Medizin

Zahl der Organspender um ein Drittel gesunken

Das Anatomische Modell von einem menschlichen Herz, aufgenommen am 05.09.2012 in der Medizinischen Hochschule Hannover
Dringend gesucht: 1235 Menschen warten über Eurotransplant auf ein neues Herz. © dpa / Emily Wabitsch
Mehr als 10.000 Menschen warten bei der Stiftung Eurotransplant auf eine neue Niere. Zugleich geht den Spendenbereitschaft in der Bevölkerung zurück. Axel Rahmel von der Deutschen Stiftung Organtransplantation hält das für schizophren.
Gabi Wuttke: Könnten Menschen noch leben, wenn ihre Organe nicht anderen hätten helfen sollen? Diese heikle Frage hat noch kein Richter abschließend beantwortet, zwei Jahre, nachdem ein Leberchirurg in Göttingen aufflog, der Transplantationswartelisten nach Gutdünken änderte. Auch am heutigen bundesweiten Tag der Organspende wird um verlorengegangenes Vertrauen geworben. Axel Rahmel ist der medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Einen schönen guten Morgen, Herr Rahmel!
Axel Rahmel: Guten Morgen, Frau Wuttke!
Wuttke: Zahlen belegen, die Bereitschaft in Deutschland, Organe zu spenden, ist dramatisch niedrig geworden. Wie lauten die Zahlen?
Rahmel: Wenn Sie das Jahr 2013 betrachten, dann waren im ganzen Jahr 2013 876 Menschen bereit, nach ihrem Tod Organe zu spenden. Ist das wenig? Wenn Sie das vergleichen mit dem Jahr 2010 –
Wuttke: Also dem Jahr, bevor bekannt wurde, was auch in Göttingen passiert war.
Rahmel: Genau. Dann hatten wir damals noch fast 1.300 Spender. Das ist also ein Rückgang um gut ein Drittel.
Wuttke: Dass sich die Zahlen nicht erholt haben, Herr Rahmel, heißt das auch, die vom Bundesgesundheitsministerium finanzierte Werbekampagne, um mit Prominenten das Vertrauen potenzieller Organspender wiederzubekommen, war letztlich raus geschmissenes Geld?
"Grundstimmung ist nach wie vor überwiegend positiv"
Rahmel: Das würde ich so nicht sehen. Natürlich ist es so, dass es viel einfacher ist, Vertrauen zu zerstören, als Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Aber das bedeutet ja nicht, dass man dann den Kopf in den Sand stecken muss. Und was eigentlich ganz ermutigend ist, und das zeigen mehrere Umfragen, die jetzt kürzlich auch von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung noch veröffentlicht worden sind: Die Grundstimmung in der deutschen Bevölkerung ist nach wie vor doch überwiegend positiv gegenüber der Organspende. Natürlich wollen die Menschen sicher sein, dass mit ihrem Geschenk, das sie machen, nach ihrem Tod auch sorgfältig umgegangen wird.
Wuttke: Wollen und Geben sind durchaus zwei Paar Schuhe. Etwas haben zu wollen, was man selbst nicht geben will, aus welchen Gründen auch immer, wird wahrscheinlich trotz der Transplantationsskandale im Jahr 2012 immer ein Dilemma bleiben, oder?
Rahmel: Na ja, es ist in der Tat so, dass es einen Teil der Menschen gibt, die sagen, ich bin nicht als Organspender bereit, Organe zu spenden, andererseits ist die Zahl der Menschen, die selber, wenn es ihnen schlecht gehen würde, gerne ein Organ empfangen würden, um noch weiter mit guter Qualität leben zu können, deutlich höher. Das ist eine gewisse Schizophrenie, und ich glaube, jeder sollte sich genau über diesen Punkt durchaus auch Gedanken machen. Das Ziel unseres Tages der Organspende ist ja, die Menschen anzuregen, über die Organspende nachzudenken, und das ist sicherlich auch ein Teilaspekt, dass jeder sich selber darüber Gedanken machen sollte, ob er nicht nur haben will, sondern gegebenenfalls auch bereit wäre zu geben. Das soll aber natürlich immer eine freiwillige Entscheidung bleiben.
Wuttke: Für manche Menschen ist möglicherweise durch das, was in Kliniken passiert ist, eine Beförderung der Skepsis, die sie schon ihr ganzes Leben tragen und bewirkt hat, dass sie sich niemals ernsthaft überlegt haben, einen Organspendeausweis zu beantragen – wie groß am augenblicklichen Dilemma der zurückgehenden Zahlen ist denn die intransparente Vergabe?
Rahmel: Das ist im Moment ganz schwer zu beantworten, weil – was wir wissen aus den Umfragen, ist, dass tatsächlich ungefähr die Hälfte der Menschen schon aufgrund der Unregelmäßigkeiten, die dort stattgefunden haben, besorgt sind. Die Vergabe selber ist ja eigentlich nicht intransparent. Denn die Regeln, die dort aufgestellt sind, die sind ganz klar. Die können Sie auch interessanterweise, wenn Sie das wollen, jederzeit im Internet nachlesen zum Beispiel, oder in den Veröffentlichungen – die Regeln sind klar. Das Entscheidende ist natürlich - Voraussetzung für die Umsetzung ist, dass die Informationen, die an die Vermittlungsstelle gesandt werden, dass die auch korrekt sind. Und das war in den vergangenen Jahren leider nicht der Fall. Allerdings sind da ja Maßnahmen ergriffen worden, um genau das in Zukunft zu verhindern.
"Es sind interne und externe Kontrollen eingeführt worden"
Wuttke: Inwiefern?
Rahmel: Es sind interne und externe Kontrollen eingeführt worden. Das heißt, intern, innerhalb der Transplantationszentren ist es nicht mehr so, dass ein einzelner Arzt entscheidet darüber, wer auf die Warteliste aufgenommen wird, welche Daten an die Vermittlungsstelle Eurotransplant übermittelt werden. Extern ist durch eine Änderung des Transplantationsgesetzes eingeführt worden, dass die Transplantationszentren unangekündigt jederzeit kontrolliert werden können und dort die jeweiligen Informationen in den Transplantationszentren überprüft werden können.
Wuttke: Hat die DSO eigentlich auch einen ganz besonderen Dialog mit der Ärzteschaft zum Thema?
Rahmel: Ja, unser Auftrag als Deutsche Stiftung Organtransplantation ist ja, dafür zu sorgen, dass, wenn jemand den Wunsch hatte, nach seinem Tod Organe zu spenden, auch dies zu realisieren. Wir sorgen dafür, betreuen die Spenderkrankenhäuser, sorgen dafür, dass Entnahmechirurgen, qualifizierte Entnahmechirurgen in die Spenderkrankenhäuser kommen und dass die Organe sicher und gut verwahrt an das Transplantationszentrum transportiert werden. Wichtig ist natürlich die Zusammenarbeit mit den Spenderkrankenhäusern – die müssen ja den ersten Schritt tun, die müssen an uns herantreten, die müssen uns darüber informieren, dass in ihrem Krankenhaus ein Patient am Hirntod verstorben ist. Und da ist die Kontaktstelle der neu eingerichtete Transplantationsbeauftragte – in allen Krankenhäusern soll ein Transplantationsbeauftragter auf diese Aspekte achten, und der muss mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation dann in Kontakt treten.
Wuttke: Am heutigen bundesweiten Aktionstag der Organspende im Deutschlandradio Kultur Axel Rahmel, der medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation. Herr Rahmel, besten Dank für Ihre Erläuterungen, alles Gute, auch heute!
Rahmel: Herzlichen Dank!
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