Medienresonanz

Springer-Verlag schluckt Fernsehsender

Ein Schild über dem Eingang zum Axel-Springer-Haus und ein Übertragungswagen von N24.
N24 soll bald zum Medienkonzern Axel Springer gehören. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Paul Stänner |
Wenn es um den Springer-Verlag geht, wird es kontrovers: Mit Blick auf die Übernahme des Senders N24 sorgen sich manche Journalisten um die Pressevielfalt. Andere lästern über den Kauf des "Explosionsdokumentationssenders".
"Bilder sind toll, Bewegtbilder aber sind toller." Das konstatiert Joachim Huber im Tagesspiegel. Das wäre dann wohl der Text auf die Zukunft, beziehungsweise den Untergang der gedruckten Zeitungen. Der Springer-Verlag hat in den letzten Monaten viele Zeitungen verkauft und sich stattdessen jetzt den TV-Sender N24 zugelegt.
Bei der Gelegenheit hat Konzernchef Mathias Döpfner gleichzeitig den früheren SPIEGEL-Chef Stefan Aust und noch andere ehemalige Spiegel-Leute eingekauft, die im Streit mit ihren früheren Kollegen gegangen waren. "Verkaufe Print, kaufe Digital", schreibt Huber: "lautet die aktuelle Strategie des (und jetzt lese man mit Sorgfalt) "früheren Zeitungshauses“.
Die Berliner Zeitung hat einen anderen Blick: Aust, so schreibt Ulrike Simon "hat nicht nur einen schwer vermarktbaren Sender vom Hals…er hat künftig Zugriff auf Print, Online und TV, wovon er schon lange träumt.“ Danach wäre Aust der Gewinner. Andererseits sieht die Berliner Zeitung auch die Chance, diese Kombination aus Digital online, digital TV und digital aufgehübschtem Print könne den Journalismus in die Zukunft retten und dann könnten den SPIEGEL-Leuten andere, Zitat: "seriöse Journalisten folgen, und das, obwohl Springer Springer ist."
Springer, so scheint es, hat zwar das Geld, aber man ist nicht gern mit diesem Unternehmen in einer Branche. Die Süddeutsche titelt leicht pikiert: "Herr Döpfner macht jetzt Fernsehen" und sorgt sich um die Medienvielfalt, wenn in Zukunft via N24 die Nachrichten bei SAT 1 von Springer geliefert werden. Als ob jemand, der Sat 1 guckt, sich ernsthaft für Nachrichten interessierte.
Die Berliner Tageszeitung taz erinnert an Döpfners Satz, dass er Geld, Zitat: "insbesondere ins digitale Journalismusgeschäft" stecken wolle und verwendet damit als einzige Zeitung den Begriff, um den sich alle anderen fein drücken: das Geschäft. Und sie fragt sich, ob der Zukauf des, Zitat: "Kriegsgeräte- und Explosionsdokumentationssenders N24 wirklich geeignet sei, die redaktionelle Qualität der Springer-Medien zu stärken."
Michael Hanfeld von der Frankfurter Allgemeinen sieht die Sache persönlicher: "Das hätte einem vor Jahren mal jemand erzählen sollen: Stefan Aust geht zu Springer. Und Georg Mascolo gleich mit." Was für ein Brain-Drain! stöhnt er am Ende einer langen Liste von Überläufern und sieht bei der Springer-Neuaufstellung einen Verlierer: den SPIEGEL. "Nun kann der Mann (Hanfeld redet von Aust) Revanche nehmen. Mal sehen, wie die Rechnung ausgeht: Übernimmt Springer Aust, oder verändert Aust die Welt?" fragt Hanfeld.
Man merkt, die Medien sind durcheinander: reihenweise gehen Journalisten vom SPIEGEL zu Springer, von Springer zum SPIEGEL, die alten Kategorien gelten nicht mehr. Warum sollte es in der Kunstwelt anders aussehen?
Die FAZ beschreibt den neuen Palast, den sich der weißrussische Diktator Lukaschenko gegönnt hat, 17.000 Quadratmeter Fläche ganz in weiß am so genannten "Prospekt der Sieger". Man liest und staunt, Zitat: "Die Säle und Konferenzräume…sollen Assoziationen zu sowjetischen Prachtbauten wecken, die aber wenigstens noch ästhetische Durchdringung und intellektuelle Tiefenwirkung boten", Zitatende. "Ästhetische Durchdringung und intellektuelle Tiefenwirkung": Dass man ausgerechnet in der FAZ eine Verteidigung sowjetischer Protzarchitektur lesen würde, das hätte einem vor Jahren mal jemand erzählen sollen.
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