der Enthüllungs-Plattform gehabt.
Assange sei außerdem im täglichen Umgang "unhöflich und aggressiv" gewesen, zudem hätten er und Wikileaks Drohungen gegen Ecuador ausgesprochen. "Die Geduld Ecuadors mit Herrn Assange hat ihre Grenze erreicht", sagte Moreno.
Für die Öffentlichkeit und für den Journalismus ist Assange eine wichtige Figur: Mit Wikileaks hat er eine Plattform gegründet, die brisantes Material in großen Mengen in digitaler Form veröffentlichte.
"Ehrenwerte Grundidee"
Der Medienjournalist Daniel Bouhs sagt, er habe die Grundidee von Assanges Projekt immer ehrenwert gefunden: "Das an die Oberfläche zu spülen, was dunkle Kräfte geheim halten wollten."
Bouhs räumt ein, anfangs auch fasziniert gewesen zu sein, er habe sich aber irgendwann auch die Frage gestellt, ob es klug ist, das Rohmaterial zu veröffentlichen, also die Dokumente eins zu eins ins Netz zu stellen. "Mir gefällt letztlich der Gedanke, dass sonst Journalisten bei Leaks filtern, was wirklich von öffentlichem Interesse ist."
Auch wenn viele Medien in den vergangenen Jahren bei spektakulären Enthüllungen mit Wikileaks kooperiert hätten, etwa bei den Protokollen aus den US-Botschaften, aber auch schon bei Material über die Übergriffe von US-Soldaten bei ihren Einsätzen. "Das Verhältnis zwischen Medien und Assange war schon immer ambivalent."
Journalisten hätten Assange einerseits gerne angezapft, um an das Material zu kommen – der "Spiegel", der "Guardian" und die "New York Times" etwa. "Sie haben Assange dann auch anfangs sehr verteidigt – es war ja irgendwie auch ihr "Partner".
Aktivismus vs. Journalismus
Bei der konkreten Zusammenarbeit, so Bouhs, habe es aber auch oft Streit zwischen Assange und den Redaktionen gegeben. Das liege möglicherweise daran, dass der Australier Journalismus instrumentalisieren wollte, sagt Bouhs: "Für Julian Assange war Journalismus immer ein Werkzeug des Aktivismus – das hat er so auch selbst erklärt. Assange hat mit seiner Plattform eine Agenda gepflegt – vor allem gegen die Großmacht USA, das war immer klar."
Bouhs betont: "Er wollte Missstände aufdecken wie Journalisten – hat sich aber gleichzeitig nicht an journalistische Prinzipien gehalten" - etwa, wenn es darum gegangen sei, Kollateralschäden zu vermeiden. "Assange wollte etwa bei den Unterlagen über die Aktivitäten von US-Soldaten aus Afghanistan nichts anonymisieren." Assanges Ansatz sei immer gewesen, alles rauszuhauen.
Das sei auch den Redaktionen, die er quasi beliefert hat, so Bouhs, zu weit gegangen, weil es etwa Mitarbeiter der US-Armee in Afghanistan habe gefährden können, die in den Dokumenten aufgeführt waren, die aber vielleicht nur in der Küche oder als Übersetzer gearbeitet haben. Die Redaktionen hätten dann noch vieles anonymisiert.
Indirekter Whistleblower
Assanges Rolle im Journalismus und für die Öffentlichkeit sei nicht die des Whistleblowers, sagt Bouhs, er habe ja keine eigenen Dokumente veröffentlicht. "Aber er diente Whistleblowern durch die Plattform und die Anonymisierung des Informationsweges." Vielleicht könne man von einem indirekten Whistleblower sprechen.
Bouhs meint, in allem was die Arbeit bei Wikileaks und als Teil des Ökosystems der Medien angehe, geht es auch im Fall Assange um den Schutz von Whistleblowern, den Schutz der Pressefreiheit, um Quellenschutz: Da ist dann auch von einem "Präzedenzfall die Rede, der gemeinsam verhindert werden müsse", wie Anke Domscheit-Berg twitterte, die Bundestagsabgeordnete der Linken. "Auch 'Reporter ohne Grenzen' macht sich ja jetzt stark."
Wenn er im US-Präsidentenwahlkampf russischen Kräften geholfen haben sollte, um Hillary Clinton zu schwächen, auf dass Donald Trump gewinne, wäre das nicht nur Aktivismus, so Bouhs: "Das wäre gezielte Sabotage."
(mfu)