Meeresforscher entwickeln Osteoporose-Test

Von Jens Wellhöner · 31.01.2010
Meeresforscher beschäftigen sich ja normalerweise mit Fischen und Korallen. In Kiel gehen sie auf Abwegen: Sie haben bei ihren Forschungen im Meer zufällig ein neues Verfahren entdeckt, um beim Menschen Osteoporose, also die Brüchigkeit von Knochen, früher zu entdecken als bisher.
Ein Mini-U-Boot, unterwegs zum Meeresgrund vor der norwegischen Küste. Es soll dort Korallenriffe untersuchen. Diese Riffe bestehen vor allem aus Kalk. Und sind in Gefahr. Sie könnten in Zukunft weich werden und bröckeln. Der Grund: Kalziummangel, durch die Ozeanversauerung:

"Die Ozeanversauerung beeinflusst den Kalziumgehalt des Ozeanwassers. Und diese Verringerung ist natürlich eine Bedrohung für die kalsifizierenden Lebewesen, insbesondere für Korallen."

So der Meeresgeologe Anton Eisenhauer, vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften. Er und sein Team untersuchen, wie sich der Kalziumgehalt im Meerwasser seit Jahrtausenden verändert.
Eines ihrer Ergebnisse: Es gibt schweres und leichtes Kalzium. Ein schweres sogenanntes Kalzium-Isotop zeigt, dass die Korallenriffe wachsen, das leichte, dass die Tiere unter Kalziummangel leiden. Also an einer Art Ozean-Osteoporose. Und hier liegt der Vergleich mit dem Menschen auf der Hand, so Anton Eisenhauer:

"Osteoporose ist charakterisiert durch einen Kalziumverlust. Das heißt also der Körper gibt mehr Kalzium ab, als er aufnimmt."

Wie die Korallen so der Mensch: Mediziner wie Markus Bleich von der Kieler Uni erhoffen sich durch die neue Messmethode aus dem Meer eine bessere Diagnose von Knochenschwund:

"Also man könnte sich vorstellen, dass durch eine Messung von Gewichtsunterschieden, also Massenunterschieden im Kalzium, Erfolge oder Misserfolge bei einer Behandlung nicht-invasiv, also ohne dem Patienten zu verletzen, erfasst werden könnten."

Bisher kann Osteoporose nur durch aufwendige Tests erkannt werden. Dabei nutzen die Mediziner Röntgen-Strahlen, zwar in geringer Dosis, trotzdem ist das für den Körper belastend. Die neue Kalzium-Mess-Methode wäre da schonender: Vielleicht müssen in Zukunft die Patienten beim Arzt nur noch ihren Urin abgeben. Danach würde dann sofort gemessen, ob ihr Körper leichtes Kalzium ausscheidet, ein Zeichen für Osteoporose. Eine schnelle und wirksame Methode, so Claus Glüer, Spezialist für die Entstehung von Osteoporose an der Uni Kiel:

"Was mich fasziniert ist, dass man möglicherweise mit diesem neuen Verfahren sehr kurzzeitig Veränderungen feststellen könnte, zum Beispiel auch um den Einfluss von Ernährung auf die Osteoporose - was ein wichtiges Thema ist - oder von sportlicher Betätigung zu messen."

Das wäre ein wichtiger Fortschritt, sogar für Astronauten.

Auf der Internationalen Weltraumstation ISS sind nämlich Astronauten monatelang der Schwerelosigkeit ausgesetzt. Das bekommt vor allem ihren Knochen überhaupt nicht. Die Folge: eine Weltraum-Osteoporose. Vor wenigen Tagen war in der Raumstation sogar die Abwasserwiederaufbereitungsanlage defekt. Durch zu viel Kalzium im Urin der Astronauten. Anton Eisenhauer:

"Und das hat damit zu tun, dass man schon seit Jahren beobachtet, dass bei langen Raumflügen, der menschliche Körper offensichtlich sehr viel Kalzium verliert. Das ist für die NASA ein großes Problem, denn hinsichtlich einer bemannten Mission zum Mars muss dieses Problem natürlich geklärt werden. Und man sucht nach Methoden, zur Überprüfung des Kalziumverlustes von Astronauten."

Meeresforscher Eisenhauer will seine neue Kalzium-Messmethode jetzt auch der Europäischen Weltraumbehörde vorstellen:

"Das wäre eine astronautenfreundliche und sensitive Methode, um die Nahrungsaufnahme zeitnah anzupassen, Kalziumverluste eventuell auch auszugleichen."

Die Kieler Meeresforscher arbeiten jetzt mit Medizinern zusammen. Und wollen in einer groß angelegten Studie untersuchen, ob die Messmethode aus dem Meer wirklich auch beim Menschen zuverlässig ist.