Medizin

Marias neues Leben

OP-Saal: Ärzteteam arbeitet an der Magenverkleinerung einer stark übergewichtigen Patientin
Risikoreiche OP: Ärzteteam arbeitet an der Magenverkleinerung einer stark übergewichtigen Patientin © dpa / picture alliance / Waltraud Grubitzsch
Von Annegret Faber |
Diabetes oder Bluthochdruck: Ärzte stellen solche Krankheiten immer häufiger bei jungen Menschen fest. Der Grund dafür ist oft Fettleibigkeit. Fastfood und Bewegungsmangel zum Dank. Im Extremfall kann eine Magenverkleinerung ein Ausweg sein.
Maria sitzt im Wohnzimmer auf der Couch. Der Fernseher läuft. Als ich herein komme, macht sie ihn aus und begrüßt mich. Ihre Augen funkeln neugierig unter dem roten Pony. Sie wirkt sehr aufgeräumt und ist modisch gekleidet, trotz ihres Gewichts. 133 Kilo wiegt sie. Ihr Body Mass Index liegt weit über 50, also das Doppelte vom Durchschnitt. Vor eineinhalb Jahren entschieden sie und ihre Mutter sich für eine Magenverkleinerung.
Maria: "Also ich war vor zwei Jahren zur Kur gewesen und hatte da 10 kg abgenommen und hatte das aber dann im Doppelten wieder drauf gehabt und da habe ich gedacht, so kann es nicht weiter gehen, es muss irgendwas gemacht werden."
Die vielen Pfunde machen sich bereits bemerkbar. Maria hat mit 16 Jahren schon erste Anzeichen von Diabetes. Das ist ein Grund, warum die Ärzte der Leipziger Universitätsklinik Maria in ihrer Entscheidung für eine OP unterstützen. Doch bis es so weit ist, vergeht mindestens ein Jahr. Maria muss in dieser Zeit beweisen, dass sie nach der OP gesund leben wird. Auf dem Programm stehen eine Kur, einmal in der Woche Sport, ein Ernährungstagebuch muss sie führen und sie muss regelmäßig zum Psychologen gehen. Nur wenn sie all das durchhält, zahlt ihre Kasse die Operation. Maria zählt die Punkte auf, als wäre es nichts. Es scheint ihr nicht schwer gefallen zu sein.
Maria: "Ja, weil ich wusste, wofür ich das mache. "
800.000 Kinder in Deutschland sind fettleibig
Maria will endlich abnehmen. Und sie ist damit kein Einzelfall. Zwei Drittel der deutschen Kinder sind zu dick, 800.000 sogar fettleibig. Die Folgen sind Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen oder Haltungsschäden. Ein so genannter bariatrischer Eingriff könne aber nur im Extremfall helfen, sagt ihr Chirurg Dr. Arne Dietrich:

"Da wird der Magen ganz weit oben durchtrennt, das bloß noch so ein kleiner Restmagen da ist und da wird dann der Dünndarm angeschlossen, dass macht man etwas großzügiger, dass im Endeffekt ca. zwei Meter von der Verdauung ausgeschlossen sind und dadurch von dem Fett, was man aufnimmt nicht alles resorbiert wird. "
Die OP birgt Risiken. Das Sterblichkeitsrisiko liegt bei einem Prozent und der Erfolg beweist sich nicht auf dem OP Tisch, sondern erst Jahre danach.
"Nach einem bariatrischen Eingriff soll man lebenslänglich zur Nachsorge kommen und das kann beim Jugendlichen immer passieren dass er sagt, das ist alles Quatsch, ich komme nicht mehr, gehe nicht mehr zur Nachsorge. Und das ist das Hauptproblem bei Jugendlichen, was ich sehe, aber was die meisten Kollegen auch sehen."
Danach heißt es, kontrolliert und gesund essen, Ernährungstagebuch führen, regemäßige Kontrollen beim Arzt. Das hält nicht jeder durch. Für Ernährungswissenschaftlerin Sibylle Kapellen ist ein bariatrischer Eingriff deshalb:
Sibylle Kapellen: "Einfach eine Option, aber mit Risiken, aber auch mit ungewissen Ausgang. Denn nicht bei allen funktioniert das so gut, wie man sich das vorstellt."
Körper erhält nach OP nicht genügend Nährstoffe
Idealerweise sollen nur Jugendlichen operiert werden, die schon fast ausgewachsen sind. 95% ihrer errechneten Größe sollten sie erreicht haben. Denn nach einer OP bekommt der Körper, allein durch die Ernährung, nicht mehr genügend Nährstoffe.
"Na, Vitamin B 12 kann gar nicht mehr aufgenommen werden, das heißt, es muss gespritzt werden und ansonsten ist es generell alle Vitamine, Mineralstoffe sind dann im Defizit und es muss supplementiert werden."
Das heißt, der Jugendliche schluckt täglich zusätzlich Vitamine und Mineralien. Deshalb muss er mental stabil sein. Doch all die Mühen sind sinnvoll, sagt Marias Chirurg. Denn die vielen Kilos belasten den jugendlichen Körper sehr. Genauso schwerwiegend seien aber auch soziale Ausgrenzungen.
Arne Dietrich: "Denen geht mehr oder weniger die Jugend verloren, die haben Probleme in der Partnerschaft, die haben Probleme eine gescheite Ausbildung zu bekommen oder Einstieg ins Berufsleben, dass die da schon mal diskriminiert sind."
Ich spreche Maria darauf an: Wird sie ausgegrenzt? Sie widerspricht und antwortet selbstbewusst:
Maria: "Ich hatte damit nie Probleme gehabt, in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Wer Vorurteile hat, ist bei mir an der falschen Stelle und ich hatte damit nie Probleme. Weder bei der Ausbildung, noch irgendwas anderes."
Maria ist dick, seit sie ein Baby ist, erzählt ihre Mutter, die jetzt neben ihr auf dem Sofa Platz genommen hat. Der Arzt sagt, sie ist eine sehr gute Verwerterin, hat aber keine Stoffwechselkrankheit. Sie müsse sich noch mehr bemühen gesund zu essen. Dass Maria es kann, hat sie im letzten Jahr bewiesen. Und nun steht die OP bevor. In wenigen Wochen ist es soweit. Maria wird es schaffen und langfristig abnehmen, sagt ihre Mutter. Sie wünscht ihr:
"… dass Sie es durchhält. Im Kopf ist es drinnen bei ihr und ich denke dass sie dann ihren Weg macht und ein neues Leben beginnt."
In Deutschland leben bereits 70 Kinder und Jugendliche mit einem verkleinerten Verdauungssystem, so die deutsche Qualitätssicherungsstudie Adipositas. Erfahrungsgemäß nehmen sie nach der OP sofort ab. Nach zwei, drei Jahren kann es kritisch werden. Dann nehmen einige Patienten wieder zu. Fast Food und Süßigkeiten locken jeden Tag aufs Neue. Der Erfolg des Eingriffs liegt deshalb vor allem in der Willenskraft der jungen Patienten.
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