Mehr als Propagandafilme

Von Nicole Maisch |
Die Deutsche Film AG (DEFA) produzierte von Mai 1946 bis Juni 1990 etwa 750 Spielfilme. Viele dieser Werke verstauben in den Archiven, sozialistische Propaganda, die schon in der DDR keiner sehen wollte. Doch wurde auch künstlerisch wie politisch äußerst Bemerkenswertes gedreht.
"Bei den Amerikanern war der Filmoffizier, er sagte ganz lässig, sagte der, Herr Staudte, also in den nächsten fünf, sechs Jahren wird in diesem Lande überhaupt kein Film gemacht. Und wenn, von uns."

Der Regisseur Wolfgang Staudte hatte es zuvor schon bei den Engländern und den Franzosen versucht, aber auch die hatten sein Filmprojekt abgelehnt. Erst seine letzte Anfrage, die bei den Sowjets, war von Erfolg gekrönt. Nur sie waren nach dem Zweiten Weltkrieg dazu bereit, die NS-Vergangenheit mit deutschen Filmschaffenden gemeinsam aufzuarbeiten. So entstand Staudtes "Die Mörder sind unter uns" in der sowjetischen Besatzungszone und wurde zum ersten von der DEFA produzierten Film.

Bis 1945 hatte in Babelsberg die Ufa regiert. Am 17. Mai 1946 dann trat die Deutsche Film AG das Erbe an und erweckte die Kinofabrik zu neuem Leben. Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten der DEFA, die die einzige Filmproduktionsstätte der DDR bleiben sollte, sprach als Vertreter der sowjetischen Militäradministration Oberst Sergej Tulpanow:

"Der Film als Massenkunst muss eine scharfe und mächtige Waffe im Kampf gegen die Reaktion, für die Ziele der Demokratie, gegen den Krieg und den Militarismus, für Friede und Freundschaft aller Völker der ganzen Welt werden."

Bei der DEFA versammelten sich antifaschistische Regisseure und Drehbuchautoren, die Tulpanows Auffassung von Film teilten. Das Einverständnis zwischen den kulturell aufgeschlossenen sowjetischen Offizieren und den deutschen Filmschaffenden führte zu einer geistig unabhängigen und künstlerisch ergiebigen ersten Blütezeit der DEFA, die bis zum Oktober 1949 währte.

Mit der DDR-Staatsgründung und dem Kalten Krieg änderte sich das Klima. Die staatliche Filmpolitik, ab dann stets zwischen Verboten und Zugeständnissen schwankend, griff erstmals zu Zensurmaßnahmen. 1952 und '53 zum Beispiel wurden jeweils nur fünf Filme fertig gestellt und alle anderen Produktionen verboten. Erst 1961 herrschte wieder Aufbruchstimmung.

"Es gab uns allen Hoffnung, dass nach dem Mauerbau innerhalb des Landes jetzt eine freiere und offenere Diskussion möglich würde."

Die militärisch stabilisierte DDR, so glaubte nicht nur der Regisseur Frank Beyer, würde größere künstlerische Freiheiten gewähren. Für kurze Zeit war dies auch tatsächlich der Fall. Es entstanden kritische Filme wie "Der geteilte Himmel", Konrad Wolfs Adaption einer Erzählung von Christa Wolf, oder Frank Beyers "Spur der Steine":

"Ich halte mich an meine Beschlüsse. Und wenn Dir das nicht passt, dann gehen wir dahin, wo wir nicht belästigt werden. "

"Wie meinst Du das? "

"So, wie Du das ganz richtig verstanden hast. Dahin, wo Dein Sozialismus einen Dreck wert ist."

Die Arbeiterklasse triumphiert hier zwar, aber in Gestalt des von Manfred Krug verkörperten anarchistischen Brigadiers Balla, der seine Leute gegen Chaos und Bürokratie in den Streik führt. So hatte sich das die Partei dann aber doch nicht vorgestellt . "Spur der Steine" war einer der Filme, die in Folge des 11. ZK-Plenums der SED verboten wurden. Erich Honecker im Dezember 1965:

"Unsere Deutsche Demokratische Republik ist ein sauberer Staat. In einigen, während der letzten Monate bei der DEFA produzierten Filmen zeigen sich dem Sozialismus fremde, schädliche Tendenzen und Auffassungen."

Bevor das erstarrende Regime die DEFA in den 80er Jahren noch fester an die Kette legte, kam es Anfang der 70er Jahre noch einmal zu einer kurzen Phase, während der kreative und kritische Filmarbeit möglich war. Einer der größten Hits der DDR kam damals in die Kinos. Ein Film, der sich so konsequent wie vorher kein anderer dem Individuum widmete: "Die Legende von Paul und Paula", Regie führte Heiner Carow.

Die DEFA existierte länger als der Staat, dessen Spiegel sie immer war. Drei Jahre vor Gründung der DDR ins Leben gerufen, wurde die Deutsche Film AG erst im Juli 1990 an die Treuhand verkauft. Seit 1992 befindet sich das "Studio Babelsberg" in privatwirtschaftlichem Besitz. In den weltweit ältesten Filmateliers finden heute Dreharbeiten zu internationalen Co-Produktionen wie "Der Pianist" statt. Die Filme der DEFA gehören zum Nationalen Kulturerbe der Bundesrepublik und werden von einer Stiftung verwaltet.