Das Ende der "L'Unita"
Sie war das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Italiens. Aber jetzt stellt die Zeitung "L'Unita" ihr Erscheinen ein. Eine publizistische Ära geht zu Ende.
"Ich appelliere an die beide Matteos, damit sie etwas für uns tun. Ich appelliere also an Matteo Fago, unseren Verleger, und an Matteo Renzi, unseren sozialdemokratischen Regierungschef, dass die beiden miteinander sprechen und nach einer Lösung dieses gravierenden Problems suchen."
Loredana Toppi ist Art-Director der Tageszeitung L'Unità. Bis heute Nacht Null Uhr. Dann ist sie arbeitslos. Die Journalistin kann es nicht fassen, dass es mit ihrer Zeitung nun vorbei ist:
"Lieber Matteo, lass es uns doch noch einmal mit dieser Zeitung probieren. Klar, die öffentlichen Gelder zur Kofinanzierung der italienischen Zeitungen werden immer weniger. Das ist auch gut so in wirtschaftspolitischen Krisenzeiten, aber man kann diese Finanzierung, die für uns enorm wichtig ist, nicht einfach komplett kippen."
Seit einigen Jahren kürzen Italiens Spar- und Reformregierungen - es war Mario Monti der damit begann - die öffentlichen Finanzmittel für die Printmedien. Anders als in anderen EU-Staaten erhalten Printmedien staatliche Gelder. Auf diese Weise, so die italienische Argumentation, werde ein breites Meinungsspektrum innerhalb der Medien garantiert. Für kleinere Zeitungen, wie L'Unità, bedeutet diese chronische Kürzung der Finanzmittel eine enorme Gefahr. Vor sechs Jahren erhielt die Zeitung noch knapp sechs Millionen Euro, in diesem Jahr nur noch zirka zwei Millionen. Bei etwa 22 Millionen Euro Schulden und hohen laufenden Kosten sind die öffentlichen Gelder nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein. Jetzt wird der Verlag Nuova Iniziativa Editoriale, zu dem L'Unità gehört, liquidiert.
Damit endet die glorreiche Geschichte einer der ältesten und angesehensten Tageszeitungen Italiens. Luca Landò ist bis heute Nacht ihr Chefredakteur:
"Ich möchte nur alle Bürger daran erinnern, also auch unsere Politiker, dass diese Zeitung immer eine Stimme der Schwachen und Ausgegrenzten war, Themen anspricht, die bei anderen Printmedien nicht auftauchen. Aus diesem Grund wurde l'Unità am 12. Februar 1924, also mitten im Faschismus, von Antonio Gramsci gegründet, eine der interessantesten Persönlichkeiten Italiens."
Gramsci, der 1937 an den Folgen Jahre langer Haft starb, war einer der Mitbegründer der Kommunisten Partei Italiens, KPI. Er war Politiker, Philosoph, Journalist und eine der schillerndsten Figuren seiner Zeit.
Zunächst akzeptierte das Mussolini-Regime die kritische Stimme von l'Unità, doch mit der zunehmenden Totalisierung der italienischen Gesellschaft konnte die Zeitung zwischen 1927 und 1944, Rom wurde in jenem Jahr von den Alliierten befreit, nur noch im Untergrund erscheinen. Nach Kriegsende wurde L'Unità zur Stimme der kommunistischen Intellektuellen Italiens. Von Personen, die sich zunehmend von Stalins kommunistischem Staatsideal abwandten und ein europäisches und weniger radikalkommunistisches Staatsmodell anstrebten. Zu den ständigen Autoren der Zeitung gehörten Schriftsteller wie Cesare Pavese, Italo Calvino und Elio Vittorini, Historiker wie Paolo Spriano und Philosophen wie Massimo Cacciari und Gianni Vattimo.
Chefredakteur Landò: "Unsere Zeitung hat immer jungen und angesehenen Schriftsteller und Intellektuellen die Möglichkeit gegeben bei uns zu schreiben. Wie etwa Antonio Tabucchi, Pier Paolo Pasolini. Die Chefredakteure von l'Unità waren oft große Namen des italienischen Journalismus: Pietro Ingrao, Renzo Foa, Furio Colombo um nur einige wenige zu nennen. Auch deshalb glaube ich, dass diese Zeitung eine der wichtigsten Italiens ist."
Italiens noch heute berühmte Sommerfeste, die "Festa dell'Unità", sind 1945 als Veranstaltungen zur Verbreitung der Zeitung entstanden.
Steiler Abstieg seit 1991
Mit L'Unità ging es nach 1991 rapide bergab. In Folge der Auflösung der KPI und der Neugründung einer Linken, die in wenigen Jahren mehrfach ihre politische Identität wechselte, sank das Interesse der Partei an ihrer Zeitung. 1997 schließlich wurde L'Unità privatisiert. Eine folgenschwere Entscheidung, denn fortan kam von den zu Sozialdemokraten gewandelten Linken kein Geld mehr. Mit der Reduzierung der staatlichen Finanzspritzen für die Printmedien geriet das Blatt immer tiefer in die Krise.
Im Jahr 2000 schloss die Zeitung, um nach nur wenigen Monaten neu zu entstehen. Die Mitarbeiter reduzierten ihre Gehälter, um auf diese Weise das Überleben des Blattes zu garantieren. Mehrfach wechselten die Eigentümer des Verlages, jeder versuchte einen finanziellen Neuanfang. Doch ohne Erfolg.
Gleichzeitig sank die Käuferzahl: 2001 verkaufte L'Unità noch rund 72.000 Ausgaben am Tag. Im Juni dieses Jahres waren es nur noch 21.000.
Gegen die Schließung sprechen sich in diesen Tagen nicht nur Italiens Starjournalisten, Regisseure wie Nanni Moretti und Marco Bellocchi, Schriftsteller und andere Intellektuelle aus, sondern auch Pietro Grasso, Antimafiaermittler, Sozialdemokrat und amtierender Präsident des italienischen Senats:
"Ich war ein Junge als ich zum ersten Mal diese Zeitung las und seitdem lese ich sie jeden Tag. L'Unità ist für mich ein Wert in unserer Gesellschaft, nicht einfach nur der Name einer Zeitung. Wie brauchen in Italien so eine Zeitung, denn sie will genau das was ich will: ein besseres Italien."
Doch eine kritisch-freche Stimme mischt sich in den großen Chor der Trauernden.
Giuseppe Calderola war Chefredakteur von l'Unità zwischen den Jahren 1998 und 2000. L'Unità, erklärte Calderola am Mittwoch in einem Interview, sei doch schon lange keine richtig linke Zeitung mehr, sondern viel mehr das Meinungsorgan einer pseudolinken Schickeria, der römischen Kaviar Gauche. Eine echte Linke, wettert Calderola, gibt es doch in Italien schon lange nicht mehr.
Und wenn der 40-jährige Regierungschef Matteo Renzi, erklärte Calderola, an L'Unità nicht interessiert sei, dann doch wohl deshalb, weil er der erste italienische Regierungschef der Sozialdemokraten ist, der nie Mitglied der KPI war. Ihm fehle, so der ehemalige Chefredakteur von L'Unità, das Gespür für altlinke Intellektuelle, für deren Interessen und Probleme.