Mehr als nur ein Sommerurlaub

Von Carsten Probst · 04.08.2012
Sommerakademie in Salzburg: Bildende Künstler - Anfänger und Erfahrenere - aus aller Welt kommen zusammen, um gemeinsam etwas von Profis zu lernen. Oder auch mit ihnen.
"Also ich denke, Kunst machen, über Kunst reflektieren, Kunst vermitteln ist immer politisch. Du bist immer nah dran an dem, was unsere Gesellschaft treibt, und insofern: politisch","

sagt Hildgund Amanshauser, die Kunsthistorikerin und Kuratorin, die vor drei Jahren die Leitung der Sommerakademie für Bildende Kunst in Salzburg übernommen hat. In dieser Zeit hat sie dem Begriff Sommerakademie eine andere Bedeutung abgewonnen:

""Die Lehrenden haben immer wieder zu mir gesagt: Das Wichtige ist, Krisen möglich machen, das Wichtige ist, Fehler möglich machen."

Natürlich hat eine Sommerakademie unausweichlich den Sommer in sich. Schönes Wetter und gemeinsame Freizeit von kunstliebenden Amateuren an lieblichen Orten, Orten wie eben Salzburg, die fernab vom rauen Wind des Kunstbetriebes einen gewissen Erholungswert aufweisen. Soweit das Klischee.

Beim Gang durch die insgesamt 22 Kursklassen mit über 300 Teilnehmern zeigt die Sommerakademie Seiten, die man nicht unbedingt erwarten würde. Die Handschrift der Direktorin wird in der Auswahl der Lehrenden deutlich: Jo Ratcliffe ist zum zweiten Mal hier - die Südafrikanerin hat Fotoserien von Landschaften gemacht, in denen der südafrikanisch-angolanische Grenzkrieg stattfand und ist dafür mit mehreren Preisen ausgezeichnet worden.:

"Die Teilnehmer meines Kurses sind mit fertigen Arbeiten hierhergekommen, andere arbeiten an ganz neuen Projekten, die erst während dieser drei Wochen entstehen. Worauf wir hier achten wollen ist die Frage, wie wir Fotografien lesen. Was erwarten wir von ihnen? Wie machen wir Geschichten aus ihnen? Wie konstruieren wir die Narrative durch verschiedene Bildsequenzen, durch Beziehungen unter einzelnen Bildern oder in der Beziehung von Bild zu Text?"

Ratcliffs Klasse wirkt durch und durch professionell, sie ist kein Technikkurs für Anfänger, sondern für junge Fotografinnen und Fotografen aus verschiedenen Erdteilen, die Dokumentarisches mit Künstlerischem verbinden wollen.

In der Klasse der beiden Medienkünstler und aktuellen documenta-Teilnehmer Shaina Anand und Ashok Sukumaran treffen wir auf eine Studentin aus Teheran, die nur durch eine besondere Initiative der Sommerakademie ihr Visum erhalten hat, um ihren Kurs doch noch besuchen zu können. Sie studiert Webanimation, doch in Salzburg verfolgt sie ganz eigene Interessen.

Auf einem gewöhnlichen Videoportal im Internet hat sie Amateuraufnahmen aus dem syrischen Bürgerkrieg eingestellt, doch sie sind kaum zu sehen, nur zu hören neben einem anderen Video, das romantische Liebesszenen zeigt und sich statt der Kriegsszenen in den Blick drängt. Auf die Frage, ob sie auch künftig in Iran und Europa arbeiten will, weicht sie mit charmantem Lächeln und gutem Deutsch lieber aus:

"Es ist ein bisschen gefährlich für mich, zu antworten, weil ... wenn in Iran ich zurückkomme, dann ... vielleicht ... vielleicht..."

In der Alten Saline des Salzburger Vorortes Hallein hält derweil der österreichische Künstler Peter Friedl einen "Lunch Talk" über Widerstand in der Kunst. Einen politisch wachsamen und dem Kunstbetrieb gegenüber angenehm skeptischen Geist wie ihn hätte man vermutlich überall erwartet, nur nicht auf einer Sommerakademie. Tatsächlich aber ist auch er schon zum zweiten Mal hier. Gleichwohl bekennt er:

"Wenn gewisse Leute so leicht über Widerstand in der Kunst palavern, denke ich immer, sie haben das Medium Kunst nicht verstanden. Ästhetischer Widerstand ist ein einsames Geschäft. Er ist es wert, immer weiter daran zu arbeiten. Aber da gibt es nichts zu lehren!"

Obwohl es nichts zu lehren gibt, haben sich doch einige Teilnehmer für seinen Kurs angemeldet, und Friedl zählt dem Vernehmen nach zu den strengsten Kursleitern, seine Studenten sind hochzufrieden, und er selbst schätzt den Austausch. Aber man fragt sich unweigerlich: Wo ist hier das klassische Sommerakademien-Publikum geblieben, wo sind die kunstliebenden Amateure?

Einer wie Olav Westphalen scheint sie magisch anzuziehen, er, den ein breiteres Publikum vermutlich eher als kommerziellen Zeichner des Cartoon-Duos Rattelschneck kennt, denn als Installationskünstler und künstlerischen Zeichner. Oben auf der Festung Hohensalzburg hat er eine Klasse, die ihm sichtlich nicht nur Spaß macht:

"Das ist ne wilde Mischung von Leuten, die kreativ Urlaub haben wollen und danach glaub ich die Sommerakademie als so ne Art Dienstleistungsbetrieb verstehen. Auf der einen Seite stimmt das ja, es kostet was - aber meiner Meinung nach ist jede Art von Erziehung oder Forschung oder wie immer man das beschreiben will, ist eigentlich ein Austausch, es ist kein Animationsprogramm - man hat halt solche, und man hat Leute, die wirklich Kunst machen, Leute, die eigentlich ganz was anderes machen wollen, auch nicht unbedingt wissen, was Kunst ist."

Olav Westphalen ist inzwischen selbst Kunstprofessor am Royal Institute of Art in Stockholm, man könnte fragen, warum tut er sich das an, auch noch im Sommer in einer Sommerakademie Kunstlaien zu unterweisen, statt Urlaub zu nehmen. Da wird der gebürtige Hamburger plötzlich ernst. Auch er hat in Salzburg offenkundig schon seine Krise ausgestanden:

"Ganz blöder Grund: Vor über zwanzig Jahren war ich mal hier als Student, und damals war es wichtig für mich, weil ich damals an so einem Punkt war, wo ich wirklich eine andere Art von Input gebraucht hab und ich glaube, es hat sich einiges verändert - aber als die mich fragten, war ich halt neugierig genug, um mir das mal anzugucken."