Medikamentenmissbrauch

Viele Rapsongs feiern Tilidin als Modedroge

27:08 Minuten
Capital Bra bei einem Auftritt 2019 in der Max-Schmeling-Halle in Berlin.
Sänger wie Capital Bra haben dem Schmerzmittel Tilidin ganze Songs gewidmet - ein Film thematisiert das jetzt kritisch. © Imago / Future Image / N. Kubelka
Mirco Seekamp im Gespräch mit Gesa Ufer  · 02.09.2020
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Ein kritischer Dokumentarfilm stellt die Frage, ob die deutsche Rapszene mit ihren Songs über das Schmerzmittel Tilidin zum Drogenkonsum animiert. Der Journalist Mirco Seekamp zeigt, dass der Konsum bei jungen Leuten dramatisch gestiegen ist.
Tilidin ist eigentlich ein Mittel gegen starke Schmerzen, das Ärzte beispielsweise nach einer Hüft- oder Knieoperation verschreiben. In der Rapszene wird das Medikament gerne als Droge oder Lifestyle-Gimick gefeiert, in Songs, Videos oder auf Instagram. Das Reportageformat  "Strg_F" des Norddeutschen Rundfunks hat über den Zusammenhang zwischen Tilidin und der Rapkultur in Deutschland recherchiert und diesem Thema einen Film gewidmet.
Tilidin werde als Droge missbraucht, erzählt der Journalist Mirco Seekamp von den Erkenntnissen bei der Recherche. Es habe Anfang der 2000er-Jahre schon einmal so eine Welle gegeben. Da hätten vor allem Hooligans und andere gewaltbereite Gruppen das Mittel genommen, um schmerzunempfindlicher zu sein.

Suche nach Betäubung

"Die Jugendlichen, die wir jetzt getroffen haben, die nehmen das gerne zum Chillen." Sie sagten, so ließen sich die Sorgen vergessen. Das Mittel wirke betäubend. Die jungen Leute hätten ihm erzählt, wie ihr Körper langsam tauber geworden sei. "Aber man muss aufpassen, denn das macht auch abhängig", meint Seekamp.
Erfolgreiche Rapper, wie beispielsweise Capital Bra, singen in ihren Songs durchaus beschönigend über Tilidin. Seekamp sagte, dass solche Lieder wie der bekannteste Tilidin-Hit auf YouTube 65 Millionen Aufrufe hätten. "Wir haben das mal ausgewertet und es gibt über 100 Songs von sehr bekannten Künstlern, die Tilidin thematisieren." Darunter neben Capital Bra auch Bushido und andere. "Die Liste ist lang", sagt Seekamp. "Wir haben alle angefragt, aber keiner wollte uns ein Interview geben."
Aus seiner Sicht machten die Rapper das Schmerzmittel in einer gewissen Gruppe bekannt, die sonst vielleicht mit Tilidin in Berührung kommen würden. Das habe sich auch in den Gesprächen mit den Jugendlichen widergespiegelt.

Verschreibungen um das Dreißigfache gestiegen

"Wir haben auch mit zwei Dealern gesprochen", sagt der Filmemacher. "Beide haben uns gesagt, wenn ein neuer Song herauskommt, der Tilidin thematisiert, dann merken sie das auch bei der Nachfrage." Das seien allerdings bisher nur Hinweise auf einen Zusammenhang.
Bei der Recherche hätte das Team sich auch die Zahlen der gesetzlichen Krankenkasse genauer angesehen. Da sei ein erheblicher Anstieg der Verschreibung von Tilidin zu sehen, vor allem bei 15- bis 20-Jährigen in den vergangenen zwei Jahren. Das habe in dieser Altersklasse eigentlich keine Rolle gespielt.
Jetzt seien die Verschreibungen in nur zwei Jahren von 100.000 auf etwa drei Millionen angestiegen. "Das bedeutet einen Zuwachs um das Dreißigfache in den letzten zwei Jahren." Ob das mit Deutschrap zusammenhänge, das könne er nicht sagen. Aber es sei nachvollziehbar, dass die Songs, die Tilidin thematisieren, ebenfalls in diesem Zeitraum herausgekommen seien.
(gem)
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