Mozart hätte keine Berührungsängste gehabt
09:52 Minuten
In Karlsruhe tauschten sich Theatermacher und Medienkünstler aus der ganzen Welt über die Zukunft der Oper aus. Dabei wurde einmal mehr klar: Die Oper war schon immer geschickt darin, die modernsten Techniken mit ihrer eigentlichen Kunst zu verbinden.
Wie könnte die Oper im Jahr 2070 aussehen? Wie verändern die digitalen Medien schon heute das Musiktheater? Um diese Fragen und mehr ging es an diesem Wochenende auf dem Opern- & Medienkunst-Symposium – veranstaltet vom Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) und dem Badischen Staatstheater. In Karlsruhe trafen sich Medienkünstler und Theatermacher aus der ganzen Welt.
Zauber und Verwandlung
Die Traditionskunstform Oper sei schon immer ganz besonders geschickt darin gewesen, die modernsten Techniken mit ihrer eigentlichen Kunst – also Gesang und Bühnendarstellung – zu verbinden, sagt Peter Spuhler, der Generalintendant des Staatstheaters in Karlsruhe. "Ab dem Moment, wo es um Opern ging, ging es auch um Maschinen. Theater als Maschinenraum. Es ging um Zauber und um Verwandlung."
Auch heute interessiere sich die Oper für die neuen Medien und die digitalen Techniken, um ihre Kunstform zu bereichern: "Und wenn Mozart und Schikaneder damals schon Medienkunst gehabt hätten, hätten sie sie wahrscheinlich eingesetzt, um die Menschen zu verzaubern - und zwar ohne Berührungsängste. Das wurde auch immer wieder betont: Die Oper hatte nie Berührungsängste, und sie hat nie ihren Kern, ihre eigentliche Wesenheit verloren, weil sie so stark ist."
Spuhler fragt mit den Worten des Videokünstlers Manuel Braun, der gerade den "Tannhäuser" in Bayreuth mit seiner Filmkunst ausgestattet hat: "Warum ist Video eigentlich noch so etwas Besonderes? Es ist doch eigentlich längst etwas Selbstverständliches, es ist ein Ausdrucksmittel unserer Zeit."
Aber Medienkunst als reines Bebilderungsinstrument einzusetzen, als Ersatz für die historisch gemalte Dekoration, wäre langweilig, zitiert Spuhler den Musikwissenschaftler Stephan Mösch. "Interessant wird es wahrscheinlich dann, wenn es ein enges Zusammenwirken gibt zwischen Komponisten, digitaler Technik und optischer Digitalität."
Noch interessanter werde der Einsatz der digitalen Medien bei der Komposition. "Wir wissen alle, bei der Oper ist die Musik das Allerwichtigste – 'prima la musica'. Und die Frage ist: Wie werden sich Komponisten in der Jetztzeit, in der Zukunft des Computers, der Künstlichen Intelligenz bedienen, um zu komponieren?" Schon jetzt gebe es Algorithmen, mit deren Hilfe der Computer selbst komponiert, erklärt Spuhler.
Theater als Labor
Als einen der stärksten Impulse des Symposiums beschreibt Spuhler die Idee eines "Theaters als Labor", die er aus einem Gespräch mit der Intendantin der finnischen Staatsoper gewonnen habe: In Helsinki gebe es nun ein regelmäßig stattfindendes Festival, zu dem internationale Medienkünstler aus der ganzen Welt eingeladen würden, um sich an einem Wettbewerb zu beteiligen und in regelmäßiger Folge Kunstwerke entstehen zu lassen.
Dabei arbeite man mit den Forschungslaboratorien des Mobiltelefonherstellers Nokia zusammen, der sein Know-how zur Verfügung stelle. Spuhler kann sich Karlsruhe als Ort für ein deutsches Forschungslabor für digitale Kunst, Oper und Musiktheater vorstellen, schließlich trage es als einzige deutsche Stadt den Unesco-Titel "City of Media Arts".
Über die Zukunftsfähigkeit der Oper mache er sich jedenfalls überhaupt keine Gedanken, sagt Spuhler: "Sie ist lebendig wie immer. Sie ist klug genug, sich der neuen Medien zu bedienen."