Medienpädagogik: "Space-Akademie"

Crash-Kurs zum Raumschiffpiloten

Die Crew des Raumschiffes USS Enterprise auf der Brücke in einer Szene der gleichnamigen Serie
Innerhalb der Brückencrew der "Space-Akademie" geht es ein bisschen so zu wie auf der "echten" Enterprise. © picture-alliance / dpa
Von Tobias Nowak |
Die Enterprise inspirierte Dozenten an der Akademie Remscheid zu einem außergewöhnlichen Kursangebot für Medienpädagogen: Die "Space-Akademie". Auf der Basis eines Computerspiels und einer selbstgebauten Kommandobrücke lernen Jugendliche, Missionen gemeinsam zu fliegen.
Der Ausgangspunkt für das Experiment "Space-Akademie" an der Akademie Remscheid war ein Computerspiel: Der "Artemis Spaceship Bridge Simulator" ist ein seit zwei Jahren frei erhältliches Spiel, das die klassische Situation auf der Brücke des Raumschiffs Enterprise simuliert. Und die sieht traditionell so aus: In der Mitte thront der Kapitän, um ihn herum steht und sitzt die Brückencrew an verschiedenen Geräten und kontrolliert das Schiff.
Der "Artemis Spaceship Bridge Simulator" wird auf bis zu sechs Geräten – PCs oder Tablets – in einem lokalen Netzwerk gespielt. Alle Geräte stehen in einem Raum und jedes Gerät entspricht einer der klassischen "Stationen" auf der Brücke der Enterprise: also Navigation, Ingenieurwesen, Kommunikation, Wissenschaft und natürlich: Waffenkontrolle. Das spieltreibende Problem ist jedoch, dass jede Station nur Zugriff auf die Daten ihres unmittelbaren Arbeitsbereiches hat, das heißt die Brückencrew muss intensiv kommunizieren, um die zunehmend komplexen Szenarien zu bewältigen, in die das Spiel sie wirft.
"Und der Kapitän sieht die ganzen Bildschirme der anderen nicht, das heißt wenn er Informationen braucht, muss er sich diese Informationen von den anderen holen, muss dann die Entscheidung treffen, was gemacht wird und gibt entsprechend die Aufträge an die einzelnen Stationen zurück."
Horst Pohlmann ist Dozent und Leiter des Fachbereichs Medienpädagogik an der Akademie Remscheid und versucht zu vermitteln, wie sich dieses Spiel für die Jugendarbeit einsetzen lässt. Dafür finden sich in diesem einwöchigen Seminar Jugendarbeiter, Teamcoaches und Werkpädagogen zusammen. Am Anfang standen Medienanalyse und Werkpädagogik: Anhand der filmischen Vorbilder wurde diskutiert, wie die Brücke, also das Kommandozentrum des Raumschiffs, aussehen solle. Und dann bauten die Kursteilnehmer eine:
"Ja, das ist das Material, aus dem Raumschiffe gebaut werden: Das sind Dachlatten. Wir haben also 180 Meter Dachlatten verbraucht."
Roland Oesker, Dozent für Bildende Kunst und Werken, leitete den Bau der hölzernen Raumschiff-Brücke, in der später das digitale Spiel gespielt werden sollte.
Schon in der Werkstatt beginnt das Teambuilding
Die Arbeit mit Holz, Schrauben und Leim in der "Raumschiff-Werft" war auch bereits die erste Stufe des Teambuilding: Die Coaches werteten das Verhalten der Kursteilnehmer in der Werkstatt aus und sprachen entsprechende Empfehlungen für die Zusammensetzung der späteren Brücken-Crew aus. Thomas Reyer, Fachbereichsleiter und Dozent für Sozialpsychologie und Beratung an der Akademie Remscheid, war begeistert vom "Artemis Spaceship Bridge Simulator", denn dieser hat ein paar sehr spannende Eigenschaften:
"Dass es relativ komplex ist, dass man eine Mission gemeinsam fliegt, dass man klare Rollen entwickeln muss dafür, dass man Stress kriegt, dass man in Not kommt. Wobei hier das Besondere war, dass wir’s eben nicht von der Theorie her lernen, sondern wirklich immer im Kontakt mit dem Prozess hautnah sind. Und das ist was, was man hier als besondere Lernchance hat, anders als in einem normalen Wochenendseminar, wo man’s mit der Theorie macht, und das Leben ist da draußen."
Nach Bau der Brücke, Zusammensetzung der Teams, ersten Probeflügen, Erstellen einer Online-Dokumentation und diversen Auswertungen, werden die Brückencrews nach fünf Tagen auf ihre ersten "echten" Einsätze geschickt.
O-Ton Simulation: "Wie lange spielen wir eigentlich? – Bis wir sterben. – Okay."
Es gilt, in einem Weltraumsektor voller Asteroidengürtel, Minenfelder und Gasnebel verbündete Raumstationen vor angreifenden Gegnern zu schützen.
O-Ton Simulation: "So, jetzt haben wir aber Energie, oder? – Ja, bei 5.200. – Dann gehen wir jetzt auf DS3 und dann machen wir die zwei in Planquadranten D3 fertig, okay?"
In diesem Moment beginnen immer mehr Statuslampen für diverse Schiffssysteme auf dem Bildschirm der Schiffsingenieurin rot zu blinken: Alle möglichen kritischen Einrichtungen fallen aus. Der Captain befiehlt der Steuerfrau …
"Bleib mal kurz stehen, wir haben ein technisches Problem."
… und dann der Schiffsingenieurin:
"Ihr macht alles aus und konzentriert Euch auf eins: Kühlt das!"
Medienkompetenzen lernen im Weltraum
Aber alle Reparaturversuche scheitern: Das fast unkontrollierbare Schiff gerät zwischen Asteroidengürtel und feindliche Flotte.
O-Ton Simulation: "Scheiße, scheiße, scheiße … das sind verdammt viele. Homing geladen ... Homing, Augenblick, Feuer! – Schuss. – Atomrakete, Feuer! – Schuss. – Homings nachladen! – Treffer auf dem hinteren Schild. – Und rückwärts fliegen, nach Möglichkeit, wieder."
… denn das Raumschiff kann inzwischen nur noch rückwärts fliegen. Wie sich in der Nachbesprechung herausstellt, hat sich das Schiff beim Aufenthalt in einer befreundeten Raumstation einen Computervirus eingefangen, der die Schiffssysteme arg in Mitleidenschaft zog. Bei der kritischen Nachbesprechung stellt sich heraus: Es wurde in der Krisensituation zwar einmal von der Kommunikationsoffizierin vermutet, dass ein Virus verantwortlich sein könnte, aber das Team war dem Verdacht nicht nachgegangen und trifft so in denkbar schlechter Verfassung auf die Gegner:
O-Ton Simulation: "Vorsicht, da kommt was … Festhalten! Rückwärtsgang rausnehmen! – Ok. – Beide Schilde bei 50."
Trotz gescheiterter Mission war das Seminar "Space-Akademie" ein voller Erfolg, die Teilnehmer sind begeistert:
"Die Medienkompetenzen habe ich hier jetzt neu kennengelernt, da bin ich gar nicht firm, also ich bin auch überhaupt keine Gamerin, und bin aber gerade richtig draufgekommen, (lacht) finde das super spannend!"
"Ich habe ein Raumschiff befehligt, mit Mannschaft. Und meine Crew hat ein Schiff gesteuert."
Auch Coaching-Dozent Thomas Reyer zieht ein positives Fazit des Jungfernflugs der Akademie Remscheid in die unendlichen Weiten des Weltraums:
"War schon einer der – im angenehmen Sinne – verrücktesten Kurse, die ich hier so mache."
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