Wenn Patienten viel zu wenig wissen
Medizinprodukte wie künstliche Gelenke oder künstliche Bandscheiben werden nicht vom Staat kontrolliert. Zudem gebe es Fehlanreize im System. Verbraucherschützer raten daher, direkt mit dem Arzt über das Produkt zu sprechen, wenn eine OP ansteht.
Es geht um Herzschrittmacher, künstliche Hüftgelenke oder Brustimplantate: Nach den Recherchen eines weltweiten Journalistennetzwerks sind die Kontrollen bei Medizinprodukten lax und werden nicht nur von Patienteninteressen geleitet.
Die "Implant Files" haben das Zeug zum nächsten großen Skandal, an der Recherche sind 60 Medien beteiligt, darunter NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung".
Ein Problem bei Implantaten: Im Gegensatz zu Arzneimitteln werden Medizinprodukte nicht von staatlichen Stellen kontrolliert, sondern von privaten Prüfinstituten. Und die stehen im Wettbewerb untereinander. Probleme würden zudem nicht systematisch erfasst. Das System sei manipulierbar, fehlerhaft und verantwortlich für Tote, schreibt die "Süddeutsche Zeitung".
Nirgendwo werden alle Medizinprodukte erfasst
"Geahnt haben wir das schon lange", sagte Susanne Mauersberg, Referentin für Gesundheitspolitik bei der Verbraucherzentrale Bundesverband, im Deutschlandfunk Kultur. Sie fordert – zumindest für die sogenannten Hochrisikoprodukte –, dass eine staatliche Zulassungsstelle eingerichtet wird.
Ausgerechnet über Produkte, die in den Körper eingesetzt werden, wüssten Patienten und auch Ärzte oft nichts, kritisiert Mauersberg. Die Ankündigung von Bundesgesundheitsminister Spahn, eine industrieunabhängige Stelle aufzubauen, bei der alle verbauten Implantate gemeldet werden müssen, begrüßt sie. Weitere Schritte müssten aber noch folgen.
Patienten rät Mauersberg, sich vor einer Operation bei ihrem Arzt über das entsprechende Medizinprodukt zu erkundigen. Es gebe natürlich auch Implantate, die Ärzte schon länger einsetzten und von denen sie wüssten, dass sie gut sind, sagte die Expertin.
Vorsicht vor den besonders innovativen Produkten
Das Problem seien im Gegensatz dazu die besonders innovativen Produkte – für deren Einsatz Ärzte oft auch zusätzliche Gelder bekämen. Hier sei ein Fehlanreiz im System. Wenn Studien fehlten und wirtschaftliche Fehlanreize bestünden, sehe es für Patienten "ganz schlecht aus", monierte Mauersberg.
(ahe)