Medizinische Überwachung per Computer

Gespräch mit Michael Engel |
Was tun, wenn ein Astronaut im Orbit erkrankt? Ausgerechnet dann, wenn kein Arzt in der Nähe ist und dies auf absehbare Zeit auch so bleibt. Die Antwort auf diese nicht ganz unwichtige Frage in den Anfängen der Weltraumfahrt hieß "Telemedizin". Ärzte in der Bodenstation berieten die Astronauten in Fragen der Gesundheit. Mittlerweile ist die Telemedizin längst auf der Erde angekommen - und boomt. Auf der Computermesse CeBIT in Hannover füllt das Thema erstmals eine ganze Halle. Parallel dazu informiert ein fünftägiger Kongress über die vielen Facetten der Telemedizin. Frage an Michael Engel in Hannover:
Wie sieht eigentlich die "irdische Variante" der Telemedizin aus. Was ist da alles in der Halle 8 zu sehen?

Telemedizin: Transfer von Gesundheitsdaten, Bsp. Rettungshubschrauber, der die Patientendaten noch im Anflug an das OP-Team am Boden übermittelt. Oder: Video-Live-Operationen für die ärztliche Fortbildung, Messebesucher staunten nicht schlecht, als sie Chirurgen (live) über die Schulter schauen konnten.

Live-OPs und Datenfunk sind sicher nur ein Spezialfall der Telemedizin. Warum boomt es in diesem Bereich eigentlich so stark, sodass die Zahl der Aussteller von Jahr zu Jahr so stark ansteigt?

Die Zahl der Ärzte nimmt ab, die Zahl der chronisch Kranken nimmt zu.Telemedizin soll medizinische Versorgung sicherstellen. Diagnose- und Überwachungsgeräte stehen daheim beim Patienten, online mit Überwachungszentrale verbunden, schlagen Alarm, wenn etwas nicht stimmt. Hersteller entwickeln Geräte zur Überwachung von sehr häufigen Krankheiten: Diabetes, Herzschwäche, Lungenkrankheiten. Bsp. "Vitaphone" für Patienten mit Herzschwäche: EKG-Gerät im EC-Karten-Format, sendet Daten ans Handy, Handy sendet Daten an Überwachungszentrale.
Bsp. Bosch: Nicht nur Waschmaschinen und Autoelektrik, sondern jetzt auch telemedizinische Geräte - für Patienten mit Lungenkrankheiten. Patient muss in Gerät pusten, sinkt der Sauerstoffgehalt der Atemluft, meldet sich die Überwachungszentrale mit einer Behandlungsempfehlung.

Das alles klingt aufwändig und teuer. Was sagen eigentlich die Krankenkassen dazu? Oder müssen die Betroffenen die telemedizinischen Einrichtungen aus eigener Tasche bezahlen?

Die Krankenkassen haben ein hohes Interesse an der Telemedizin und finanzieren zahlreiche Studien. Erste Ergebnisse: Einsparungseffekte. Bsp: Studie bei 600 Patienten mit Herzschwäche, tägliche Überwachung hat zu einer Reduktion von Krankenhauseinweisungen geführt, Ersparnis: 3500 Euro pro Patient und Jahr. Amerikanische Studie mit 17.000 Patienten: Krankentage minus 25 Prozent.
Mittlerweile kooperieren fast alle großen Krankenkassen mit Geräteherstellern – AOK zum Beispiel mit Body-Tel (Online-Blutzuckermessgerät).
Hintergrund: 20 Prozent der Versicherten in Deutschland sind chronisch krank, verbrauchen aber 80 Prozent der Kosten: Chronisch Kranken effizienter zu betreuen und Kosten sparen – da könnte Telemedizin entscheidend sein.

Wie sieht das eigentlich mit der Datensicherheit aus, wenn da sensible Gesundheitsdaten der Patienten durch Telefonleitungen und Internetkabel sausen?

Da gibt es noch kein Gesamtkonzept, jeder Hersteller macht es anders, mal sind es Handy, mal Telefon-, mal Internetleitungen. Manche Service-Zentralen gehören sogar dem Gerätehersteller, andere sind eigenständige Privatunternehmen. Fazit: isolierte Insellösungen – auch mit Blick auf Zugriffsregelungen, Sicherheitsstandards. Noch fehlt die elektronische Gesundheitskarte, die ein erhebliches Plus an Sicherheit bringen könnte. Bisherige Datenbanken sind aber Passwort geschützt, damit die Patienten selbst, aber auch die behandelnden Ärzte auf die Daten zugreifen können. Sehr sicher ist das aber nicht, denn Passwörter lassen sich leicht ausspionieren.

Apropos "elektronische Gesundheitskarte": Wie geht's da eigentlich weiter?

Wenig Neues. Die "elektronische Gesundheitskarte" wurde ja als Voraussetzung für eine grundlegende Modernisierung des Gesundheitswesens konzipiert – gerade mit Blick auf die Datenkommunikation in der medizinischen Versorgung. Sie sollte längst schon flächendeckend eingeführt sein. Von der "Gematik" – der "Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH" war auf der Cebit zu erfahren, dass man zurzeit noch mit der "Bestandsaufnahme" beschäftigt ist. Und das kann dauern.

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