Mehr Demokratie wagen in der katholischen Kirche!
Nach den Missbrauchsfällen und der Augsburger Causa Mixa wird der Ruf nach Reformen in der katholischen Kirchen immer lauter. Die Basis möchte mitreden, wenn demnächst die Diözesen Berlin, Görlitz, Mainz, Köln und Passau neue Oberhirten bekommen.
Das Thema ist so heiß, dass die katholische Hierarchie eine Debatte erst gar nicht aufkommen lassen möchte: Immer lauter wird nach den Missbrauchsfällen und der Augsburger Causa Mixa der Ruf nach Reformen bei der Bestellung der Bischöfe. Kleriker und Laien wollen mitreden, wenn demnächst deutsche Diözesen – Berlin, Görlitz, Mainz, Köln und Passau – neue Oberhirten bekommen.
Das Theologen-Memorandum "Ein notwendiger Aufbruch", Auslöser eines Meinungskampfes, der den Katholizismus in Deutschland seit Wochen in Atem hält, nennt die Beteiligung der Gläubigen an der Auswahl der Amtsträger einen Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Freiheitsbotschaft des Evangeliums. Die Autoren berufen sich auf das alte Rechtsprinzip: Was alle angeht, soll von allen entschieden werden. Kritiker aus dem konservativen Lager hingegen sehen in dem Memorandum ein Planspiel für eine "andere Kirche"; Prinzipien der Demokratie, protestieren sie, dürften nicht auf die Kirche übertragen werden.
Der Einwand ist grundsätzlich richtig. Die Grundgestalt der Kirche ist unwandelbar. Über Glaubenssachen kann nicht eine Zufallsmehrheit entscheiden, das steht auch für die Reformer außer Frage. Eine Verbreiterung der Mitwirkung bei der Berufung eines neuen Bischofs würde freilich nicht im Entferntesten die Glaubenssubstanz tangieren. Das zeigt die Kirchengeschichte. Etwa ein Jahrtausend lang war der Grundsatz der Wahl der Amtsträger durch Klerus und Volk unbestritten. Wer allen vorstehen soll, muss auch von allen gewählt werden – so hatte es Papst Leo I., der Große, im 5. Jahrhundert formuliert. Erst vom 11. Jahrhundert an zog das Kirchenoberhaupt das Recht der Bischofsbestellung an sich, der römische Zentralismus begann sich durchzusetzen.
Natürlich können die Modalitäten der Bischofswahl in der frühen Kirche, einer "kleinen Herde", nicht eins zu eins von der Kirche des 3. Jahrtausends übernommen werden. Dafür sind die Bistümer zu groß, und Mitgliederbefragungen passen eher zu politischen Parteien, nicht aber zu Glaubensgemeinschaften. Das heißt aber nicht, dass es beim Status quo – freie Ernennung durch den Papst oder, wie in Teilen Deutschlands üblich, Wahl durch das Domkapitel auf der Basis einer Dreierliste – unbedingt bleiben muss. So hat der Grazer Kirchenhistoriker und Publizist Gerhard Hartmann in seinem Buch "Wählt die Bischöfe" einen "Vorschlag zur Güte" vorgelegt. Er empfiehlt unter anderem eine Erweiterung der Domkapitel um Mitglieder des Priesterrates, Delegierte des Pastoralrates und Vertreter der Laien. Außerdem soll Rom sieben und nicht wie bisher drei Kandidatennamen übermitteln, um eine echte Wahlmöglichkeit zu garantieren. Der legendäre Kölner Kardinal Josef Frings hatte sich einst mit rheinischem Humor über die römische Praxis lustig gemacht: "Auf der Dreierliste steht ein Neger, ein Chinese und der, der es werden soll."
Der erwähnte "Vorschlag zur Güte" soll es dem Apostolischen Stuhl schwerer machen, gegen die Meinung der Ortskirche seine Personalvorstellung durchzusetzen. Das wäre noch nicht ein Zurück zum Wahlmodus der frühen Kirche, aber doch eine deutliche Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage. In der Vergangenheit haben im gesamten deutschsprachigen Raum Katholiken mit ihrem Austritt aus der Kirche gegen umstrittene Bischofsernennungen protestiert. Eine breitere Beteiligung des Kirchenvolkes würde wahrscheinlich nicht alle Probleme lösen. Aber sie wäre auf jeden Fall ein Beitrag zu mehr Glaubwürdigkeit. Und sie würde zur Versöhnung mit jenen führen, die sich durch einsame, die Meinung der Ortskirche missachtende Entscheidungen in ihrem demokratischen Grundempfinden verletzt fühlen.
Gernot Facius, Journalist, geb. 1942 im Sudetenland, viele Jahre bei der Tageszeitung "Die Welt", zuletzt als stellvertretender Chefredakteur, u. a. verantwortlich für das Ressort "Religion und Gesellschaft" und die Meinungsseite, verheiratet, fünf Kinder. Autor der "Welt"-Gruppe.
Das Theologen-Memorandum "Ein notwendiger Aufbruch", Auslöser eines Meinungskampfes, der den Katholizismus in Deutschland seit Wochen in Atem hält, nennt die Beteiligung der Gläubigen an der Auswahl der Amtsträger einen Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Freiheitsbotschaft des Evangeliums. Die Autoren berufen sich auf das alte Rechtsprinzip: Was alle angeht, soll von allen entschieden werden. Kritiker aus dem konservativen Lager hingegen sehen in dem Memorandum ein Planspiel für eine "andere Kirche"; Prinzipien der Demokratie, protestieren sie, dürften nicht auf die Kirche übertragen werden.
Der Einwand ist grundsätzlich richtig. Die Grundgestalt der Kirche ist unwandelbar. Über Glaubenssachen kann nicht eine Zufallsmehrheit entscheiden, das steht auch für die Reformer außer Frage. Eine Verbreiterung der Mitwirkung bei der Berufung eines neuen Bischofs würde freilich nicht im Entferntesten die Glaubenssubstanz tangieren. Das zeigt die Kirchengeschichte. Etwa ein Jahrtausend lang war der Grundsatz der Wahl der Amtsträger durch Klerus und Volk unbestritten. Wer allen vorstehen soll, muss auch von allen gewählt werden – so hatte es Papst Leo I., der Große, im 5. Jahrhundert formuliert. Erst vom 11. Jahrhundert an zog das Kirchenoberhaupt das Recht der Bischofsbestellung an sich, der römische Zentralismus begann sich durchzusetzen.
Natürlich können die Modalitäten der Bischofswahl in der frühen Kirche, einer "kleinen Herde", nicht eins zu eins von der Kirche des 3. Jahrtausends übernommen werden. Dafür sind die Bistümer zu groß, und Mitgliederbefragungen passen eher zu politischen Parteien, nicht aber zu Glaubensgemeinschaften. Das heißt aber nicht, dass es beim Status quo – freie Ernennung durch den Papst oder, wie in Teilen Deutschlands üblich, Wahl durch das Domkapitel auf der Basis einer Dreierliste – unbedingt bleiben muss. So hat der Grazer Kirchenhistoriker und Publizist Gerhard Hartmann in seinem Buch "Wählt die Bischöfe" einen "Vorschlag zur Güte" vorgelegt. Er empfiehlt unter anderem eine Erweiterung der Domkapitel um Mitglieder des Priesterrates, Delegierte des Pastoralrates und Vertreter der Laien. Außerdem soll Rom sieben und nicht wie bisher drei Kandidatennamen übermitteln, um eine echte Wahlmöglichkeit zu garantieren. Der legendäre Kölner Kardinal Josef Frings hatte sich einst mit rheinischem Humor über die römische Praxis lustig gemacht: "Auf der Dreierliste steht ein Neger, ein Chinese und der, der es werden soll."
Der erwähnte "Vorschlag zur Güte" soll es dem Apostolischen Stuhl schwerer machen, gegen die Meinung der Ortskirche seine Personalvorstellung durchzusetzen. Das wäre noch nicht ein Zurück zum Wahlmodus der frühen Kirche, aber doch eine deutliche Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage. In der Vergangenheit haben im gesamten deutschsprachigen Raum Katholiken mit ihrem Austritt aus der Kirche gegen umstrittene Bischofsernennungen protestiert. Eine breitere Beteiligung des Kirchenvolkes würde wahrscheinlich nicht alle Probleme lösen. Aber sie wäre auf jeden Fall ein Beitrag zu mehr Glaubwürdigkeit. Und sie würde zur Versöhnung mit jenen führen, die sich durch einsame, die Meinung der Ortskirche missachtende Entscheidungen in ihrem demokratischen Grundempfinden verletzt fühlen.
Gernot Facius, Journalist, geb. 1942 im Sudetenland, viele Jahre bei der Tageszeitung "Die Welt", zuletzt als stellvertretender Chefredakteur, u. a. verantwortlich für das Ressort "Religion und Gesellschaft" und die Meinungsseite, verheiratet, fünf Kinder. Autor der "Welt"-Gruppe.