Meg Wolitzer: "Die Ehefrau"

Bissige Abrechnung mit männlicher Egozentrik

Aufkleber mit Venus- und Marssymbol als Zeichen für Frauen und Männer
Meg Wolitzer liefert einen entlarvenden Blick auf das Geschlechterverhältnis © picture alliance / dpa / Jan Woitas
Von Irene Binal |
Meg Wolitzer ist für ihren scharfen Blick auf und in die US-amerikanische Gesellschaft bekannt. In ihrem jetzt auf Deutsch erschienenen Roman "Die Ehefrau" liefert sie nach Meinung unserer Kritikerin ein "feministisches Meisterstück" – ohne jeden Missionierungsanspruch.
Im Flugzeug sitzen sie nebeneinander, der gefeierte Romancier Joe Castleman und seine nicht ganz so gefeierte Frau Joan. Und während er bereitwillig Kekse, Erdnüsse und Einwegpantoffeln von der Flugbegleiterin entgegennimmt, beschließt sie, ihn zu verlassen:
"Wir waren auf dem Weg zum Ende unserer Ehe, bewegten uns auf den Punkt zu, an dem ich endlich den Stecker ziehen und mich von dem Ehemann trennen dürfte, mit dem ich Jahr für Jahr zusammengelebt hatte."
Dabei ist Joe gerade auf dem Weg zu seinem größten Erfolg, der Verleihung des Helsinki-Preises - der ist zwar nicht ganz so bedeutend wie der Nobelpreis, aber fast.
Was steckt hinter Joans Entschluss, was ist passiert in dieser nach außen so vorbildlichen Ehe?
Die Antwort gibt Meg Wolitzer in "Die Ehefrau", indem sie in Joans Erinnerungen eintaucht. Erinnerungen daran, wie sich die begabte Studentin Joan in ihren noch mit seiner ersten Frau verheirateten Professor verliebt, wie sie seinen Aufstieg begleitet, wie sie mit seiner Eitelkeit, seiner Egomanie und seinen zahlreichen Affären fertigwerden muss und ihr eigenes, großes Talent seiner Karriere unterordnet. Es ist ein für die Sechziger-Jahre recht typisches Frauenschicksal, in das Meg Wolitzer mit großer Kunstfertigkeit und genauem Blick eintaucht.

Kein Übermaß an Handlung

Ihr aktueller Roman besticht nicht durch ein Übermaß an Handlung – tatsächlich durchstreift er einen ziemlich normalen Alltag, bestehend aus der Sorge um die drei Kinder, gelegentliche Literatenfeste, mehrere Reisen und ab und an einem Joint oder auch zwei –, sondern durch eine lässig-elegante Prosa, ein feines Gespür für psychologische Zwischentöne sowie einen klugen und erfrischend bösartigen Humor, insbesondere wenn es um ruhmreichen Ehemann geht:
"Wo auch immer er hinging, lagen Lorbeerkränze, die unter seinen Schritten raschelten und brachen, und sich windende Weinranken und Blätter, auf denen er sich zufrieden ausstrecken konnte."
Überhaupt ist männliche Egozentrik ein zentrales Thema. Joe ist so etwas wie der Prototyp des leidenden Künstlers – obwohl er gar nicht viel Grund zum Leiden hat. Ein Mann, der begeistert auf jede Bühne springt und nie Zweifel an der eigenen Bedeutung zu haben scheint.
Für Frauen ist im Literaturbetrieb kaum Platz, sie treten meist nur als Musen auf und versorgen ihre schreibenden Männer mit Kaffee, Sex und Aufmerksamkeit – und so steht Joan auf Partys bei den Ehefrauen herum, obwohl sie genug Talent hätte, um selbst berühmt zu werden.

Ohne Missionierungsanspruch

Im Grunde ist Meg Wolitzers Roman ein feministisches Meisterstück, freilich ohne Missionierungsanspruch oder Wehleidigkeit, ein scharf sezierender Text, der menschliche Schwächen mit viel Ironie ans Tageslicht zerrt. Es geht um weibliches und männliches Schreiben, um Egoismen und den Umgang mit Ruhm, um Sonnen- und Schattenseiten des Literaturkarussells und nicht zuletzt um die Abgründe einer Ehe, die von "unerbittlicher Langeweile" geprägt ist und in der nicht alles so ist, wie es scheint.
In den USA ist das Buch schon 2003 erschienen – seine Themen sind jedoch heute so aktuell wie eh und je.

Meg Wolitzer: "Die Ehefrau"
Roman, aus dem Englischen von Stephan Kleiner, Dumont, Köln 2016
270 Seiten, 23 Euro

Zum Reinlesen - weitere auf Deutsch erschienene Romane der Autorin:
"Die Interessanten", DuMont, 2016, 605 Seiten, 9,99 Euro
"Die Stellung", DuMont, 2016, 368 Seiten, 12 Euro
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