Medizinerin konstatiert "Überdiagnosen" bei Brustkrebs durch Screening
300 bis 400 Millionen Euro kostet die flächendeckende Mammografie-Screening zur Brustkrebsvorsorge. Die Medizinerin Ingrid Mühlhauser stellt in Zweifel, "ob das Nutzen-Schaden-Kosten-Verhältnis überhaupt angemessen ist für eine solche Reihenuntersuchung".
Katrin Heise: Jede neunte oder zehnte Frau erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Diese Zahlen, die erschrecken, vor allem, wenn frau diese Zahlen im entsprechenden Alter durch Beispiele im Bekanntenkreis bestätigt findet. Und dann, so um den 50. Geburtstag herum, kommt mit der Post die Einladung zur Brustkrebsfrüherkennung per Mammografie. Seit ungefähr fünf Jahren wird dieses Screening, diese Reihenuntersuchung durchgeführt, aber rettet Vorsorge tatsächlich Leben? Eine englische Studie bezweifelte dies jüngst.
Und darüber möchte ich Auskunft bekommen von der Medizinerin und Professorin für Gesundheitswissenschaft, von Ingrid Mühlhauser. Schönen guten Tag, Frau Mühlhauser.
Ingrid Mühlhauser: Schönen guten Tag, Frau Heise.
Heise: Die englische Studie von der Universität in Oxford betrachtete den Zusammenhang zwischen Früherkennung und Todesrisiko über 39 Jahre hinweg. Das ist ja ein sehr, sehr langer Zeitraum für eine Studie. Was hat die herausgefunden?
Mühlhauser: Die Autoren dieser Studie berichten, dass sie keinen Einfluss des Mammografie-Screenings auf die Abnahme der Brustkrebssterblichkeit nachweisen können. Jetzt muss man dazu sagen, das sind Bevölkerungsdaten, Auswertungen von Krebsregistern und ähnlichen Datenbanken. Im Grunde genommen sind diese Ergebnisse auch mit großen Unsicherheiten natürlich verbunden.
Aber das, was man sicher sehen kann in dieser Studie, ist, dass die Brustkrebssterblichkeit zurückgeht, aber eben nicht nur in der Gruppe der Frauen, die seit vielen Jahren zum Screening eingeladen werden, sondern vor allem auch bei jenen Gruppen von Frauen, die sehr viel jünger sind und gar nicht eingeladen werden zum Mammografie-Screening. Es gibt also insgesamt eine Abnahme der Brustkrebssterblichkeit, die sich aber aufgrund dieser Studie nicht auf das Mammografiescreening zurückführen lässt.
Heise: Also, statistisch gesehen konnte die Gefahr, an Brustkrebs zu sterben, durch diese reihenweise Mammografie nicht verkleinert werden, verstehe ich. Aber eigentlich hätte man doch erwarten können, dass nach jahrelangen engmaschigen Vorsorgeuntersuchungen die Tumore frühzeitig erkannt werden und es überhaupt keine fortgeschrittenen Tumore mehr gibt, die zum Tode führen. Ist das nicht so?
Mühlhauser: Aus den guten klinischen, experimentellen Studien, die ja vorliegen zum Mammografie-Sreening – das sind etwa acht große randomisiert kontrollierte Studien, das heißt, wo die Frauen nach dem Zufallsprinzip dem Screening oder Nicht-Screening zugewiesen wurden, insgesamt wurden etwa 600.000 Frauen über im Mittel zehn Jahre beobachtet –, zeigt sich, dass es einen gewissen Nutzen gibt für einzelne Frauen. Das heißt, einzelne Frauen sterben tatsächlich in einem bestimmten Zeitraum weniger am Brustkrebs durch dieses Mammografie-Screening.
Aber der Nutzen scheint so gering zu sein, dass sich das auf einer Bevölkerungsebene offensichtlich nicht nachweisen lässt, weil es gibt eben andere Faktoren, die offenbar sehr viel bedeutsamer sind für die Brustkrebssterblichkeit, wie zum Beispiel eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten, eine bessere Betreuung der Frauen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird.
Heise: Aber es kommt doch auch immer darauf an, dass Brustkrebs sehr früh diagnostiziert wird, um eben dann vielleicht auch schonender behandeln zu können. Das ist doch sicherlich nach wie vor ein Vorteil der Mammografie?
Mühlhauser: Das ist grundsätzlich das Prinzip, man möchte durch die Früherkennungsuntersuchung den Brustkrebs früher erkennen. Man kann ihn nicht verhindern dadurch, aber man könnte ihn früher erkennen. Allerdings ist es so, dass offenbar nur einzelne von diesen Brustkrebsformen tatsächlich durch die frühere Diagnose auch eine bessere Prognose haben. Viele Brustkrebsformen haben auch keine schlechtere Prognose, wenn man sie erst später, in einem späteren Stadium diagnostiziert. Insgesamt ist es so, dass durch diese Früherkennungsuntersuchungen es zu einer deutlichen Zunahme von Brustkrebsdiagnose gekommen ist.
Wir haben also sehr viel mehr Brustkrebs heute mit dem Screening als ohne Screening und wir gehen heute davon aus, aufgrund zahlreicher Untersuchungen und Analysen, dass ein erheblicher Anteil dieser Brustkrebse, die da diagnostiziert werden, sogenannte Überdiagnosen sind. Das heißt, es handelt sich um Brustkrebse, die ohne das Screening zeitlebens der Frau sich nicht bemerkbar gemacht hätten. Das heißt, es gibt Frauen, die hier eine Diagnose bekommen von Brustkrebs, die sie nicht bekommen hätten, wenn sie nicht zum Mammografie-Screening gegangen wären. Und diese Brustkrebsformen werden natürlich auch behandelt. Das heißt, insgesamt gibt es eigentlich eine Zunahme an Behandlungen und nicht die Abnahme, die man sich erhofft hatte durch das Mammografie-Screening.
Heise: Die Frage nach dem Nutzen der Brustkrebsfrüherkennung durch Mammografie, die erörtere ich im Deutschlandradio Kultur mit der Medizinerin Ingrid Mühlhauser. Frau Mühlhauser, wie groß sind die Diagnoseschwierigkeiten bei Brustkrebs?
Mühlhauser: Die Mammografie ist eigentlich eine sehr gute Untersuchungsmethode, wenn man einfach nur die Testeigenschaften der Mammografie anschaut. Eigentlich ist es ein sehr guter Test. Das Problem mit der Mammografie zur Früherkennung ist eigentlich, dass wir etwas suchen, was vergleichsweise selten ist. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen absurd, weil es ja immer heißt, Brustkrebs ist so häufig. Aber im Grunde genommen ist es trotzdem eine relativ seltene Erkrankung, wenn ich Frauen zwischen 50 und 69 Jahren mit dieser Mammografie untersuche.
Daher ist sozusagen die Effizienz dieses Testes nicht ausreichend. Wir haben also Überdiagnosen, wir haben eine ganze Reihe von Verdachtsbefunden, die erst weiter abgeklärt werden müssen, bis sich dann herausstellt, dass doch kein Brustkrebs vorliegt. Und es werden natürlich auch Krebse übersehen, sie werden mit der Mammografie trotzdem nicht diagnostiziert.
Heise: Beispielsweise, wenn die sich in den zwei Jahren dazwischen, zwischen den Untersuchungen bilden.
Mühlhauser: Genau. Also, einerseits kann die Mammografie tatsächlich auch Krebse übersehen, das heißt, das Bild wird entweder nicht richtig interpretiert von den Ärzten, oder der Tumor war gar nicht sichtbar oder es handelt sich um einen besonders bösartigen Tumor, den man sowieso nicht hätte rechtzeitig erkennen können, auch mit der Mammografie nicht.
Heise: Sie haben ja auch eben schon die Unsicherheit der Frauen angesprochen, also, wenn da etwas gefunden wird, was dann geklärt werden muss, und diese Unsicherheit, die da, bis Klärung des Befundes stattfindet, wie die da durchgemacht werden muss. Wie hoch wiegt diese Unsicherheit, wie sehr muss man die mit einbeziehen in dieses Für oder Wider?
Mühlhauser: Also, die Frauen sollen auf alle Fälle, wenn sie sich entscheiden, daran teilzunehmen, an dieser Reihenuntersuchung, davon ausgehen, dass, wenn sie einen Verdachtsbefund bekommen, die Wahrscheinlichkeit, dass Brustkrebs vorliegt, relativ gering ist. Die meisten dieser Frauen haben dann doch keinen Brustkrebs. Das heißt, sie sollen sich nicht verrückt machen, wenn da ein Verdachtsbefund erst mal auftritt. Und sie müssen natürlich damit rechnen, dass, selbst wenn sie einen normalen Befund haben, trotzdem in der Zwischenzeit Brustkrebs auftreten kann, den man selber tastet zum Beispiel.
Aber sie müssen vor allem – das ist eben das Entscheidende –, sie müssen davon ausgehen, dass sie eine Diagnose bekommen, die sie nicht bekommen hätten, wenn sie nicht zum Brustkrebsscreening gegangen wären.
Heise: Bei diesen Bedenken, die jährlichen Kosten der flächendeckenden Mammografie in Deutschland liegen bei 300 bis 400 Millionen Euro. Ist das eigentlich Ihrer Meinung nach dann doch sinnvoll investiertes Geld, oder gerade nicht?
Mühlhauser: Also, im Vergleich zu anderen Maßnahmen in der Medizin ist das ein extrem hoher Betrag, der hier ausgegeben wird. Wenn man das jetzt zum Beispiel umrechnet auf die Anzahl der Frauen, die dann in einem bestimmten Zeitraum an Brustkrebs sterben, sind das enorme Summen, die hier investiert werden. Und ich finde, es ist sicherlich richtig, dass man sich grundsätzlich immer wieder fragt, ob das Nutzen-Schaden-Kosten-Verhältnis überhaupt angemessen ist für eine solche Reihenuntersuchung.
Heise: Ihrer Meinung nach sollte das jetzt seit fünf Jahren praktizierte qualitätsgesicherte Screening gestoppt werden?
Mühlhauser: Das ist eine sehr schwierige Frage. Die kann ich auch nicht alleine entscheiden, das ist eine gesamtgesellschaftliche, eine politische Entscheidung. Was mir am Herzen liegt, ist, dass die Menschen verstehen, was der tatsächliche Nutzen und der Schaden ist. Die Daten müssen auf den Tisch und dann muss man gemeinsam entscheiden, ob man das machen möchte oder nicht.
Heise: Würden Sie sagen, es muss eigentlich ganz andere, neue Methoden der Vorsorgeuntersuchung eher geben?
Mühlhauser: Also, die anderen Methoden, die auch durchgeführt werden wie zum Beispiel der Ultraschall, die Ultraschalluntersuchung oder die Magnetresonanztomografie, die sind letztlich nicht die Lösung für das Problem. Einerseits, wenn Sie mehr untersuchen, finden Sie auch wieder mehr Brustkrebse, die man besser nicht gefunden hätte, oder Verdachtsbefunde. Die Magnetresonanztomografie ist auch eine sehr aufwendige Untersuchung, die nur an bestimmten Zentren überhaupt angeboten wird, also, als Screening-Untersuchung eignet sich diese Methode nicht.
Heise: Also, letztendlich würden Sie sagen, für die eigene Entscheidung: Beratung, Beratung, Beratung, sich Gedanken darüber machen, dass vieles dann trotzdem unwägbar ist.
Mühlhauser: Es gibt gute Informationsbroschüren, zum Beispiel von der Barmer und der Techniker Krankenkasse, die kann man sich über das Internet holen oder über das Nationale Netzwerk Frauen und Gesundheit. Wenn Sie auf die Internetseite gehen, finden Sie gute Informationsbroschüren. Und man sollte sich das sehr gut überlegen, ob man das machen möchte oder nicht, und man soll kein schlechtes Gewissen haben, wenn man an dieser Untersuchung nicht teilnimmt. Allerdings sollte man immer im Auge behalten, dass man seinen eigenen Brustkrebs bekommt. Man kann den Brustkrebs ja nicht verhindern. Das heißt, auch wenn ich nicht dahin gehe, egal ob ich hingehe oder nicht, ich bekomme meinen Brustkrebs. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Brustkrebsdiagnose bekomme, ist allerdings höher, wenn ich zur Früherkennungsuntersuchung gehe.
Heise: Ingrid Mühlhauser, Professorin in Hamburg für Gesundheit. Ich danke Ihnen für die Informationen. Unser Thema: Brustkrebsfrüherkennung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Frau Mühlhauser.
Mühlhauser: Danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Und darüber möchte ich Auskunft bekommen von der Medizinerin und Professorin für Gesundheitswissenschaft, von Ingrid Mühlhauser. Schönen guten Tag, Frau Mühlhauser.
Ingrid Mühlhauser: Schönen guten Tag, Frau Heise.
Heise: Die englische Studie von der Universität in Oxford betrachtete den Zusammenhang zwischen Früherkennung und Todesrisiko über 39 Jahre hinweg. Das ist ja ein sehr, sehr langer Zeitraum für eine Studie. Was hat die herausgefunden?
Mühlhauser: Die Autoren dieser Studie berichten, dass sie keinen Einfluss des Mammografie-Screenings auf die Abnahme der Brustkrebssterblichkeit nachweisen können. Jetzt muss man dazu sagen, das sind Bevölkerungsdaten, Auswertungen von Krebsregistern und ähnlichen Datenbanken. Im Grunde genommen sind diese Ergebnisse auch mit großen Unsicherheiten natürlich verbunden.
Aber das, was man sicher sehen kann in dieser Studie, ist, dass die Brustkrebssterblichkeit zurückgeht, aber eben nicht nur in der Gruppe der Frauen, die seit vielen Jahren zum Screening eingeladen werden, sondern vor allem auch bei jenen Gruppen von Frauen, die sehr viel jünger sind und gar nicht eingeladen werden zum Mammografie-Screening. Es gibt also insgesamt eine Abnahme der Brustkrebssterblichkeit, die sich aber aufgrund dieser Studie nicht auf das Mammografiescreening zurückführen lässt.
Heise: Also, statistisch gesehen konnte die Gefahr, an Brustkrebs zu sterben, durch diese reihenweise Mammografie nicht verkleinert werden, verstehe ich. Aber eigentlich hätte man doch erwarten können, dass nach jahrelangen engmaschigen Vorsorgeuntersuchungen die Tumore frühzeitig erkannt werden und es überhaupt keine fortgeschrittenen Tumore mehr gibt, die zum Tode führen. Ist das nicht so?
Mühlhauser: Aus den guten klinischen, experimentellen Studien, die ja vorliegen zum Mammografie-Sreening – das sind etwa acht große randomisiert kontrollierte Studien, das heißt, wo die Frauen nach dem Zufallsprinzip dem Screening oder Nicht-Screening zugewiesen wurden, insgesamt wurden etwa 600.000 Frauen über im Mittel zehn Jahre beobachtet –, zeigt sich, dass es einen gewissen Nutzen gibt für einzelne Frauen. Das heißt, einzelne Frauen sterben tatsächlich in einem bestimmten Zeitraum weniger am Brustkrebs durch dieses Mammografie-Screening.
Aber der Nutzen scheint so gering zu sein, dass sich das auf einer Bevölkerungsebene offensichtlich nicht nachweisen lässt, weil es gibt eben andere Faktoren, die offenbar sehr viel bedeutsamer sind für die Brustkrebssterblichkeit, wie zum Beispiel eine Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten, eine bessere Betreuung der Frauen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird.
Heise: Aber es kommt doch auch immer darauf an, dass Brustkrebs sehr früh diagnostiziert wird, um eben dann vielleicht auch schonender behandeln zu können. Das ist doch sicherlich nach wie vor ein Vorteil der Mammografie?
Mühlhauser: Das ist grundsätzlich das Prinzip, man möchte durch die Früherkennungsuntersuchung den Brustkrebs früher erkennen. Man kann ihn nicht verhindern dadurch, aber man könnte ihn früher erkennen. Allerdings ist es so, dass offenbar nur einzelne von diesen Brustkrebsformen tatsächlich durch die frühere Diagnose auch eine bessere Prognose haben. Viele Brustkrebsformen haben auch keine schlechtere Prognose, wenn man sie erst später, in einem späteren Stadium diagnostiziert. Insgesamt ist es so, dass durch diese Früherkennungsuntersuchungen es zu einer deutlichen Zunahme von Brustkrebsdiagnose gekommen ist.
Wir haben also sehr viel mehr Brustkrebs heute mit dem Screening als ohne Screening und wir gehen heute davon aus, aufgrund zahlreicher Untersuchungen und Analysen, dass ein erheblicher Anteil dieser Brustkrebse, die da diagnostiziert werden, sogenannte Überdiagnosen sind. Das heißt, es handelt sich um Brustkrebse, die ohne das Screening zeitlebens der Frau sich nicht bemerkbar gemacht hätten. Das heißt, es gibt Frauen, die hier eine Diagnose bekommen von Brustkrebs, die sie nicht bekommen hätten, wenn sie nicht zum Mammografie-Screening gegangen wären. Und diese Brustkrebsformen werden natürlich auch behandelt. Das heißt, insgesamt gibt es eigentlich eine Zunahme an Behandlungen und nicht die Abnahme, die man sich erhofft hatte durch das Mammografie-Screening.
Heise: Die Frage nach dem Nutzen der Brustkrebsfrüherkennung durch Mammografie, die erörtere ich im Deutschlandradio Kultur mit der Medizinerin Ingrid Mühlhauser. Frau Mühlhauser, wie groß sind die Diagnoseschwierigkeiten bei Brustkrebs?
Mühlhauser: Die Mammografie ist eigentlich eine sehr gute Untersuchungsmethode, wenn man einfach nur die Testeigenschaften der Mammografie anschaut. Eigentlich ist es ein sehr guter Test. Das Problem mit der Mammografie zur Früherkennung ist eigentlich, dass wir etwas suchen, was vergleichsweise selten ist. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen absurd, weil es ja immer heißt, Brustkrebs ist so häufig. Aber im Grunde genommen ist es trotzdem eine relativ seltene Erkrankung, wenn ich Frauen zwischen 50 und 69 Jahren mit dieser Mammografie untersuche.
Daher ist sozusagen die Effizienz dieses Testes nicht ausreichend. Wir haben also Überdiagnosen, wir haben eine ganze Reihe von Verdachtsbefunden, die erst weiter abgeklärt werden müssen, bis sich dann herausstellt, dass doch kein Brustkrebs vorliegt. Und es werden natürlich auch Krebse übersehen, sie werden mit der Mammografie trotzdem nicht diagnostiziert.
Heise: Beispielsweise, wenn die sich in den zwei Jahren dazwischen, zwischen den Untersuchungen bilden.
Mühlhauser: Genau. Also, einerseits kann die Mammografie tatsächlich auch Krebse übersehen, das heißt, das Bild wird entweder nicht richtig interpretiert von den Ärzten, oder der Tumor war gar nicht sichtbar oder es handelt sich um einen besonders bösartigen Tumor, den man sowieso nicht hätte rechtzeitig erkennen können, auch mit der Mammografie nicht.
Heise: Sie haben ja auch eben schon die Unsicherheit der Frauen angesprochen, also, wenn da etwas gefunden wird, was dann geklärt werden muss, und diese Unsicherheit, die da, bis Klärung des Befundes stattfindet, wie die da durchgemacht werden muss. Wie hoch wiegt diese Unsicherheit, wie sehr muss man die mit einbeziehen in dieses Für oder Wider?
Mühlhauser: Also, die Frauen sollen auf alle Fälle, wenn sie sich entscheiden, daran teilzunehmen, an dieser Reihenuntersuchung, davon ausgehen, dass, wenn sie einen Verdachtsbefund bekommen, die Wahrscheinlichkeit, dass Brustkrebs vorliegt, relativ gering ist. Die meisten dieser Frauen haben dann doch keinen Brustkrebs. Das heißt, sie sollen sich nicht verrückt machen, wenn da ein Verdachtsbefund erst mal auftritt. Und sie müssen natürlich damit rechnen, dass, selbst wenn sie einen normalen Befund haben, trotzdem in der Zwischenzeit Brustkrebs auftreten kann, den man selber tastet zum Beispiel.
Aber sie müssen vor allem – das ist eben das Entscheidende –, sie müssen davon ausgehen, dass sie eine Diagnose bekommen, die sie nicht bekommen hätten, wenn sie nicht zum Brustkrebsscreening gegangen wären.
Heise: Bei diesen Bedenken, die jährlichen Kosten der flächendeckenden Mammografie in Deutschland liegen bei 300 bis 400 Millionen Euro. Ist das eigentlich Ihrer Meinung nach dann doch sinnvoll investiertes Geld, oder gerade nicht?
Mühlhauser: Also, im Vergleich zu anderen Maßnahmen in der Medizin ist das ein extrem hoher Betrag, der hier ausgegeben wird. Wenn man das jetzt zum Beispiel umrechnet auf die Anzahl der Frauen, die dann in einem bestimmten Zeitraum an Brustkrebs sterben, sind das enorme Summen, die hier investiert werden. Und ich finde, es ist sicherlich richtig, dass man sich grundsätzlich immer wieder fragt, ob das Nutzen-Schaden-Kosten-Verhältnis überhaupt angemessen ist für eine solche Reihenuntersuchung.
Heise: Ihrer Meinung nach sollte das jetzt seit fünf Jahren praktizierte qualitätsgesicherte Screening gestoppt werden?
Mühlhauser: Das ist eine sehr schwierige Frage. Die kann ich auch nicht alleine entscheiden, das ist eine gesamtgesellschaftliche, eine politische Entscheidung. Was mir am Herzen liegt, ist, dass die Menschen verstehen, was der tatsächliche Nutzen und der Schaden ist. Die Daten müssen auf den Tisch und dann muss man gemeinsam entscheiden, ob man das machen möchte oder nicht.
Heise: Würden Sie sagen, es muss eigentlich ganz andere, neue Methoden der Vorsorgeuntersuchung eher geben?
Mühlhauser: Also, die anderen Methoden, die auch durchgeführt werden wie zum Beispiel der Ultraschall, die Ultraschalluntersuchung oder die Magnetresonanztomografie, die sind letztlich nicht die Lösung für das Problem. Einerseits, wenn Sie mehr untersuchen, finden Sie auch wieder mehr Brustkrebse, die man besser nicht gefunden hätte, oder Verdachtsbefunde. Die Magnetresonanztomografie ist auch eine sehr aufwendige Untersuchung, die nur an bestimmten Zentren überhaupt angeboten wird, also, als Screening-Untersuchung eignet sich diese Methode nicht.
Heise: Also, letztendlich würden Sie sagen, für die eigene Entscheidung: Beratung, Beratung, Beratung, sich Gedanken darüber machen, dass vieles dann trotzdem unwägbar ist.
Mühlhauser: Es gibt gute Informationsbroschüren, zum Beispiel von der Barmer und der Techniker Krankenkasse, die kann man sich über das Internet holen oder über das Nationale Netzwerk Frauen und Gesundheit. Wenn Sie auf die Internetseite gehen, finden Sie gute Informationsbroschüren. Und man sollte sich das sehr gut überlegen, ob man das machen möchte oder nicht, und man soll kein schlechtes Gewissen haben, wenn man an dieser Untersuchung nicht teilnimmt. Allerdings sollte man immer im Auge behalten, dass man seinen eigenen Brustkrebs bekommt. Man kann den Brustkrebs ja nicht verhindern. Das heißt, auch wenn ich nicht dahin gehe, egal ob ich hingehe oder nicht, ich bekomme meinen Brustkrebs. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eine Brustkrebsdiagnose bekomme, ist allerdings höher, wenn ich zur Früherkennungsuntersuchung gehe.
Heise: Ingrid Mühlhauser, Professorin in Hamburg für Gesundheit. Ich danke Ihnen für die Informationen. Unser Thema: Brustkrebsfrüherkennung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag, Frau Mühlhauser.
Mühlhauser: Danke.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.