Meditation als Heilung
Auch in den USA sind Meditation und Yoga stark in Mode. Sie haben dort den Weg bis in die Wissenschaftswelt gefunden. An der Universität von San Diego gibt es ein "Zentrum für Achtsamkeit".
In einem neonbeleuchteten Konferenzraum, aus dem der Tisch entfernt wurde, stehen rund ein Dutzend Männer und Frauen im Kreis, die Augen geschlossen, die Beine leicht geöffnet und folgen den Anleitungen einer kleinen rothaarigen Frau: Einatmen! Die Hände über den Kopf strecken! Ausatmen! Einatmen, nach links beugen! Ausatmen, Gewicht in die Körpermitte! Einatmen, nach rechts beugen! Ausatmen!
Es ist die Aufwärmphase des Kurses für Stressreduzierung durch Achtsamkeit der Universitätsklinik von San Diego. Gleich werden sich alle Teilnehmer auf ihre Stühle setzen und - von außen gesehen - gar nichts tun. Tatsächlich konzentrieren sie sich aber ganz auf ihren Atem, so gut sie können, und nehmen aufmerksam wahr, was dabei in ihrem Körper vor sich geht. Auch Jeff Mallom. Bei dem Archivar wurde vor ein paar Monaten Multiple Sklerose diagnostiziert.
"Ich wollte den Kurs zumindest ausprobieren, weil mein Körper auf bestimmte Medikamente überempfindlich reagiert. Dies ist eine Alternative. Wie sich herausstellt, hilft mir der Kurs ziemlich viel, vor allem bei akuten Angstanfällen, die mit der Krankheit verbunden sind. ich entspanne mich, akzeptiere, was ich habe, bin ruhiger und sehe alles etwas klarer."
Linda Badii ist von aktuellen Nachrichten überwältigt - Kriege, Tornados, Tsunamis, Erdbeben, Wirtschaftskrisen. Dazu kommen Konflikte mit der Tochter. Die Sitzmeditation macht ihr auch nach dem fünften Kurstermin noch Schwierigkeiten.
"Das löst bei mir manchmal Beklemmungen aus. Ich werde unruhig. Ich wünsch mir, es wäre vorbei, frage mich, wie lang ich da noch sitzen kann, will was anderes tun, meine Gedanken schweifen ab. Das ist manchmal nicht so befriedigend."
Ganz anders Tänzerin Jess Hymphrey. Sie sucht seit einer Fehlgeburt im vorigen Jahr nach Wegen, ihren rasenden Gedankenfluss anzuhalten und hat die Übungen aus dem Kurs gleich nach der ersten Stunde in ihren Alltag eingebaut:
"Die Übungen - das Meditieren und das Atmen mit Körperbewusstsein - das ist wie Sport! Wir trainieren die Muskeln auf Achtsamkeit. Durch Wiederholung ist es im Alltag leichter für mich, zum Atem zurückzukehren."
Der achtwöchige Kurs zur Stressreduzierung wurde zum ersten Mal 1979 von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik von Massachusetts angeboten. Inzwischen wird er an mehr als 200 medizinischen Einrichtungen weltweit unterrichtet. Er bietet Hilfe für Patienten mit chronischen Krankheiten. Von Kopf- und Rückenschmerzen über Depressionen und generelle Unruhe bis zu Krebserkrankungen und Diabetes. Ziel des Unterrichts ist es, so aufmerksam wie möglich im Hier und Jetzt zu sein, körperliche wie geistige Erschöpfung zu verhindern und Schmerz als weniger beunruhigend zu empfinden, sondern eher wie einen ungebetenen Gast, mit dem man sich arrangieren kann. "Stressreduzierung durch Achtsamkeit" ist derzeit fast ein Modewort in Privatpraxen und Kliniken der USA. An der Universität von San Diego, in dem Lehrer ausgebildet und Stressreduzierungs-Kurse für Studenten und Patienten angeboten werden, sind die Wartelisten für Ausbildung und Unterricht lang.
Der Leiter des Zentrums, Stephen Hickman, glaubt, dass Meditation und Achtsamkeit keine Modeerscheinungen sind, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit mit einem Lebensstil, in dem Multi-Tasking Stress erhöht und Medikamente schnelle Resultate mit unerwünschten Nebenwirkungen statt anhaltender Erleichterung liefern.
"Das Interesse an unserem Feld ist geradezu explodiert. Vieles hat mit jüngsten Forschungsergebnissen aus Psychotherapie, Hirn- und Nervenwissenschaft zu tun. Diese haben deutliche Veränderungen unter anderem im Gehirn und der Immunfunktion gezeigt. Dadurch erscheint unsere Methode fundierter, wissenschaftlicher und mehr Menschen informieren sich drüber."
Um möglichst viele Menschen anzusprechen, bezieht sich Stephen Hickman zwar auf buddhistische Ursprünge, legt aber großen Wert drauf, dass Meditation und Achtsamkeit universell anwendbare Praktiken sind, die unabhängig von jeglicher religiöser Überzeugung von Nutzen sein können.
"Stressreduzierung wäre für niemanden ein Problem, wenn wir im Wald in einem Kloster leben würden und unsere einzigen Aufgaben wären, einmal am Tag unsere Schüssel mit Reis zu füllen und den Boden zu wischen. Aber so leben wir nicht. Das Telefon klingelt, die Katze klettert auf uns herum, Kinder kommen und gehen. Das ist unser Leben. Da müssen wir trainieren."
Deshalb gibt es keine Om-Gesänge, keine Buddha-Statuen oder Gebetsfahnen, weder Gong noch Glocke und auch keinen plätschernden Brunnen im Zentrum für Achtsamkeit von San Diego. Die Stühle im Übungssaal sind mit grauem Polyesterstoff bezogen und an der Stirnwand hängt ein riesiger Flachbildschirm. Tänzerin Jess Humphrey, die auch buddhistische Meditationskurse besucht hat, schätzt die nüchterne Atmosphäre sehr:
"Es ist klarer, detaillierter, spezifischer. Es ist gleichzeitig sehr einfach und wissenschaftlich. Sie stellen die Verbindung her zum Nervensystem. Aber Übungen stehen im Mittelpunkt. Wir reden sehr spezifisch über unsere Erfahrungen. Aber am Ende geht es immer wieder ums Üben."
Jeff Mallom hat Panikattacken im Zusammenhang mit seiner Multiplen Sklerose besser im Griff, seit er jeden Morgen um fünf Uhr eine Stunde meditiert. Er ist selbst überrascht, dass er sich damit besser fühlt, als in Zeiten, in denen er länger im Bett liegen blieb.
"Es ist anstrengend, schwierig, nicht einfach. Man muss regelmäßig üben. Aber wenn man seinen Rhythmus findet, freut man sich darauf. Ich zumindest. Ich habe mehr Energie nach der Meditation und dem Atmen mit Körper-Achtsamkeit."
Die von aktuellen Nachrichten und der aufmüpfigen Tochter gestresste Lehrerin Linda Badii ist noch nicht soweit, sieht aber auch schon positive Entwicklungen. Sie ist erleichtert, dass die Kursleiterin nicht versucht, ihr ihre Gefühle zu nehmen oder eine Religion aufzudrängen. Sie wird auch nicht zum Verdrängen unangenehmer Tatsachen aufgefordert oder zum Aufschreiben positiver Aussagen für Spiegel und Kühlschrank, wie sie das aus anderen Kursen zur Selbstverbesserung kennt.
"Die Wahrheit ist: Auf manche Dinge sollte man mit Verachtung und Wut reagieren. Wenn jemand lügt, betrügt, stiehlt, unseren Planeten zerstört - das verdient Verachtung und Wut. Gleichzeitig muss ich deshalb nicht persönlich sehr stark leiden, muss nicht von meinen Gefühlen überwältigt werden. Ich kann die Situation mit klarem Kopf sehen anstatt durch einen Nebel aus Wut und Verachtung."
Wenn ihr das gelingt, hat sie das wichtigste Ziel des Kurses erreicht. Denn dort geht es nicht darum, sich keine Sorgen mehr zu machen. Im Gegenteil - die Teilnehmer lernen, sich diesen Sorgen ehrlich zu stellen wie nie zuvor. Im besten Fall verlieren sie dadurch die Furcht davor, reduzieren damit den Stress und letztendlich den Schmerz.
Es ist die Aufwärmphase des Kurses für Stressreduzierung durch Achtsamkeit der Universitätsklinik von San Diego. Gleich werden sich alle Teilnehmer auf ihre Stühle setzen und - von außen gesehen - gar nichts tun. Tatsächlich konzentrieren sie sich aber ganz auf ihren Atem, so gut sie können, und nehmen aufmerksam wahr, was dabei in ihrem Körper vor sich geht. Auch Jeff Mallom. Bei dem Archivar wurde vor ein paar Monaten Multiple Sklerose diagnostiziert.
"Ich wollte den Kurs zumindest ausprobieren, weil mein Körper auf bestimmte Medikamente überempfindlich reagiert. Dies ist eine Alternative. Wie sich herausstellt, hilft mir der Kurs ziemlich viel, vor allem bei akuten Angstanfällen, die mit der Krankheit verbunden sind. ich entspanne mich, akzeptiere, was ich habe, bin ruhiger und sehe alles etwas klarer."
Linda Badii ist von aktuellen Nachrichten überwältigt - Kriege, Tornados, Tsunamis, Erdbeben, Wirtschaftskrisen. Dazu kommen Konflikte mit der Tochter. Die Sitzmeditation macht ihr auch nach dem fünften Kurstermin noch Schwierigkeiten.
"Das löst bei mir manchmal Beklemmungen aus. Ich werde unruhig. Ich wünsch mir, es wäre vorbei, frage mich, wie lang ich da noch sitzen kann, will was anderes tun, meine Gedanken schweifen ab. Das ist manchmal nicht so befriedigend."
Ganz anders Tänzerin Jess Hymphrey. Sie sucht seit einer Fehlgeburt im vorigen Jahr nach Wegen, ihren rasenden Gedankenfluss anzuhalten und hat die Übungen aus dem Kurs gleich nach der ersten Stunde in ihren Alltag eingebaut:
"Die Übungen - das Meditieren und das Atmen mit Körperbewusstsein - das ist wie Sport! Wir trainieren die Muskeln auf Achtsamkeit. Durch Wiederholung ist es im Alltag leichter für mich, zum Atem zurückzukehren."
Der achtwöchige Kurs zur Stressreduzierung wurde zum ersten Mal 1979 von dem Molekularbiologen Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik von Massachusetts angeboten. Inzwischen wird er an mehr als 200 medizinischen Einrichtungen weltweit unterrichtet. Er bietet Hilfe für Patienten mit chronischen Krankheiten. Von Kopf- und Rückenschmerzen über Depressionen und generelle Unruhe bis zu Krebserkrankungen und Diabetes. Ziel des Unterrichts ist es, so aufmerksam wie möglich im Hier und Jetzt zu sein, körperliche wie geistige Erschöpfung zu verhindern und Schmerz als weniger beunruhigend zu empfinden, sondern eher wie einen ungebetenen Gast, mit dem man sich arrangieren kann. "Stressreduzierung durch Achtsamkeit" ist derzeit fast ein Modewort in Privatpraxen und Kliniken der USA. An der Universität von San Diego, in dem Lehrer ausgebildet und Stressreduzierungs-Kurse für Studenten und Patienten angeboten werden, sind die Wartelisten für Ausbildung und Unterricht lang.
Der Leiter des Zentrums, Stephen Hickman, glaubt, dass Meditation und Achtsamkeit keine Modeerscheinungen sind, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit mit einem Lebensstil, in dem Multi-Tasking Stress erhöht und Medikamente schnelle Resultate mit unerwünschten Nebenwirkungen statt anhaltender Erleichterung liefern.
"Das Interesse an unserem Feld ist geradezu explodiert. Vieles hat mit jüngsten Forschungsergebnissen aus Psychotherapie, Hirn- und Nervenwissenschaft zu tun. Diese haben deutliche Veränderungen unter anderem im Gehirn und der Immunfunktion gezeigt. Dadurch erscheint unsere Methode fundierter, wissenschaftlicher und mehr Menschen informieren sich drüber."
Um möglichst viele Menschen anzusprechen, bezieht sich Stephen Hickman zwar auf buddhistische Ursprünge, legt aber großen Wert drauf, dass Meditation und Achtsamkeit universell anwendbare Praktiken sind, die unabhängig von jeglicher religiöser Überzeugung von Nutzen sein können.
"Stressreduzierung wäre für niemanden ein Problem, wenn wir im Wald in einem Kloster leben würden und unsere einzigen Aufgaben wären, einmal am Tag unsere Schüssel mit Reis zu füllen und den Boden zu wischen. Aber so leben wir nicht. Das Telefon klingelt, die Katze klettert auf uns herum, Kinder kommen und gehen. Das ist unser Leben. Da müssen wir trainieren."
Deshalb gibt es keine Om-Gesänge, keine Buddha-Statuen oder Gebetsfahnen, weder Gong noch Glocke und auch keinen plätschernden Brunnen im Zentrum für Achtsamkeit von San Diego. Die Stühle im Übungssaal sind mit grauem Polyesterstoff bezogen und an der Stirnwand hängt ein riesiger Flachbildschirm. Tänzerin Jess Humphrey, die auch buddhistische Meditationskurse besucht hat, schätzt die nüchterne Atmosphäre sehr:
"Es ist klarer, detaillierter, spezifischer. Es ist gleichzeitig sehr einfach und wissenschaftlich. Sie stellen die Verbindung her zum Nervensystem. Aber Übungen stehen im Mittelpunkt. Wir reden sehr spezifisch über unsere Erfahrungen. Aber am Ende geht es immer wieder ums Üben."
Jeff Mallom hat Panikattacken im Zusammenhang mit seiner Multiplen Sklerose besser im Griff, seit er jeden Morgen um fünf Uhr eine Stunde meditiert. Er ist selbst überrascht, dass er sich damit besser fühlt, als in Zeiten, in denen er länger im Bett liegen blieb.
"Es ist anstrengend, schwierig, nicht einfach. Man muss regelmäßig üben. Aber wenn man seinen Rhythmus findet, freut man sich darauf. Ich zumindest. Ich habe mehr Energie nach der Meditation und dem Atmen mit Körper-Achtsamkeit."
Die von aktuellen Nachrichten und der aufmüpfigen Tochter gestresste Lehrerin Linda Badii ist noch nicht soweit, sieht aber auch schon positive Entwicklungen. Sie ist erleichtert, dass die Kursleiterin nicht versucht, ihr ihre Gefühle zu nehmen oder eine Religion aufzudrängen. Sie wird auch nicht zum Verdrängen unangenehmer Tatsachen aufgefordert oder zum Aufschreiben positiver Aussagen für Spiegel und Kühlschrank, wie sie das aus anderen Kursen zur Selbstverbesserung kennt.
"Die Wahrheit ist: Auf manche Dinge sollte man mit Verachtung und Wut reagieren. Wenn jemand lügt, betrügt, stiehlt, unseren Planeten zerstört - das verdient Verachtung und Wut. Gleichzeitig muss ich deshalb nicht persönlich sehr stark leiden, muss nicht von meinen Gefühlen überwältigt werden. Ich kann die Situation mit klarem Kopf sehen anstatt durch einen Nebel aus Wut und Verachtung."
Wenn ihr das gelingt, hat sie das wichtigste Ziel des Kurses erreicht. Denn dort geht es nicht darum, sich keine Sorgen mehr zu machen. Im Gegenteil - die Teilnehmer lernen, sich diesen Sorgen ehrlich zu stellen wie nie zuvor. Im besten Fall verlieren sie dadurch die Furcht davor, reduzieren damit den Stress und letztendlich den Schmerz.