Die Diskussion kommt zu früh
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Gesundheitsminister Jens Spahn möchte vor einer Entscheidung über einen Corona-Immunitätspass das Urteil des Deutschen Ethikrats abwarten. Der Mediziner Eckhard Nagel war selbst lange darin – er sagt, der Diskussion fehle die medizinische Grundlage.
Soll man auch beim Coronavirus wie im Impfpass bescheinigt bekommen können, dass man dagegen immun ist? Gesundheitsminister Jens Spahn hatte das vorgeschlagen – und nun seine umstrittenen Pläne erst einmal abgeschwächt. Der Deutschen Ethikrat soll zunächst befragt werden. Zu unabsehbar sind die Folgen, die eine solche Bestätigung nach sich ziehen könnte. Sie würde die Gesellschaft spalten – in jene, die sich nun wieder freier bewegen könnten, und die, die noch gefährdet sind.
"Alles andere führt zu Spekulationen"
Eckhard Nagel war bis 2016 selbst Mitglied im Deutschen Ethikrat. Er ist Mediziner und Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften an der Universität Bayreuth und hält die Untersuchung selbst für sinnvoll. Ähnliches kenne man bereits von einer Hepatitis- oder einer Gelbfieberimpfung: "Für jeden einzelnen von uns wäre das ein Gewinn."
Aber nur, sofern das Ergebnis tatsächlich verlässlich sei. Denn noch sei unklar, wie der Antikörpertest funktioniere und welche Bedeutung er hätte. Nach einer herbstlichen Influenza-Impfung sei man zum Beispiel noch lange nicht immun für die Welle des nächsten Jahres – "also da muss man noch viele Fragen stellen".
Was eine eventuelle Immunität für das eigene Verhalten – also den Drink an der Bar, die Übernachtung im Hotel oder die Fernreise – bedeuten würden, solche Fragen seien bis jetzt noch nie diskutiert worden. Es handle sich daher um eine schwierige Diskussion um Freiheit und Sicherheit, sagt Nagel:
"Ich würde dringend raten, diese Diskussion dann zu führen, wenn man sich medizinisch gesehen auf sicherem Boden bewegt. Alles andere führt zu Spekulationen, führt zu Irritationen, führt zur Sorge, dass meine Freiheit eingeschränkt wird."
(sed)